Südafrika: Neues Print-Produkt gestartet

Online-Medium Daily Maverick in Partnerschaft mit großer Super-Marktkette

Weltweit ist der Printjournalismus unter Druck, das ist in Südafrika nicht anders. Die Corona-Krise hat das Titelsterben beschleunigt, etablierte Zeitungshäuser kämpfen mit sinkenden Auflagen. In dieser Zeit wagt ausgerechnet ein Online-Medium, der Daily Maverick, einen unerwarteten Schritt – und bringt eine neue Wochenzeitung auf den Markt. Herausgeber Styli Charalambous hat eine klare Meinung: „Ich glaube nicht, dass Print tot ist.“

Bereits mit seiner Gründung 2009 setzte das Medium auf so ziemlich das exakte Gegenteil der Entwicklung im Netz: gut recherchierten Qualitätsjournalismus, obendrein in Langform. „Nicht so leicht, wie manche denken mögen“, als „rein digitale Publikation mit Fokus auf Politik in der Zuma- und Zuckerberg-Ära“, sagt Charalambous. Der Herausgeber, der zugleich als Geschäftsführer fungiert, spielt damit sowohl auf die Konkurrenz mit Google und Facebook, als auch auf die Machenschaften des Ex-Präsidenten Jacob Zuma an. Dessen „Freunde“ (Zitat Zuma) plünderten mittels fingierter Auftragsvergaben nicht nur Staatskonzerne aus, sondern bauten auch ein dem Staatschef vollkommen ergebenes Medienimperium auf, das im großen Stil das Anzeigenbudget der Regierungsinstitutionen abgriff. Schließlich stürzte Zuma 2018 über seine ausufernden Korruptionsskandale, an deren Aufdeckung der Daily Maverick maßgeblich beteiligt war.

Die Pilotausgabe des Daily Maverick 168 im August dieses Jahres in einem Supermarkt in Kapstadt.
Foto: Christian Selz

Geleistet hat das Online-Medium dies, ohne je eine Paywall zu installieren. „Defend Truth“ hat sich der Daily Maverick als Motto auf die Fahnen geschrieben – und wer die „Wahrheit verteidigen“ will, so die Logik, müsse sie insbesondere in einem Land mit weit verbreiteter Armut frei zugänglich halten. Das Portal setzt dazu auf ein freiwilliges Mitgliedschaftsmodell, bei dem die „Insiders“ genannten Teilnehmer selbst entscheiden können, wie viel sie monatlich beisteuern. Als Gegenleistung werden sie Teil einer Community, zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen, an Umfragen zur Weiterentwicklung des Mediums beteiligt und können Artikel kommentieren. Etwa 30 Prozent seiner Einnahmen, so sagt Charalambous, erhält der Daily Maverick inzwischen von den nunmehr 15.000 Insiders, der Rest kommt durch Anzeigen rein. Das journalistische Kernangebot bleibt aber für alle kostenlos.

Letzteres gilt auch für die nun Ende September auf den Markt gebrachte Wochenzeitung Daily Maverick 168. Auf deren Titelseite ist zwar ein Preis von 20 Rand (etwa ein Euro) aufgedruckt, erhältlich ist die ohne Einleger 32-seitige Publikation aber ausschließlich in Märkten der landesweit zweitgrößten Supermarktkette Pick n Pay, deren Kundenprogrammteilnehmer einen 100-prozentigen Rabatt bekommen. Der Einzelhandelsriese übernimmt in der Partnerschaft die Distribution zum Kunden, bietet dem Medium mit seinen etwa sechs Millionen Bonusprogrammteilnehmern ein enormes potenzielles Publikum und fungiert zudem als Anker-Anzeigenkunde. Im Gegenzug sorgt der Daily Maverick für zusätzlichen Kundenverkehr, da das stets samstags zum Wochenendeinkauf erscheinende Medium sonst nirgendwo erhältlich ist.

Wichtigstes Kriterium Qualität

Als Werbeblatt kommt die für Leser*innen so de facto kostenlose Zeitung dennoch nicht daher. Inhaltlich lehnt sich das Angebot stark an die Online-Berichterstattung der Woche an, soll aber ein neues Publikum erreichen. Etwa 20.000 Zeitungen gingen laut Charalambous bisher pro Ausgabe an die Supermarktkunden, anvisiert ist eine abgenommene Auflage von 25.000. Das Anzeigenaufkommen schwanke zwar derzeit noch beträchtlich, man wolle sich aber ein halbes Jahr Zeit geben, um Kostendeckung zu erreichen, so der Herausgeber.

Generell ist Charalambous von den Erfolgschancen des Modells Print überzeugt und verweist dazu auf die eigene Marktforschung: „Wir haben gesehen, dass der Hauptgrund, warum Menschen sich von Printtiteln abwenden nicht die Auswirkungen digitaler Medien waren, sondern es war die Qualität des Journalismus und das Vertrauen, dass die Printtitel in diesem Land gebrochen und erodiert haben.“ Eine eigene Umfrage habe zudem gezeigt, dass „80 Prozent unserer Leser noch eine Zeitung lesen, aber 35 bis 40 Prozent von denen waren nicht willens dafür zu bezahlen“. So habe man „eine Idee davon bekommen, wie ein erfolgreiches Printprodukt aussehen könnte“. Auffällig sei zudem, dass zwar die Auflage von Bezahlzeitungen rückläufig, die von kostenlosen Lokalzeitungen aber „über die vergangenen fünf Jahre ziemlich konstant“ gewesen sei, erklärt der Medienmacher, der von Beginn an die Geschäfte beim Daily Maverick führt.

Auf die Gefahr angesprochen, dass auch das eigene Produkt als Umsonst-Blättchen wahrgenommen werden könnte, gesteht Charalambous zwar ein, dass dies „ein Risiko“ sei, verweist dann aber umgehend auf die Stärke der eigenen Marke und die Tatsache, dass der Kunde die Zeitung ja immerhin noch an der Kasse einscannen lassen müsse. „Fast die Hälfte der Menschen, die die Zeitung bisher mitgenommen haben, sind tatsächlich in einen anderen Markt gegangen, um sie bekommen zu können. Wir bringen also wirklich Menschen in die Läden und es gibt eine starke Kaufentscheidung – auch wenn sie kein Geld kostet.“ Print, so scheint es, hat doch noch zahlreiche Fans.

 

 

 

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