Österreichs schwierige Medienbranche

Die letzte Wiener-Zeitung Foto: dpa, Roland Schlager

Journalismus wird gerne als „vierte Gewalt“ im Staat betitelt. Verantwortungsvoller, kritisch hinterfragender Journalismus ist eine tragende Säule funktionierender Demokratie. Er liefert qualitätsgesicherte Informationen über politische Inhalte, kulturelle, gesellschafts- und wirtschaftliche Entwicklungen. Gleichzeitig ist er Kontrolle und Kritik, indem er Missstände aufspürt und beschreibt.

Das internationale Ranking der Pressefreiheit lässt Schlimmes befürchten. Dort ist Österreich in den vergangenen zehn Jahren bereits um 17 Plätze gefallen. Nun droht ein weiterer Absturz vom ohnedies schon bedenklichen Platz 29. Würde alleine der rechtliche Rahmen gezählt, läge Österreich nur auf Platz 33, beim politischen Rahmen überhaupt nur auf Platz 39.

Medienvielfalt verringert sich

In Österreich steht qualitätsvoller Journalismus seit längerem unter Druck – wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch. 2023 stellt dabei einen traurigen Höhepunkt dar. Monatelang kämpften breite Gesellschaftsschichten vergeblich um den Erhalt der „Wiener Zeitung“, der ältesten gedruckten Tageszeitung der Welt. Sie wäre jetzt 320 Jahre alt geworden. Doch die Bundesregierung als Eigentümervertreterin der Republik Österreich schickte die „Wiener Zeitung“ ins ausschließliche Online – ein massiver Schlag gegen die ohnedies ausgedünnte Medienvielfalt in Österreich. Damit gibt es dortzulande nur noch zehn Kauftageszeitungen, nachdem mit Jahresende auch die letzte Parteitageszeitung, das „Neue Volksblatt“, in Printform eingestellt wird. Auch dafür verantwortlich: die Regierungspartei ÖVP.

Neuer Medien-Hub beschlossen

Die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen beschloss im Parlament gegen die Stimmen der Opposition einen sogenannten „Medien-Hub“, in dem die Ausbildung von Journalist*innen angesiedelt wird. Finanziert wird der aus Budgetmitteln. Private Anbieter von Ausbildungslehrgängen, werden seit Jahren finanziell ausgehungert, nun geraten sie weiter ins Hintertreffen. Mit sechs Millionen Euro jährlich wird eine Verstaatlichung der Journalist*innen-Ausbildung betrieben, statt die bestehende Expertise der privaten Aus- und Weiterbildungsinstitute wie der sozialpartnerschaftlich betriebenen Medienakademie und dem fjum (Forum Journalismus und Medien) mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten.

Die in diesem Hub ausgebildeten Redakteur*innen werden indirekt aus den Budgetmitteln des Bundeskanzleramtes bezahlt. Sie werden auf Anfrage Medienhäusern de facto zum Nulltarif überlassen. Wie ein Spinnennetz durchzieht das Programm damit den gesamten österreichischen Medienmarkt. Es erschafft quasi ein Monopol auf journalistische Ausbildung und verschärft den staatlichen Einfluss auf Medien.

Werbung für 200 Millionen Euro

Der Staat schaltet Anzeigen. Gut 200 Millionen Euro haben die öffentlichen Einrichtungen in Österreich (also nicht nur die Bundesregierung) im Jahr 2022 für Werbung in Medien ausgegeben. Mittel, die intransparent und ohne nachvollziehbare gemeinsame Linie oft boulevardaffin vergeben wurden.

Stellt man die durchschnittlichen Leser*innenzahlen der Tageszeitungen auf Basis der österreichischen „Media-Analyse“ alleine den Gesamtausgaben der Bundesregierung gegenüber, so zeigt sich, dass etwa Boulevardzeitungen (sowohl Kauf- als auch Gratisblätter) im Vorjahr bis zu 4,51 Euro pro Leser*in erhalten haben, Qualitätsmedien dagegen nur etwa 1,17 Euro.

Politischer Einfluss beim ORF

Beim Österreichischen Rundfunk (ORF) geht es weniger um Anzeigen der öffentlichen Hand. Die ÖVP-Grüne-Bundesregierung hat sich darauf verständigt, die Finanzierung künftig über eine sogenannte Haushaltsabgabe sicherzustellen. Den politischen Einfluss auf den ORF hat sie damit allerdings nicht verringert. Auch die unausgewogene Besetzung des ORF-Stiftungsrats sei verfassungswidrig, stellte kürzlich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) fest. Er forderte die Bundesregierung auf, bis März 2025 eine Gremienreform zu initiieren mit dem Ziel, Verstöße gegen das Unabhängigkeitsgebot, die vor allem durch einen zu großen Einfluss der Regierung entstehen, auszuschließen.

Ungeachtet der staatlichen Anzeigenerlöse kämpfen die Verlage mit wirtschaftlichen Problemen. Das liegt einerseits daran, dass sowohl die Auflagen als auch die generellen Anzeigenerlöse deutlich eingebrochen sind. Andererseits haben es die österreichischen Verlage versäumt, rechtzeitig eine finanzwirksame Digitalstrategie zu entwickeln.

Fehlende Digital-Strategie der Medienverlage

Die Überlegungen, einfach alle Printartikel gratis in die jeweiligen Online-Foren der Verlage zu stellen in der Hoffnung, eine jüngere Klientel an die (gedruckte) Zeitung zu binden, ging schnell erkennbar nicht auf. Dennoch wollte offensichtlich kein Verlag der Erste mit einer Bezahlschranke sein. Nachdem sich endlich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass es journalistische Arbeit nicht gratis geben kann, zeigt sich, dass die Bezahlschranke bei weitem nicht die im Print verlorenen Einnahmen kompensieren kann.

Bliebe das Aufwerten der Printprodukte mittels verstärkten journalistischen Angeboten – in der Hoffnung, wieder ein größeres Publikum anzusprechen oder wenigstens das bisherige zu halten. Doch für zusätzliche Recherchen fehlt schlicht das Personal, zu stark sind die Redaktionen ausgedünnt.

Zeitungsverband kündigte Kollektivvertrag

Wie groß die Verzweiflung ob des ständigen wirtschaftlichen Abschwungs bei den Verlagen mittlerweile zu sein scheint, zeigte deren Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Aus heiterem Himmel kündigte er Ende September den Kollektivvertrag für Journalist*innen – ohne zuvor mit der Journalist*innengewerkschaft Verhandlungen aufzunehmen.

Es folgten flächendeckend Betriebsversammlungen in den Redaktionen der Tages- und Wochenzeitungen sowie bei deren Online-Ausgaben, auch ein Streikbeschluss der Gewerkschaft ließ nicht lange auf sich warten. Das zeigte Wirkung: Der VÖZ zog die Kündigung des Tarifvertrages wieder zurück – und zwar ohne Vorbedingungen.

Jetzt wird verhandelt. Dabei wollen die Unternehmer massive Verschlechterungen für die Arbeitnehmer*innen durchsetzen. Öffentlich stellten sie bereits wesentliche Bestandteile des Journalist*innen-Kollektivvertrages in Frage wie Gehaltsschema und Gehaltsstufen (Senioritätsprinzip), aber sie wollen auch Urlaubsansprüche reduzieren, Kündigungsfristen verkürzen und verlangen Einschnitte in das Urheberrecht.

FPÖ droht Medienschaffenden

Dabei ist Qualitätsjournalismus in Zeiten „sozialer Medien“ wichtiger denn je. Wichtig zum Entlarven von fake news, wichtig, um Zusammenhänge differenziert darzustellen und wichtig, um Themen aufzudecken, die manche im Verborgenen halten wollen.

Journalist*innen in Österreich sind verstärkt Angriffen ausgesetzt – das zeigte sich während der Corona-Pandemie und mittlerweile in heftigen verbalen Attacken politischer Gruppen, allen voran der rechtspopulistischen FPÖ. So lobte der stellvertretende Obmann der Bundespartei und Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, seinen Chef Herbert Kickl öffentlich mit den Worten: „Unter einem freiheitlichen Kanzler Kickl werden so einige wieder das Benehmen lernen: vom Journalisten bis zum Islamisten.“

Unabhängiger Journalismus in Österreich braucht einen verlässlichen Rahmen, eine gesicherte wirtschaftliche Basis sowie Raum und Umfeld, in dem sich Kreativität und kritisches Denken unbeeinflusst entfalten können. Die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zeigen leider in die gegenteilige Richtung – hin zu einem Abgesang auf Qualitätsjournalismus.

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