Journalisten aus 32 Ländern berieten in Prag über gemeinsame Aufgaben
Klarer hätte die Botschaft nicht sein können: „Wir müssen drei Gräben überwinden – den Mangel an Transparenz, den Mangel an Information und den Mangel an Organisation“, sagte Granville Williams. Er hat im Auftrag der Europäischen Journalistenföderation EFJ den jüngsten Bericht über „Östliche Imperien“ zusammengestellt. Die Dokumentation, die auch die EU-Institutionen erhalten, beschreibt detailliert die Besitzverhältnisse, den Einfluss ausländischen Medienkapitals und die entsprechenden Konzernstrategien in Südosteuropa. Und sie bildete zusammen mit dem Seminar zum Schutz journalistischer Quellen das Hauptthema des diesjährigen EFJ-Jahrestreffens in Prag.
Das stand ganz im Zeichen der für die nächsten Jahre beschlossen EU-Osterweiterung. Ob in Tschechien oder der Slowakei, Bulgarien oder Rumänien, den baltischen Staaten oder in Ungarn – überall haben sich in den letzten zehn Jahren einheimische und ausländische Investoren den einst staatlichen Medienmarkt erschlossen. Und das mit großem Erfolg: So dominieren die Privat-TV-Stationen des US-Multimillionärs Ronald Lauder (CME) und des australo-amerikanischen Medienmoguls Rupert Murdoch den Fernsehmarkt in Ländern wie der Slowakei und Rumänien.
Der Kabelnetzbetreiber UPC und das Fernsehnetzwerk SBS (beide mit Liberty Media von John Malone liiert) haben in fast allen südosteuropäischen Ländern große Marktanteile. Die Presse Bulgariens und Tschechien wird von der deutschen „WAZ“ und der „Passauer Neuen Presse“ (PNN) geprägt; Burda, Bauer, Bertelsmann und Springer expandieren im Zeitschriftengeschäft der deutschen Nachbarländer. Besonders in Estland, Lettland und Litauen agieren skandinavische Medienkonzerne a la Bonnier, Schibstedt, Sanoma sowie Modern Times, und auch Ringier (Schweiz) und Lagardere (Frankreich) haben bereits ihre Medienpflöcke in den EU-Beitrittsstaaten eingeschlagen.
„Zunächst positive Effekte für Meinungsvielfalt“ bescheinigte zum Beispiel der Vertreter des ungarischen Journalistenverbandes dem Run der westeuropäischen Medienkonzerne auf Osteuropa. Doch inzwischen, so Mihaly Hardy, geht es nur noch ums Geld. Gewerkschaften und Betriebsräte sind unerwünscht, von Tarifverträgen ganz zu schweigen, bestätigten auch Mihalys Kollegen aus den anderen Ländern. Vereinzelte Abwehraktionen, so das Fazit der Debatte, sollen künftig durch eine koordinierte Gegenwehr ersetzt werden, wofür bessere Information und Vernetzung sowie starke Journalistenverbände und Mediengewerkschaften in ganz Europa nötig sind.
Schutzmechanismen nur auf dem Papier
Immerhin gibt es zunehmend Probleme, die in einem EU-Kontinent nur gemeinsam zu lösen sind. Dazu gehört der Schutz journalistischer Arbeit vor ökonomischem Druck, staatlichem Zugriff und politischer Einmischung. Beispielsweise sind freier Zugang zu Informationen und der Schutz journalistischer Quellen schon in etlichen nationalen Gesetzeswerken verankert. Doch sie stehen nur auf dem Papier, wenn etwa wie in Deutschland oder Kroatien durch Mobilfunkanbieter Verbindungsdaten von Reporterhandys an Ermittlungsbehörden und Justiz weitergegeben werden. Oder wenn die Aufdeckung von Missständen durch Razzien in Redaktionen, Journalistenwohnungen und selbst Anwaltsbüros behindert bzw. kriminalisiert werden.
Die Zahl der beim Europäischen Gerichtshof verhandelten Fälle dieser Art steigt, berichteten Professor Dirk Voorhoof (Niederlande) und Inger Hoedt Rasmussen (Dänemark). Dazu kommt noch die unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Terrorismus betriebene Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen seit dem 11. September, kritisierte Tony Bunyan von der britischen NUJ. Auch machen Werbekrise und Missmanagement nicht an den Landesgrenzen halt, wird durch Verlagsmanager schonungslos mit Entlassungen sowie Lohn- und Honorardumping „rationalisiert“ – in Ost wie West.
Mit einer Reihe von konkreten Aktionen will die EFJ (www.ifj.org/ regions/europe/efj) gegen publizistische Machtkonzentration vorgehen und für Medienvielfalt sowie einen „Watchdog-Journalismus“ eintreten. So soll etwa das Recht auf nationale, kulturelle Eigenständigkeit bei Print und Rundfunk sowie die Dualität von „public broadcast“ und Privatfunk in der neuen Europäischen Verfassung verankert werden. Anti-Konzentrationsregeln müssten gerade für Medien europaweit gelten, eben so wie der Schutz journalistischer Quellen und freier Zugang zu Informationen. Selbst bei EU-Institutionen mangelt es an Transparenz, was durch Initiativen wie der skandinavischen Kampagne für „Ein offeneres Europa“ geändert werden müsste, beschlossen die Journalistenvertreter aus 32 Ländern Europas.