Schweden zeigt Zivilcourage

Gemeinsamer Aufruf der Medien gegen Rechtsradikalismus

Schweden wehrt sich. Ein Aufruf der Medien gegen das rasch anwachsende Potenzial rechtsradikaler Kräfte zeigt Wirkung. Vier große überregionale und normalerweise miteinander konkurrierende Tageszeitungen druckten am 30. November vergangenen Jahres eine gleichlautende Reportage unter dem Motto „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ ab. In dieser wurden Fotos, Namen sowie Alter, Wohnort, politische Aktivität und eventuelle Vergehen von 62 jungen Nazis veröffentlicht. Etliche hatten leitende Positionen in ihren Gruppierungen inne, andere waren fur Volkshetze oder Gewalt gegen Ausländer verurteilt worden.

Die von den Chefredakteuren der Boulevard-Zeitungen „Aftonbladet“ und „Expressen“ sowie der liberalen „Dagens Nyheter“ und dem konservativ angehauchten „Svenska Dagbladet“ unterzeichnete Aktion resultierte aus einer Reihe von Verbrechen, die 1999 den schwedischen Rechtsstaat erschütterte und in der Bevölkerung Angst vor wachsender Gewalt verbreitete. Ein Journalist, der sich – wie seine Frau – beruflich mit dem Nazitum auseinandersetzte, und sein Sohn wurden von einer Autobombe verletzt (M 8-9/99); es gab Krawalle und rechtsradikale Veranstaltungen, zwei Polizisten wurden ermordet, ein dritter, ein Polizeichef, beschossen, ein Syndikalist umgebracht usw. Eine Kette ohne Ende.

Die Reaktionen auf die Veröffentlichungen waren zahlreich und zumeist positiv. Zwar wurde die Vorgehensweise der Zeitungen kritisiert und eine mangelnde journalistische Ethik angeprangert, da Namen und Wohnorte publiziert wurden, doch die Masse der Leser nahm die Initiative dankbar auf und reagierte erleichtert über die Publikmachung. Auch einige der 62 Genannten ließen von sich hören: Einer legte die Herausgeberschaft einer nationalistischen Zeitung nieder, andere traten offensiv mit Erklärungen an die Öffentlichkeit oder/und zogen sich aus der Bewegung zurück. Vielfach führte die Publizierung zum Gewerkschaftsausschluss oder zum Abbruch der beruflichen Karriere. Und falls nicht, so zumindest zu einer offensiveren Haltung innerhalb der Bevölkerung und des Staates. Konkrete Vorschläge zum Umgang mit dem Problem gibt es nicht, doch generell ist Schweden hellhöriger und die Medien sind mutiger geworden. Der Rechtsstaat reagiert schärfer: So wurden die Polizistenmörder, drei der 62 Veröffentlichten, kürzlich zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »