Sirtaki mitten in der Türkei

Journalisten aus Partnerstädten trafen sich in Marmaris

Die Touristenstadt Marmaris hatte Medienleute aus ihren Partnerstädten zu einem Journalistentreffen an die türkische Mittelmeerküste eingeladen. Für die Gäste aus Russland, Turkmenistan, Litauen, Deutschland (Fürth), Griechenland und Israel eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und sich über die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Ländern auszutauschen.

Ein alter Journalistenwitz machte die Runde: Treffen sich ein amerikanischer und ein russischer Redakteur. Sagt der Amerikaner: „Wir haben Pressefreiheit: Ich kann über unseren Präsidenten Bush schreiben, was ich denke.“ Der Russe: „Dann haben wir auch Pressefreiheit: Ich kann auch über Bush schreiben, was ich denke.“
Zwar waren keine US-Medienleute in Marmaris dabei, sehr wohl aber russische. Und wenn man den Kollegen glaubt, dann liegt in Russland noch einiges im Argen mit der Freiheit. Nicht nur bei den Medien: Das Fernsehteam aus Dzerjinski, einer 30.000-Einwohner-Stadt im Dunstkreis von Moskau mit eigenem Kabel-TV-Sender, war hin- und hergerissen zwischen der vor Ort konkret erfahrenen Meinungsfreiheit (siehe Kasten) und der offensichtlich weiterhin vorhandenen Macht der Banden in ihrem Heimatland. Wenige Wochen vorher war ihr Bürgermeister Victor Dorkin von einem Killerkommando ermordet worden. Es geschah auf dem Heimweg von einer Fernsehdiskussion, eine Situation, in der Dorkin glaubte, auf Bodyguards verzichten zu können. Dorkin habe sich persönlich gegen Korruption eingesetzt, berichtete Andrey Esakov von Ugresh-TV. Man merkte den russischen KollegInnen an, dass sie mit einer latenten Angst arbeiten müssen: Die offiziell proklamierte Meinungsfreiheit wird von korrupten Wirtschaftsbossen und Politikern eben nicht akzeptiert. Dennoch: „Bodyguards brauchen wir noch keine“, so Andrey Esakov. Die Mehrheit der Verantwortlichen sei demokratisch. Sie kämen häufig in der Lokalzeitung Ugresh News, im Ugresh-TV- oder im Radiosender zu Wort. Auch Ali Acar, der Bürgermeister von Marmaris ist ständig mit Leibwächtern unterwegs: Sein Kampf gegen illegale Ladengeschäfte finde nicht nur Freunde, berichteten Marmariser Journalisten.
Gegen fremde Medienmacher konnten die knapp 20 Gastjournalisten keinerlei Aversionen in Marmaris erkennen. Im Gegenteil: Als unter tänzerischer Leitung der erkennbar israelischen Kollegen aus Ashkelon das jüdische Friedenslied „Hava, Nagila Hava“ mitten in der Nacht auf dem Hauptplatz vor dem Atatürk-Denkmal angestimmt wurde, gab es Beifall von Passanten, keinerlei kritische Bemerkungen. Und auch der griechische Kollege Spiros Garos aus Fürths Partnerstadt Xylokastro wurde mit offenen Armen empfangen: Sirtaki mitten in der Türkei. Nichts war zu spüren vom immer noch nicht ausgestandenen Streit zwischen den beiden Nachbarländern.
„Brücken bauen zwischen Journalisten“ war das Treffen überschrieben. Doch es ging nicht nur um Verbrüder- und Verschwesterung zwischen Berufskollegen: Auch über die Möglichkeiten der Medien, die Welt zu verändern, wurde diskutiert. „Wir sollten über mangelnde Ausbildung schreiben: Ausgebildete Leute haben ein gutes Einkommen“, schlug beispielsweise Murat Ersan vom Monatsmagazin Marmaris Life vor. „Ungebildete Leute kennen ihre Rechte nicht und können sie nicht durchsetzen“, seien also von anderen abhängig und damit benutzbar, meinte Ersan mit Blick auf die Mehrheit der wenig schulgebildeten Landbevölkerung in der Türkei.
In den Diskussionen wurde auch deutlich, dass sich viele türkische Journalisten-KollegInnen ihrer große Mitverantwortung für die Aufklärung der vielen Bevölkerungsgruppen ihres Landes bewusst sind. „Im Jahr 2000 setzte eine starke Demokratiebewegung in der Türkei ein. Seitdem haben wir mehr Freiheit“, erklärte dazu Necdet Özaktin vom Lokalfernsehsender „Channel 48 TV Marmaris“. Und bei der Wahl im nächsten Jahr werde wieder eine weniger islamistische Regierung an die Macht kommen, waren sich die türkischen Journalisten sicher.

 
nach oben