Südafrikas Staatsrundfunk ermittelt gegen kritische Journalisten

Südafrikas staatlicher Rundfunk SABC erlebt derzeit eine „Säuberungswelle“, wie es sie in der demokratischen Ära des Landes bisher noch nicht gegeben hat. Jüngstes Opfer war am 4. Juli Parlamentsreporter Lukhanyo Calata, dem interne Ermittlungen angekündigt wurden. Deren Inhalt teilte der Sender zwar zunächst nicht mit, es liegt jedoch nahe, dass die Strafmaßnahme mit Calatas Teilnahme an einer Demonstration gegen Zensur und die Suspendierung von Kollegen zusammenhängt.

In den vergangenen zwei Wochen hat Südafrikas Staatsfernsehen interne Ermittlungen gegen sieben Journalisten eingeleitet, zudem trat der geschäftsführende Direktor Jimi Matthews aus Protest gegen Zensur und Drangsalierung von Reportern zurück. Ursprung der Krise war eine Entscheidung von Intendant Hlaudi Motsoeneng, der Ende Mai verfügte, dass die SABC künftig nicht mehr über gewaltsame Proteste berichten werde. In einer Pressemitteilung erklärte der Sender damals, man werde „keine Öffentlichkeit für destruktive und regressive Aktionen“ schaffen. Motsoeneng führte aus, „als verantwortungsvolle öffentliche Institution“ lasse sich der staatliche Rundfunk nicht vor den Karren von Gewalttätern spannen, die mediale Aufmerksamkeit für ihre Ziele suchten. „Wir haben ein Mandat, die Bürger zu bilden, und daher haben wir diese mutige Entscheidung getroffen, um zu zeigen, dass gewaltsamer Protest unnötig ist“, ließ Motsoeneng sich in der Mitteilung zitieren.

Wie umfassend der Getreue von Staatspräsident Jacob Zuma seinen „Bildungsauftrag“ tatsächlich interpretiert, zeigte sich dann vor zwei Wochen. Per Anweisung befahl die Senderleitung ihren Angestellten, nicht über eine – wohlgemerkt friedliche – Kundgebung der Organisation Right2Know gegen die Zensur beim staatlichen Rundfunk zu berichten. Als drei leitende Redakteure gegen den Erlass protestierten, wurden sie suspendiert. „Ich wurde einfach täglich wütend“, erklärte Thandeka Gqubule, eine der drei Betroffenen, daraufhin der Tageszeitung „City Press“ die Beweggründe für ihren Bruch mit der SABC. Sie habe innerlich schon länger gegen Entscheidungen der Leitung opponiert und letztendlich vor der Wahl gestanden zu schweigen oder zu gehen. Motsoeneng reagierte auf die Vorwürfe im Rahmen einer Pressekonferenz am 28. Juni. „Zensur ist ein englisches Wort“, stellte er fest, „in afrikanischen Sprachen gibt es das nicht. Ich kenne das Konzept nicht, ich kann kein Zensor sein.“

Die zur Schau gestellte Ignoranz des Intendanten bringt inzwischen aber auch den regierenden African National Congress (ANC) in Schwierigkeiten. In vier Wochen sind landesweit Kommunalwahlen und die bereits von etlichen Skandalen erschütterte Partei möchte sich keinen weiteren Brandherd schaffen. In der „Sunday Times“ vom 3. Juli forderte ANC-Sprecher Zizi Kodwa, Maßnahmen gegen Motsoeneng einzuleiten. Es könne nicht sein, „dass wichtige Entscheidungen von einer einzigen Person getroffen werden“. Die Anweisung, nicht über gewaltsame Proteste zu berichten, hatte Kodwas Parteikollegin, Kommunikationsministerin Faith Muthambi, allerdings Ende Mai noch ausdrücklich begrüßt.

***Update 21.07.2016: Wie epd berichtet, hat ein Gericht in der Hauptstadt Pretoria am 20.07.2016 entschieden, dass SABC zukünftig wieder über die gewaltsamen Proteste vor den Kommunalwahlen am 3. August berichten muss.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Snowden und die große Datenmisshandlung

Zehn Jahre nach Beginn der bedeutenden Enthüllungen über die globale Überwachung durch Geheimdienste ist die journalistische Auswertung der von Edward Snowden bereitgestellten Dateien unbefriedigend. Große Medien haben sich dem Druck der betroffenen Regierungen gebeugt und die Auswertung der Dokumente abgebrochen oder sogar behindert.
mehr »

Wahlsieg gegen die Pressefreiheit  

Angst und Verzweiflung. Das sind die Gefühle vieler Journalist*innen nach dem erneuten Wahlsieg des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (AKP) am Sonntag in der Türkei. Sind sie begründet? Was kommt als Nächstes auf die am Boden liegende Pressefreiheit zu? Und wie könnte es trotz allem weitergehen? Eine Kolumne aus Istanbul. 
mehr »

Journalistische Grenzgänger bei Funk

Die Reportage-Formate Y-Kollektiv, STRG_F, reporter, follow me.reports und Die Frage gelten als innovative Aushängeschilder des jungen öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerks funk. Sie alle praktizierten eine sehr spezielle Form des Journalismus, die auf offenen 'Subjektivismus' und eine konsequente Personalisierung setze. Diese Merkmale bestimmten für viele ihren messbaren Publikumserfolg, seien aber auch immer wieder Anlass für scharfe Kritik, vermeldet die Otto Brenner Stiftung (OBS) anlässlich der Veröffentlichung ihrer Studie „Journalistische Grenzgänger. Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren".
mehr »

Filmtipp: „Picknick in Moria“

Die litauische Regisseurin Lina Lužyte hat für ihren Dokumentarfilm über die Lage der Flüchtlinge in einem Lager auf der griechischen Insel Lesbos einen ungewöhnlichen Ansatz gefunden: Sie porträtiert den afghanischen Künstler Talibshah Hosini, der seit vielen Monaten mit seiner Familie in Moria lebt und seinerseits mit anderen Asylsuchenden einen Spielfilm über eine geflüchtete Familie dreht.
mehr »