Manchmal hilft Sarkasmus: 1845 Strafverfahren wegen Beleidigung des Staatsoberhaupts seit August 2014 nennt Fatih Polat eine „türkische Spezialität”. Der Chefredakteur der in Istanbul erscheinenden linken Tageszeitung „Evrensel” berichtete bei einem Treffen mit dem dju-Bundesvorsitzenden Ulrich Janßen in Berlin über den enormen Druck, dem seine Redaktion und alle anderen Journalistinnen und Journalisten in der Türkei ausgesetzt sind, deren Arbeit nicht im Sinne von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei AKP ist.
Wie wird ein Chefredakteur in einem Land, in dem 35 Journalisten wegen ihrer Berufsausübung inhaftiert sind, seiner Verantwortung für die Kolleginnen und Kollegen seiner Redaktion gerecht, ohne die Pflicht zum wahrhaftigen Journalismus zu vernachlässigen? In diesem Dilemma gelte es, „keine unnötigen offenen Flanken bieten, aber mutig zu entscheiden”, beschreibt Polat die Tatsache, dass es zwar unmöglich ist, den Druck zu negieren, dass er und sein Team aber nicht bereit sind, sich ihm zu beugen.
In der Internationalen Journalisten-Föderation IJF arbeiten die dju in ver.di und deren türkische Schwestergewerkschaft TGS zusammen
– auch gegen staatliche Repression. Der Fernsehsender Hayat TV, ein Schwesterunternehmen von „Evrensel”, sei nach einem Interview mit prokurdischen Äußerungen von der Schließung bedroht. Zwar hat der türkische „Hohe Rat für Rundfunk und Fernsehen” die Schließung zur Bewährung ausgesetzt, im Wiederholungsfall drohe aber ein zehntägiges Sendeverbot und als Sanktion eines etwa folgenden „Verstoßes” die endgültige Aus für den Sender, berichtete Polat dem dju-Vorsitzenden. Er dankte der dju in ver.di für die langjährige solidarische Unterstützung türkischer Kolleginnen und Kollegen: Es helfe Erdogan-kritischen Medien und Journalisten in der Türkei schon, wenn regelmäßig über die staatlichen Repressionen berichtet werde. Darüber hinaus pflegt die dju Patenschaften mit türkischen Kollegen und beobachtet Gerichtsprozesse gegen Journalisten in der Türkei.