Objektiv, nicht unparteiisch

Nachrichtenagentur Prensa Latina hat wieder eine Vertretung in Deutschland

Es ist mehr eine Rückkehr als eine Expansion: Nach 20 Jahren unterhält die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina wieder ein Büro in Berlin. Nach 1989 hatten beide Vertretungen – in Berlin und Bonn – schließen müssen. Die Agentur geriet damals in den Sog der schweren Wirtschaftskrise, die Kubas Ökonomie nach der Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe mit sich riss. 

„Nach und nach haben wir uns wieder erholt“, sagt der Präsident der „PL“, Frank González. Auch, weil sich die Prensa Latina selbst finanziert. „Wir stecken jeden eingenommenen Cent wieder ins Geschäft“, so González. Der Erfolg spricht für sich: Nach der Wiedereröffnung der Auslandsbüros in Panama und der Türkei (2005), Frankreich (2006), Uruguay und Indien (2007) sowie Ägypten (2008) wurde in Berlin die jüngste Vertretung eingerichtet.
Gegründet wurde Prensa Latina 1959, wenige Monate nach der kubanischen Revolution, auf Initiative von Ernesto „Che“ Guevara und Fidel Castro. Die junge Regierung stand damals im Visier einer Medienkampagne, die vor allem von US-amerikanischen Agenturen angeführt wurde. Gerade drei Wochen nach dem Sieg über die Diktatur von Fulgencio Batista kamen deswegen hunderte internationale Journalisten im Hotel Habana Riviera zu einer Konferenz unter dem Titel „Operación Verdad“ (Operation Wahrheit) zusammen. Der Einfluss von wirtschaftlichen Interessen auf die Berichterstattung der großen internationalen Agenturen war damals eines der zentralen Themen. Man müsse, so der Tenor, eine eigene, eine lateinamerikanische Nachrichtenagentur schaffen. In der Prensa-Latina-Zentrale an der 23. Straße in Havanna ist bis heute eine Notiz Che Guevaras erhalten: „Sie sollte PRENSA LATINA heißen“.
Damals wie heute ist der Schwerpunkt der Agentur Lateinamerika. Von 26 Ländern mit Korrespondentenbüros befinden sich 16 auf dem amerikanischen Kontinent, drei in Asien, zwei in Afrika und nun fünf in Europa. Auch von Deutschland aus sollen andere, alternative Informationen den Weg in die lateinamerikanische Öffentlichkeit finden: über die soziale Realität in einem der wirtschaftsstärksten Länder der EU, die Situation der Immigranten, die sozialen Widersprüche. Die Sicht von Gewerkschaften auf diese Themen nimmt ein entsprechendes Gewicht ein.
Prensa Latina ist längst kein isoliertes Projekt mehr. Im Kontext der progressiven Reformbewegungen in Lateinamerika sind in den vergangenen Jahren mehrere Medien entstanden, die eine unabhängige Berichterstattung verfolgen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur. Prensa Latina nimmt in diesem Kontext als Nachrichtenagentur aber eine besondere Stellung ein.
Möglich wurde der Aufbau des Büros auch durch ein Kooperationsabkommen mit der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland (ND). Der Chefredakteur des ND, Jürgen Reents, verspricht sich von der Zusammenarbeit einen „aktiven Beitrag zur alternativen Information auf beiden Seiten“. Man freue sich auf die Partnerschaft mit einer Agentur, zu deren Gründungsjournalisten der Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez gehört. Seine Mitarbeit und die anderer lateinamerikanischer Persönlichkeiten haben den Charakter von Prensa Latina als lateinamerikanische Agentur gestärkt. Inhaltlich gilt bis heute, was der erste PL-Chef Jorge Ricardo Masetti 1959 feststellte: „Wir sind objektiv, aber nicht unparteiisch. Nicht Partei zu ergreifen kommt für uns der Feigheit gleich, denn man kann nicht neutral sein zwischen dem Guten und dem Schlechten.“
Harald Neuber,
Deutschland-Korrespondent von Prensa Latina: 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »