Personbezogene Daten im PC sind nicht mehr erlaubt

EU-Vorsitzland Schweden legt die Datenschutzrichtlinie hart aus.

Ab 1. Oktober dürfen nicht länger Texte mit personenbezogenen Daten in PCs gespeichert werden. „Wahnsinn“, meinen Kritiker.

Selbst das Stockholmer Justizministerium macht sich große Sorgen um die Zukunft. Zwar ist es weiterhin erlaubt, für ganz private Zwecke Texte mit den Namen anderer Personen im eigenen Computer zu speichern, aber das gilt nicht, wenn die Texte für einen größeren Personenkreis bestimmt sind; z.B in einem Aufruf gegen namentlich genannten Politiker oder Arbeitgeber. Allerdings wäre der Aufruf erlaubt, falls er von Hand geschrieben wäre oder wenn die genannten Personen ihre Zustimmung geben.

Der Grund für diese kafkaeske Veränderung: Im Herbst ist die Übergangsfrist vom alten nationalen Datenschutzgesetz zu dem an die EU-Vorschriften angepassten endgültig abgelaufen.

„Alles wäre vielleicht einfacher, wenn wir beim alten Gesetz geblieben wären“, meint Sören Öman, Sachverständiger beim Stockholmer Justizministerium. „Das alte betrifft im Prinzip keine Texte mit personbezogenen Daten, sondern nur Register über Personen“.

Das neue Gesetz macht keinen Unterschied mehr zwischen einem normalen Text und einem Register. Es gilt auch für jedes Textdokument, das via E-Mail über Internet verschickt wird. Allerdings sind Journalisten, Autoren, Künstler und Mitarbeiter von Behörden im Prinzip von der EU-Richtlinie ausgenommen. Für anderen Berufsgruppen gilt dieses Privileg nur in Ausnahmefällen.

„Das Gesetz ist ein absolutes Unding“, sagt Sture Nordh, Vorsitzender des Zentralverbandes TCO, dem schwedischen DGB. „Wird die EU-Datenschutzrichtlinie so wie in Schweden ausgelegt, wird sie unsere alltägliche Gewerkschaftsarbeit unterlaufen“.

Ab 1. Oktober dürfen die Gewerkschaften im Prinzip nur noch Dokumente über ihre eigenen Mitglieder erstellen. Laut Aussage der Stockholmer Datenschutzbehörde wird es kaum noch erlaubt sein, Texte mit Daten von Nichtmitgliedern zu speichern, ohne vorab deren Zustimmung einzuholen. „Das heißt, dass wir große Schwierigkeiten bekommen werden, um z.B. gleiche Löhne für Männer und Frauen an entsprechenden Arbeitsplätzen durchzusetzen“, sagt Sture Nordh. „Da brauchen wir nämlich die gesamten Namen und Lohndaten, unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder oder Nichtmitglieder sind“.

Falls Gewerkschaftssekretäre oder andere diese EU-Richtlinie nicht beachten, droht ihnen eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft. Im schlimmsten Fall gibt es nur eine Lösung“, meint Martin Wästfelt bei der Gewerkschaft für Öffentliche Angestellte im Kommunalen Bereich, SKTF. „Der Computer wird als eine einfache Schreibmaschine benutzt. Das Dokument wird eben geschrieben, gedruckt – und gelöscht“.

Langsam erkennt auch die Sozialdemokratische Regierung von Göran Persson, zugleich Vorsitzender der EU, das gewaltige Problem. Deshalb hat Sören Öman nun die Aufgabe, Vertreter aus Deutschland und anderen EU-Ländern auf das Problem aufmerksam zu machen.

„Für die Zukunft muss die Richtlinie unbedingt geändert werden“, sagt Öman. „Aber allzu radikale Lösungen wird es seitens Schweden nicht geben.“ Zum Beispiel will Schweden keine Veränderung akzeptieren, wenn es um Zusammenstellung von personenbezogenen Daten geht. In Prinzip ist es schon heute in Schweden untersagt, Dateien über Personen mit Hilfe eines Suchmotors im PC oder Netz herzustellen. So soll es auch zukünftig bleiben. „Das ist ja Wahnsinn“ meint der Professor Jacob Palme von der Technischen Universität in Stockholm. „Computer und Suchmotoren sind ja entwickelt worden, um Informationen auffindbar zu machen. Was hilft uns eine Liberalisierung, wenn es untersagt ist, Computer zweckgemäß zu nützen?“.

Was Deutschland und andere EU-Länder von den Schwedischen Plänen halten, kann man in den Akten des Schwedischen Justizministeriums nicht nachlesen. Der Grund: Im „Musterland der Offenheit“ sind die Verhandlungsunterlagen zum Thema Datenschutz unter strengen Verschluss.

Weitere aktuelle Beiträge

Türkei: Kurdische Journalisten in Gefahr

Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Media and Law Studies Association (MLSA) standen zwischen dem 4. und 7. März mindestens 21 Journalisten vor türkischen Gerichten. Diese Zahl mag für deutsche Leser*innen schockierend sein, in der Türkei sind diese Ausmaße juristischer Verfolgung von Journalist*innen leider alltäglich. Unter dem Ein-Mann-Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht es mit der Meinungs- und Pressefreiheit im Land immer düsterer aus. Auch die jüngsten Daten der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG) zeigen deutlich, dass der Druck auf Journalisten wächst.
mehr »

Beschwerde gegen BND-Gesetz

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
mehr »

Social Media: Mehr Moderation gewünscht

Wer trägt die Verantwortung, um etwas gegen zunehmenden Hass in den sozialen Medien zu unternehmen? Die Plattformen? Die Politik? Die Nutzer*innen? Alle drei Gruppen jeweils zu einem Drittel. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der Technischen Universität München (TUM) und der University of Oxford. Sie zeigt auch: der Großteil der Menschen in den zehn untersuchten Ländern wünscht sich mehr Moderation bei Inhalten.
mehr »

Ecuador: Medien ohne Schutz

Mehr Schutz für Berichterstatter*innen, fordert Ecuadors Medienstiftung Fundamedios. Doch in der Regierung von Daniel Noboa, Sohn des Bananenmilliardärs Álvaro Noboa, stößt die Initiative auf Ablehnung. Dafür sei kein Geld da, lautet das Argument. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass Daniel Noboa eher auf TikTok, Instagram und andere soziale Netzwerke setzt und wenig von den traditionellen Medien hält. Erschwerend hinzu kommt, dass Kartelle, aber auch lokale Kaziken versuchen, Journalist*innen zu instrumentalisieren.
mehr »