Italien: Regelungen öffnen Betrügern und Geschäftemachern Tür und Tor
„Tutti a casa!“, „Alle ab nach Hause!“ – mit diesem Schlachtruf gegen die alteingesessenen Politiker gewann Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung bei den Parlamentswahlen Ende Februar 2013 aus dem Stand fast 26% der Stimmen. Die Wut auf die „Politikerkaste“ teilen immer mehr Italiener – doch auf seinen Kundgebungen wettert Grillo regelmäßig auch gegen einen zweiten Berufsstand: die „Journalistenkaste“.
Die nämlich sei den Altparteien treu ergeben, schließlich werde sie von der Politik alimentiert, dank der staatlichen Subventionen für Zeitungen und Zeitschriften. „Schluss mit den öffentlichen Zuschüssen für die Zeitungen“ ist denn auch seit Entstehen der Grillo-Bewegung eine ihrer Kernforderungen. Grillo verschweigt dabei allerdings, dass Pressesubventionen in Italien schon seit diversen Jahren schrumpfen, dass der Kreis der Berechtigten immer kleiner wird – und dass auch sie mit immer geringeren Zuschüssen auskommen müssen. In den „goldenen Zeiten“ half der Staat den Verlegern – auch den hochprofitablen – wo immer er konnte. Vorneweg wurde der Papierankauf der Printmedien ebenso mit staatlichen Geldspritzen deutlich verbilligt wie der Postversand an die Abonnenten. Doch mit dieser Form staatlicher Hilfe – von der alle Printmedien profitierten – ist schon seit 2010 Schluss.
Mehrwertsteuer-Vergünstigungen
So bleibt als einzige Form genereller öffentlicher Hilfe das vergünstigte Mehrwertsteuerreglement. Nur 4 Prozent sind auf Presseprodukte fällig, und die werden zudem in kurioser Manier abgerechnet. Die Verleger nämlich müssen die 4 Prozent Mehrwertsteuer bloß auf ein Fünftel der gedruckten Auflage abführen; der Rest wird pauschal als nicht zu versteuernde Makulatur kalkuliert – eine völlig unrealistische Annahme. So arbeiten die größeren Tageszeitungen, allen voran La Repubblica und der Corriere della Sera, mit einer Remittendenquote von nur gut 20 Prozent und zahlen am Ende auf jedes effektiv verkaufte Exemplar nur 1 Prozent Umsatzsteuer.
Dennoch ist und bleibt Beppe Grillos Forderung nach dem totalen Subventionsstopp populär, denn in Italien genießen Zeitungen, die entweder von „politischen Bewegungen“ oder von Genossenschaften herausgegeben werden, weiter eine lukrative Sonderstellung. Sie können dank eines Gesetzes von 1990 Subventionen teils in Millionenhöhe beanspruchen. So bekam die Unità, früher einmal glorreiche Parteizeitung der Kommunistischen Partei, die heute der gemäßigt linken „Partito Democratico“ nahesteht, über Jahre hinweg ca. sechs Millionen Euro pro Jahr, und die von einer Kooperative edierte stramm linke Manifesto erreichte drei Millionen. Vom Geldsegen profitierten und profitieren aber auch L’Avvenire, die Tageszeitung der italienischen Bischofskonferenz, und dutzende andere katholische Periodika.
Zwar strich gerade die Berlusconi-Regierung von 2006 an den Fördertopf zusammen; die Zeiten, als 150 Millionen Euro pro Jahr flossen, sind definitiv vorbei. Doch weiterhin gibt es kräftig Geld für dutzende Printprodukte, darunter Zeitschriften wie Nadel und Faden oder Motocross-Magazine, und so wurden für Pressesubventionen 104 Millionen im Jahr 2011, 95 Millionen Euro im Jahr 2012 fällig.
Vielen Bürgern im Land stößt die Regelung sauer auf, weil sie Geschäftemachern, ja auch Betrügern Tür und Tor öffnet. Über Jahre hinweg nämlich wurde die vom Verleger gemeldete gedruckte Auflage subventioniert. Keiner fragte, ob irgendwer im Land auch die bezuschussten Blätter las. Kleinpostillen wie Il Foglio – geschätzte verkaufte Auflage täglich 6.000 – kamen so auf jährliche Millionenspritzen.
Und rundherum kriminell agierte der Journalist und Berlusconi-Freund Valter Lavitola. Er gründete 1996 die Tageszeitung L’Avanti!, strich dann bis 2009 insgesamt 23 Millionen Euro Fördermittel ein. Als die Staatsanwaltschaft sich die Belege genauer ansah, stellte sie fest, dass Avanti! alle Zahlen getürkt hatte, dass die gemeldete gedruckte Auflage fern jeder Realität war. Lavitola einigte sich im November 2012 in einem Deal mit Staatsanwaltschaft und Gericht auf eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten für diesen Betrug.
Übergangsmodell
Vor dem Hintergrund solcher Fälle wurden in den letzten Jahren die Vergaberichtlinien verschärft. Zeitungen ohne verkaufte Auflage, die mit Mini-Redaktionen arbeiten, erhalten kein Geld mehr. Wenigstens für 25 Prozent der gedruckten Auflage muss auch der Absatz über den Zeitungshandel nachgewiesen werden, ebenso wie die Kosten für die Redaktion belegt werden müssen.
Doch auch dies ist ein Übergangsmodell. Schon Ende 2011 nämlich beschloss die Regierung unter Mario Monti, die Presseförderung mit dem Jahresende 2014 auslaufen zu lassen. Zeitungen wie Il Manifesto laufen gegen diese Pläne Sturm. Sie argumentieren, mit einigem Recht, dass Zeitungen mit einer klaren politischen Orientierung strukturell benachteiligt sind, weil sie kaum Zugang zu Werbeeinnahmen haben. Doch auch Il Manifesto wird immer wieder die Frage gestellt, ob der Allgemeinheit Millionensubventionen zuzumuten sind, wenn das Blatt trotz der Förderung eine verkaufte Auflage von bloß noch knapp 20.000 Exemplaren erreicht.