Säuberungen in Teheran

Staatliche Willkür in Iran gegen die Medien- und Informationsfreiheit

In Erinnerung an den Jahrestag der islamischen Revolution vom 11. Februar 1979 wandte sich die Organisation zur „Verteidigung der Pressefreiheit Irans“ mit einer Öffentlichen Erklärung an die Machthaber in Teheran. „Wir nehmen den Jahrestag der Revolution zum Anlass, um unseren Sorgen nach Presse und- Meinungsfreiheit Nachdruck zu verleihen“, heißt es darin. Die Einschränkungen und die Verhaftungen von Journalisten, die Überwachung und Kontrolle der Menschen im Iran nähmen rapide zu. „Wir bewegen uns auf einem verminten Arbeitsfeld, und müssen unter ständiger Bedrohung arbeiten. Wir beharren auf unseren alten Forderungen: Jeder Iraner muss ohne Angst und Schrecken, seine Meinung und Gedanken in der Gesellschaft frei äußern dürfen.“

Seit dem Amtseintritt von Präsident Mahmud Ahmadineschad verfolgt die iranische Regierung eine Informationspolitik mit einer ideologisch verbrämten Linie. Sie will jede Möglichkeit von selbstständiger Berichtserstattung und Informationsfreiheit verhindern. Jede anders lautende Stimme über die iranische Innenpolitik, über grassierende Korruption im Lande, über eine verlogene und gescheiterte Sozialpolitik, über alltägliche Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen soll unterdrückt werden.
In einem Bericht der Tageszeitung Etemade Meli (Nationales Vertrauen) von 27. November 2006 war zu lesen, dass innerhalb von sieben Monaten 4,2 Mil­liarden SMS zwischen den 11 Millionen Bürgern ausgetauscht worden sind. Das bedeute, dass täglich 20 Millionen Short Messages hin und her ­geschickt und vom Nachrichtendienst ­bespitzelt worden seien, so der Chef des staatlichen Telekommunikationsamtes. Er habe sogar von den Inhalten des SMS ­gewusst. Sie waren sortiert nach Themen wie Satire, Witz, Liebe, Gesellschaftliches, Politisches, Religiöses, Literarisches oder Sportliches. Nach Meinung des Informationsministeriums sei das keine Verletzung der Privatsphäre.
Jetzt geht man noch einen Schritt weiter. Eine Spezialeinheit der Polizei soll Handys auf der Straße nach verdächtigen Inhalten kontrollieren. Alle als „illegal“ eingestuften Inhalte – vor allem politisch unlieb­same, wie regimekritische Äußerungen oder pornografische Darstellungen – in Form von SMS oder Videoclips werden sofort vom Handy entfernt. Dieser neueste Eingriff in die Privatsphäre der Iraner geht selbst dem Vorsitzenden des nationalen Sicherheitsausschusses Alaeddin Borujerdi zu weit. Er hat die Polizeiaktion als „komplett illegal“ bezeichnet. Handys galten in Iran bisher als letztes relativ freies unkontrolliertes Informationsmedium – überall sonst ist man Spionage ausgesetzt.

Razzien und Störsender

Der Zugang zum Internet ist nicht ­weniger problematisch als die Handykontrolle. Schätzungsweise gibt es zwischen vier bis sieben Millionen Internetnutzer in Iran. Das Internet spielt eine wichtige Rolle im anhaltenden Kampf für Demokratie. Dieses Kommunikationsmittel steht jedoch auch unter Kontrolle der Regierung. Fast alle politischen Websites sind gesperrt oder durch Filterung schwer erreichbar.
Ein hochgeschätztes Informationsmedium in Iran ist das Satelliten-Fernsehen. Im Dezember 1995 hat das iranische Parlament ein Verbot gegen den Satelliten­empfang erlassen. Trotzdem dekorieren mehrere Millionen Satellitenschüsseln die Dächer der islamischen Republik. Dieser Medienrealität sind sich auch die unbelehrbaren Herrschenden bewusst, die den Zugang zu Satelliten-Fernsehen und Internet erschweren, wo sie können.
Seit einigen Monaten gibt es Razzien, bei denen Satellitenschüsseln zerstört werden (unser Foto). Spezielle Armee­einheiten säubern Teheraner Dächer. Als sie mit diesen Aktionen im Oktober 2006 begannen, luden sie Journalisten der studentischen Nachrichtenagentur ISNA in Teheran ein, ausführlich darüber mit Bild und Schrift zu berichten. Der Überfall auf Dächer geschah ohne Vorankündigung. „Salm (Guten Tag), hier ist die Polizei, öffnen Sie die Tür“. So wurden die Bürger bei dieser „gesetzlichen“ Aktion überrascht. Die Schüsseln wurden zum Teil mit dem Hammer aus dem Dachboden rausgerissen und von oben auf die Straße geworfen, teilweise hinterher in Geschäften wieder offiziell verkauft. Oberst Akbarlo, Inspektor der eingesetzten Polizeieinheit, sagte: Die ­Beute werde im Lager des staatlichen Fernsehens bewahrt. Aus Angst bauen inzwischen auch Bürger selbst ihre Satellitenschüssel ab. Ein Mann, dem die Satellitenschüssel weggenommen wurde, sagte zu einem Reporter von ISNA: „Mit Gewalt kann man nichts bewirken, die Satellitenschüssel zu beseitigen, das ist unschön und nur eine Scheinlösung.“ Auf die Frage, warum er unbedingt eine Satellitenschüssel bräuchte, antwortete er: Das staatliche iranische TV-Programm sei unattraktiv, spreche ihn nicht an. Dazu komme auch eine vermehrte Informations- und Nachrichtenzensur. Abgesehen von Razzien gibt es Störsender in den großen iranischen Städten, die den Satellitenempfang verhindern sollen und auch den Mobilfunk beeinträchtigen.
Insgesamt senden über 40 Radio- und TV-Sender im Iran. Das reicht vom missionarisch christlichen Fernsehen, das von Seelenverkäufern betrieben wird, über Musik- und Tanzprogramme bis zu parteipolitischen Sendern. Auch ein TV-Sender der Terrororganisation Mojaheddin ist im Iran zu empfangen. Der staatliche amerikanische Radiosender Farda (Morgen) sendet 24 Stunden Musik und Nachrichten, Radio BBC sendet sechs Stunden am Tag, Radio Israel anderthalb Stunden, die Deutsche Welle zwei Stunden, Radio France Internationale anderthalb Stunden. Die TV- und Radiosender Sadaye Iran (Stimme Irans) und Voice of America senden ihre Programme aus den USA sechs Stunden in persischer und aserbaidschanischer Sprache. Voice of America schickt auch kostenlose Nachrichten per E-Mail und per SMS zu.

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