Najiba Maram von „Voice of Afghan Woman“ in Kabul
Auf der Einladung steht ein vierteiliger Name: Najiba Maram Mohammad Gul (unser Foto). Die zwei letzten Namen, Mohammad Gul, gehören dem Vater, erklärt die 40jährige Journalistin aus Kabul, die das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut nach Deutschland eingeladen haben. „Najiba Maram“ reiche aber völlig aus, sagt sie ruhig. So steht auch ihr Name auf ihrer Visitenkarte als stellver-tretende Direktorin des Rundfunksenders „Voice of Afghan Women“ in Kabul.
Die erste Hälfte ihres Arbeitstages widmet die Mutter einer zehnjährigen Tochter ihrer Stelle als Direktorin des internationalen Pressezentrums im Ministerium für Information und Kultur in Kabul. Dort organisiert sie die Pressekonferenzen der Regierung. Am Nachmittag läuft sie über die Straße in den privaten Sender – gegründet von einem Verein für Medienfrauen – der aus einem einzigen, kleinen Raum besteht. Erst um 20 Uhr kommt sie meis-tens nach Hause, nachdem ein gemeinsames Auto zwei andere Kolleginnen jeweils zu Hause abgesetzt hat.
„Wir sind glücklich, weil Gott uns geholfen hat, finanzielle Mittel für unseren Sender zu finden. Da wir ein religiöses Land sind, ist es für uns Frauen schwierig zu arbeiten, besonders in den Medien und noch mehr im Rundfunk“, sagt die zierliche Frau mit feinen Händen und zarter Stimme. Mit einer exaltierten Kämpferin hat Najiba Maram wenig zu tun. Auf die Frage nach ihren Beziehungen zur einer Gruppe von Anwälten, die sich für die Rechte von Frauen in afghanischen Gefängnissen einsetzt, antwortet sie mit einer Beschreibung ihres eigenen Engagements: „Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Wir müssen vorsichtig sein und wir wollen nichts überstürzen. Es ist ein sehr langsamer Prozess. Er muss an der Basis anfangen.“
Immer mehr Hörerinnen
Fortschritte misst sie an kleinen Erfolgen. Als der Sender einer „Non Goverment Organisation“ dank der Unterstützung der UNESCO im März 2003 anfing, seien die elf ehrenamtlich arbeitenden Journalistinnen oft auf Abwehr gestoßen. Heute würden viele Menschen die Sendungen mit Interesse verfolgen, so Najiba Maram. Viele Afghanen verfügen über Radiogeräte, die umgerechnet 2 Euro kosten. Ziel des Senders ist es, dass Frauen voneinander erfahren. Ursprünglich hatte der Verein mit einer Zeitschrift angefangen. Schnell musste er jedoch die Strategie wechseln – zu wenige Afghaninnen können lesen.
Die technische Ausstattung des Senders ist spärlich. Zwar kann er dank der Hilfe des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) seit Anfang 2005 in fünf Regionen rund um Kabul ausstrahlen. Aber es gibt ein einziges Studio. Auf den wenigen MD-Players wird alles produziert. Ihre Musikwünsche müssen die Zuhörer per Brief mitteilen, weil Telefon in Kabul noch ein Luxus ist.
Trotz dieser Hürden schaffen es die Frauen, ein Programm in den beiden Hauptsprachen Afghanistans Paschtu und Dari von 9 bis 18 Uhr zu senden. Im Familienprogramm geht es um Gewalt gegen Frauen ebenso wie um Erziehungs- und Gesundheitsfragen, um Kochrezepte und um Mode. Im regionalen Programm werden die unterschiedlichen Traditionen des Landes beschrieben. Diskutiert wird zum Beispiel, dass eine Braut in den meisten Regionen ihren Bräutigam vor der Hochzeit nicht kennen lernen darf. Per Äther werden außerdem volkstümliche Tänze beigebracht. „Wir haben eine bildende Aufgabe. Wir wollen keine Show wie im Fernsehen machen“, betont Najiba Maram.
In Religionsfragen vertritt der Sender das Bild eines progressiven Islams. Öfters kommen lokale Imams zu Wort. „Wir machen deutlich, was zum Islam gehört und was nicht“, erklärt die Journalistin. Es stehe zum Beispiel nirgendwo im Koran, dass eine Familie ein Mädchen als eine Art Blutgeld schenken solle, um Blutrache unter Männern zu vermeiden, wenn jemand aus dem eigenen Stamm jemanden aus dem anderen Stamm umgebracht hat.
Aufgrund ihres Lebenslaufes gehört Najiba Maram sicher zu einer Minderheit in Afghanistan. Zwar wünschen sich ihre Eltern, sie wäre Lehrerin. Aber ihr Bruder, Chef aus der Presseagentur, in der sie 2003 ihre journalistische Karriere anfing, unterstützen sie sehr. „Ich war die erste Frau, die in einer Nachrichtenagentur in Afghanis-tan arbeitete und überhaupt Direktorin wurde“.
Unterstützung notwendig
Als 2004 die finanzielle Unterstützung der UNESCO für den Sender endete, wurden die Journalistinnen von der Wahlkommission, in der UNO-Experten mitwirkten, weiter unterstützt, um für die Teilnahme an den Wahlen im September zu werben. Über die Zukunft des Senders ist Najiba Maram optimistisch. „God help us“, sagt sie.
Dennoch tut sie selber auch was. Nachdem sie alle Fragen gewissenhaft beantwortet hat, bittet sie um ein extra-Statement: „Länder, die uns geholfen haben, sollten es weiter machen, denn wir besitzen nichts. Wir sind noch dabei, unsere Selbsthilfe aufzubauen. Bitte kürzen Sie nicht Ihre Unterstützung jetzt. Wir sind kurz davor, etwas für Frauen in Afghanis-tan zu erreichen.“ Zum Abschied zieht sie aus ihrer Brieftasche ein Foto von ihr neben Bill Clinton bei der Vergabe des Preises „Reflections of Hope Award“ in Höhe von 10.000 $ durch das Oklahoma City National Memorial im April 2005. Diplomatische Bescheidenheit mit klugen Karten im Hintergrund – das ist sicher die Hauptstärke von Najiba Maram.