Offene Kritik erwünscht

In Eritrea wird die Pressefreiheit zunehmend mit Füßen getreten

Seit einigen Wochen eskalieren im afrikanischen Staat Eritrea die innenpolitischen Auseinandersetzungen. Die Regierung setzt dabei auf geknebelte Medien. Zeitungen wurden verboten, Journalisten inhaftiert. Ihr Vergehen: Sie hatten einen „Offenen Brief“ einiger Dissidenten aus der Regierungspartei veröffentlicht.

Für das erst seit wenigen Jahren unabhängige afrikanische Land ist der Vorgang fast ungeheuerlich: In einem Offenen Brief wenden sich 15 der 75 Mitglieder des Parlaments und des Zentralrats der Regierungspartei – alle gehören der regierenden Einheitspartei „Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit“ PFDJ an – gegen die Politik der Regierung. Sie werfen ihr vor, „illegal und verfassungswidrig“ zu handeln. Die Reaktion kommt sofort: Die greifbaren elf Unterzeichner werden inhaftiert, drei sind im Ausland, einer zieht seine Kritik zurück. Die unabhängigen Zeitungen, die es gewagt haben, den Brief zu veröffentlichen, werden umgehend verboten. Und auch neun Journalisten, die man für die Veröffentlichung verantwortlich macht, kommen hinter Gitter.

Seit dem 19. September dieses Jahres sind Yousef Mohammed Ali, Medhanie Haile, Dawit Habtemichael, Amanuel Asrat, Dawit Isaac, Temesken Ghebreyesus, Methewos Habteab, Aron Berhane und Seyoum Fsehaye in der Hauptstadt Asmara im Gefängnis. Sie wurden bisher nicht angeklagt und dürfen keinen Besuch empfangen. Die Haftbedingungen des Landes sind nach Angaben von amnesty international sehr schlecht, Misshandlungen üblich.

Die Journalisten arbeiten für die Blätter „Keste Debena“, „Seti“, „Mekaleh“, „Tsigenai“ und „Zemen“. Das sind unabhängige Zeitungen, die erst im vergangenen Jahr zugelassen wurden. Jetzt geht die Regierung kompromisslos gegen sie vor: Weil sie nach offizieller Lesart „gegen das Pressegesetz verstoßen“ und „die Einheit und die Interessen des Landes gefährdet“ haben, wurden sie geschlossen. Es wurde aber angedeutet, dass sie wieder erscheinen dürften, wenn erkennbar werde, dass man sich künftig positiv über die Regierung äußern wird. Bis dahin können sich in den Städten einige Privilegierte über das Internet informieren. Die anderen – vor allem auf dem Land – müssen sich mit der einseitigen Information durch die Regierungsmedien begnügen.

Das harte Vorgehen der Behörden ist nur der jüngste Höhepunkt einer innenpolitischen Zuspitzung im Land, das sich erst 1991 nach jahrezehntelangem Freiheitskampf von Äthiopien lösen konnte und in den Jahren danach als seltenes Beispiel für Stabilität in Afrika galt. Doch schleichend nimmt die Machtkonzentration in Eritrea zu. Schon im vergangenen Jahr begannen Dissidenten der Regierungspartei leise, ihre Kritik vorzutragen. Missmanagement, Missachtung des Parlaments, eine Verzögerung bei der Verabschiedung eines Parteiengesetzes und die Nichtumsetzung der vom Parlament beschlossenen Verfassung lauteten die schwersten Vorwürfe. Bekannt wurde das kaum, weil sich Eritrea im Grenzkrieg mit dem übermächtigen südlichen Nachbarn Äthiopien befand und Kritik als Unterstützung des Feindes verteufelt wurde. Die noch jungen privaten Zeitungen stießen auf relativ wenig Resonanz, und ihre Redakteure wurden erst im Laufe dieses Jahres selbstbewusster im Umgang mit Kritik an der Regierung.

Inzwischen nimmt die Zahl der Kritiker zu, aber parallel dazu auch die Repression – nicht nur gegenüber den Medien. Konnten auf einer internationalen Konferenz im Juli in Asmara noch Tabuthemen wie militärische Sondergerichte oder willkürliche Festnahmen sanktionsfrei diskutiert werden, wird inzwischen mit Festnahmen auf Abweichler reagiert. Den Vorsitzenden einer Studentenorganisation traf es im August, die elf Politiker und neun Journalisten vier Wochen später. Außerdem sind rund 60 Anhänger der Inhaftierten ebenfalls festgenommen worden. Was man ihnen konkret vorwirft und wann sie unter welchen Bedingungen vor Gericht gestellt werden, ist genauso unklar wie die Zukunft der Medien und der Demokratie in Eritrea. Schon werden in der Hauptstadt Asmara Vergleiche mit der Situation unter dem äthiopischen Militärregime in den 70er- und 80er Jahren laut.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Eine Stimme für afghanische Mädchen

Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Maydegol“ über viele Jahre eine junge Muay-Thai-Boxerin aus Afghanistan, die im Iran unter schwierigen Umständen für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. Im Interview erzählt Alambeigi, welche Rolle das Kopftuch für den Film spielt, was sie von der jungen Generation gelernt hat und warum der Film endet, bevor Maydegol endlich gelingt, was sie sich wünscht.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »