Bauer Media Group Hamburg zieht sich aus vielen Ländern zurück
Die Bauer Media Group sieht sich trotz Pandemie auf einem guten Weg. In der Krise setzt man auf die Stärkung des Kerngeschäfts. Der Fokus liegt auf bunten Magazinen, Privatradios, Online-Vergleichsportalen und Online-Marketing. Schwierige Auslandsmärkte wie Australien und Neuseeland werden ohne viel Federlesen aufgegeben.
„Wir sind stolz darauf, die Hüter dieser ikonischen Marken in Australien gewesen zu sein.“ Der Dank, den Veit Dengler, Geschäftsführer der Bauer Media Group, an „unsere talentierten Teams für ihr Engagement“ richtete, dürfte den Beschäftigten der betroffenen Zeitschriften bitter aufgestoßen sein. Mitte Juni gab Bauer seine Entscheidung bekannt, das gesamte Australien- und Neuseelandgeschäft an den Investor Mercury Capital zu verkaufen. Mit diesem Deal wechselten rund 50 Print- und Digitaltitel den Besitzer. Darunter auch die Spare Pacific Magazines (Marie Claire, Men’s Health) die Bauer erst im Herbst 2019 erworben hatte. Bereits diese Transaktion hatte rund 60 Beschäftigte den Job gekostet. Insgesamt verlieren nach einem Bericht des Guardian etwa 240 Mitarbeiter*innen – Freelancer nicht eingerechnet – ihren Arbeitsplatz.
Der Deutschen Presse-Agentur gestand Dengler, es sei schon länger geplant gewesen, das Australien-Geschäft zu verkaufen. Die Corona-Krise habe dies allerdings beschleunigt. Werbe- und Vertriebsumsätze seien in der Pandemie dramatisch zurückgegangen. Ohnehin sei Australien „einer der schwierigsten Magazinmärkte der Welt“, so der Bauer-Manager. Der Anteil des Werbemarktes liege in diesem Bereich bei unter einem Prozent.
Rückzug aus Neuseeland
Zwei Monate zuvor, Anfang April, hatte Bauer in der Medienbranche Neuseelands für ein mittleres Erdbeben gesorgt. Nur eine Woche nach dem Verhängen eines landesweiten Lockdowns reagierte der Verlag mit der Ankündigung, die Geschäftsaktivitäten an seinem entlegensten Standort einzustellen. Die von der Regierung erlassenen Restriktionen, wonach Zeitschriften als „nichtessentielle Waren“ vorübergehend weder im Supermarkt verkauft noch per Post verschickt werden durften, dienten der deutschen Verlagsgruppe offenbar als willkommener Vorwand, das längst beschlossene Aus vorzuziehen. Erst 2012 hatte Bauer für 500 Millionen australische Dollar die „Australian Consolidated Press“ mitsamt ihrer neuseeländischen Sparte übernommen.
Durch die Schließung stehen laut einem Bericht der FAZ 237 Beschäftigte – das ist geschätzt jeder Branchenfünfte – auf der Straße. Zu den publizistischen Opfern gehört neben diversen Frauen-, Wohn- und Klatschtiteln auch das einzige wöchentliche Nachrichtenmagazin, der seit 1939 erscheinende Listener. Selbst Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern zeigte sich geschockt über den fast über Nacht verkündeten Rückzug der Deutschen. Sie warf Bauer vor, staatliche Unterstützung zur Überwindung der Krise ausgeschlagen zu haben. Der für Medien zuständige Minister Kris Faafoi sekundierte, kein Vertreter von Bauer habe sich wegen der Restriktionen mit ihm in Verbindung gesetzt. Der Verlag habe sich lieber unter dem Deckmantel der Pandemie einer Last entledigt. Was Bauer selbstredend dementiert.
Fast zeitgleich mit dem Abschied vom australischen Markt erfolgte auch der Verkauf des Verlagsgeschäfts in Russland. Betroffen sind Beteiligungen an fünf Gesellschaften und rund 90 Zeitschriftentitel. Der Besitzerwechsel geschah im Wege eines Management-Buyouts. Nur einen Monat zuvor hatte sich Bauer aus Rumänien zurückgezogen. Käufer des Portfolios aus mehreren Programmzeitschriften war der Schweizer Ringier Verlag, der diese Titel erst 2007 an Bauer veräußert hatte.
Der einigermaßen radikale Rückzug vom Auslandsgeschäft ist Teil einer radikalen Umstrukturierung der Gruppe. Künftig soll das Haus vor allem auf den vier Säulen Publishing, Audio, Online-Vergleichsportale und Marketing-Services für kleine und mittelständische Unternehmen stehen. Schwierigen Auslandsmärkten will man die kalte Schulter zeigen. Ziel ist es, nur noch in Ländern tätig zu sein, in denen eine Marktführerschaft besteht oder erreichbar ist. Diesen Strategiewechsel hatte Bauer bereits 2018 angekündigt. Die Corona-Pandemie scheint dies nun zu beschleunigen.
Hauptgeschäft im Publishing
Das Kerngeschäft macht Bauer weiterhin im Bereich Publishing. Allein 1,8 von 2,24 Milliarden Euro des Gesamtumsatzes 2018 erzielte die Gruppe laut jüngstem Geschäftsbericht mit den Segmenten Magazine, Online, Druckereien und Services. Bei den Zeitschriften heißt der Claim „We think popular“. Eine saloppe Umschreibung des Umstands, dass das Portfolio speziell Produkte der Yellow Press, billigen Frauentitel und Regenbogenformate aufweist. Gegen dieses Billigheimer-Image setzt sich Bauer CEO Dengler ungerührt zur Wehr: „Wir machen Medien für die breite Masse und nicht für gewisse Eliten oder Nischen“, konterte er unlängst im Interview mit der dpa.
Bis Ende Juli schloss die Gruppe eine umfangreiche Standortverlagerung seiner deutschen Printobjekte ab. Die im Branchenjargon „Yellows“ und „Women’s Weeklies“ genannten Titel, (Freizeitwoche, Woche Heute, Das Neue, Schöne Woche) werden jetzt in Hamburg gebündelt. Wie viele von den 80 betroffenen Mitarbeiter*innen den Umzug von der Rastatter Tochter Pabel Moewig an die Elbe mitgemacht haben, ist noch nicht bekannt. Durch die „fokussierte Steuerung des Portfolios“, so eine Verlagsmitteilung, sollen „Spielräume für Produkt- und Geschäftsinnovationen“ entstehen.
Aktiv auf dem Rundfunkmarkt
Auch bei den elektronischen Medien mischt Bauer mächtig mit. Mit täglich 24 Millionen Hörer*innen ist die Gruppe das größte Radiohaus Europas. In Polen erreichen die drei Sender RMF FM, RMF MAXXX und RMF Classic rund zehn Millionen Hörer, was einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent entspricht. Seit dem Kauf von 21 Sendern der SBS Broadcasting Group im Jahr 2015 ist man auch Marktführer in Skandinavien. In Großbritannien belegt Bauer mit seinen 80 Sendern derzeit den zweiten Platz unter den privaten Rundfunkunternehmen. In Deutschland hält Bauer ein Viertel der Anteile an Radio Hamburg, das mit täglich einer Million Hörer*innen das reichweitenstärkste Medium der Hansestadt ist.
An RTL II, dem Schmuddelkind der RTL-Gruppe, ist Bauer mit 31,5 Prozent beteiligt. Spezialisiert ist der Sender auf Formate wie „Hartz und herzlich“ oder „Armes Deutschland“. Erst in diesem Frühjahr legte der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler seine im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung verfasste Analyse solcher Sendungen vor. Seine Studie „Armmutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt“ belegt eindrucksvoll, wie speziell Privatsender vom Schlage RTL II Menschen ohne Bildung, Job und Aussicht auf ein besseres Leben unter dem Deckmantel von TV-Dokus bloßstellen. „Medien für die breite Masse“? Man könnte auch sagen: Sozialpornos.
Nische Tageszeitungsgeschäft
In dem Tageszeitungsmarkt stieg Bauer vergleichsweise spät ein. Kurz nach der Wende sicherte man sich 1991 beim Bieterwettbewerb der Treuhandanstalt die Magdeburger Volksstimme. Das im Norden Sachsen-Anhalts erscheinende Blatt hat derzeit eine verkaufte Auflage von knapp 148.000 Exemplaren.
Anfang 2020 übernahm die Gruppe überraschend im Rahmen des Print-Ausverkaufs bei DuMont auch die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) in Halle – die Zeitung erscheint mit nahezu identischer Auflage im Süden Sachsen-Anhalts. Kartellrechtliche Probleme gab es bei diesem Deal nicht – die Verbreitungsgebiete überschneiden sich nicht. Sie sind identisch mit denen der früheren DDR-Bezirkszeitungen, aus denen sie hervorgingen. Abgesehen von der Altmark Zeitung, einer schwächelnden Nachwende-Gründung aus dem Hause Ippen mit knapp 12.000 Auflage, existiert jetzt im kleinsten östlichen Bundesland nur noch dieses Duopol Bauers.
Wie aus einer Reportage der Süddeutschen Zeitung hervorgeht, fällt in den beteiligten Verlagen jetzt häufiger das Wort „Synergien“. Wie das aussehen könnte, lässt sich im benachbarten Thüringen studieren: Dort gibt seit der Wende die Funke-Mediengruppe (früher: WAZ-Gruppe) gleich drei Blätter heraus, die sich inhaltlich nur noch unwesentlich unterscheiden. Auch die Redaktionen von Volksstimme und MZ fürchten nun um ihre Eigenständigkeit. Als erstes wird es wohl zur Vereinheitlichung der Redaktionssysteme kommen.
„Wir werden unsere unternehmerischen Kräfte bündeln, damit wir auch künftig regionale und lokale Berichterstattung auf höchstem Niveau liefern können“, versicherte Marco Fehrecke, in Personalunion Geschäftsführer bei den Verlagen beider Zeitungen, nach der Übernahmegenehmigung durch das Bundeskartellamt. Wer die Verlagspolitik von Bauer kennt, muss daran zweifeln. Die Volksstimme, so berichtet die Süddeutsche, sei unter Bauer jahrelang „auf Verschleiß gefahren“ worden. Relevante Investitionen in digitale Geschäftsmodelle habe es nicht gegeben. Gemessen am Gesamtumsatz des Hauses bleibt das Tageszeitungsgeschäft eine Nische.
Zu den neuen Standbeinen mit Zukunft zählen bei Bauer der schnelle wachsende Markt der Online-Vergleichsportale und Marketing-Services für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Während der Bereich des analogen Publizierens im Gesamtportfolio der Gruppe mehr und mehr an Bedeutung einbüßt, wird hier auch international noch einiges investiert. Darunter auch für Projekte, die man bei Bauer nicht unbedingt vermutet. Zum Beispiel in Großbritannien „The Debrief“, laut Website „a safe space for black women and women of colour music executives“ (= ein Netz für schwarze Frauen und weibliche People of Colour aus der Musikbranche). Oder in Schweden die „Zmarta Group“, laut Verlagsangaben einer der führenden Finanzdienstleister in Nordeuropa. Oder in Polen das „Sunrise System“, ein Spezialist für Digitalmarketing sowie „Rankomat.pl“, Polens größte Online-Vergleichsplattform für Versicherungen.
Alle diese neuen Pflanzen wachsen unter dem Dach von Bauer Xcel Media, laut Verlags-Eigenlob mit 140 Millionen Unique Usern „eines der am schnellsten wachsenden Digitalmedia-Unternehmen. In Deutschland gehören dazu unter anderem das Foodportal „LECKER.de“. das Frauenportal „Wunderweib.de“ und „Praxisvita.de“, die Plattform rund um Gesundheit und Medizin.
Welche Folgen hat Corona auf die Zahlen der Gruppe? Mitte Juni erwartete Geschäftsführer Dengler, Ende 2020 bei 90 Prozent des geplanten Umsatzes zu landen, beim Nettoergebnis allerdings nur bei 70 Prozent vom ursprünglich angepeilten Volumen. Für Dengler keine schlechte Bilanz, wie er im dpa-Interview verriet: „Bauer hat eine gute Krise.“