ver.di-Protest gegen Rechts zeigt Wirkung

Die dju-Aktion für Pressefreiheit in Polen und gegen den geplanten Vortrag von Dr. Manfred Gawlina im Polnischen Institut in Berlin zeigt Wirkung: Die Veranstaltung wird kurzfristig abgesagt
Foto: Christian von Polentz

Nach einer Protestaktion der dju Berlin-Brandenburg (dju BB) vor dem Polnischen Institut in der Berliner Burgstraße wurde eine für gestern Abend dort angekündigte Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Die ver.di-Demonstrant*innen hatten Flugblätter verteilt, in denen unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass der eingeladene Referent Dr. Manfred Gawlina über soziale Medien rechtes Gedankengut verbreitet.

Einige Teilnehmer*innen hatten die Veranstaltung nach dem Lesen des Flugblatts bereits von sich aus verlassen. Wie die dju BB zuvor recherchiert hatte, hat der Münchner Fachoberschullehrer Gawlina auf seinem Facebook-Profil unter anderem die AfD, die rechtsextreme Bürgerbewegung Pro Chemnitz, die neofaschistische Bewegung Casapound Italia Roma sowie zahlreiche andere Facebook-Seiten geliket, auf denen die Wehrmacht des Dritten Reiches offen heroisierend dargestellt wird. Außerdem hat er in seiner Facebook-Timeline ein antisemitisches Verschwörungsvideo der Seite panamza.com zum Attentat auf die Diskothek Bataclan im Jahr 2015 sowie zahlreiche andere Videos über die angebliche satanische Einweihungsfeier der Illuminaten am Saint-Gotthard-Tunnel geteilt.

Gawlina sollte im Polnischen Institut einen Vortrag über Johann Gottlieb Fichte und den polnischen, amerikanischen und weißrussischen Nationalhelden und Weltbürger Tadeusz Kościuszko halten. Nach der Flugblattaktion hat sich eine Mitarbeiterin des Instituts bei den Protestler*innen zu den über Gawlina vorliegenden Informationen erkundigt.

Hintergrund der Flugblatt-Aktion war eine Kundgebung für die Pressefreiheit in Polen und gegen Rechtsextremismus: „Die Pressefreiheit ist in unserem Nachbarland immer mehr in Gefahr. Die im Oktober 2015 demokratisch gewählte nationalkonservative PiS-Regierung lässt keine Gelegenheit aus, polnische und ausländische Medienhäuser und Journalist*innen anzugreifen, die es wagen, öffentlich Kritik an dem Regierungskurs zu äußern“, heißt es im Flugblatt. So seien seit 2015 über 220 Journalist*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entlassen, zur Kündigung gezwungen oder auf weniger einflussreiche Posten versetzt worden. Jüngstes Beispiel dieser Politik sei die Journalistin Grażyna Bochenek vom Radiosender Rzeszów. Sie habe nach einem kritischen Bericht über Präsident Andrzej Duda einen Verweis erhalten und sei aus dem Programm genommen worden. Der Direktor des Radios habe sie sogar bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Ins Visier der Regierung, so die dju BB weiter, seien jedoch nicht nur die Medien, sondern auch das über 100 Jahre alte polnische Institut in Berlin geraten, desses Leitung im Dezember 2016 ausgetauscht wurde. Grund für die Ablösung der Institutsleiterin Katarzyna Wielga-Skolimowska war nach vorliegenden Berichten eine übermäßige Beschäftigung mit polnisch-jüdischen Themen gewesen. Wie die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt, seien zudem bereits im Sommer 2016 13 Leiterinnen und Leiter der 24 weltweiten Polnischen Institute entlassen worden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Presseversorgung: Bestens versichert

Die Vertreterversammlung der Versicherten der Presseversorgung hat beschlossen, die aktuelle Gesamtverzinsung im kommenden Jahr beizubehalten. In 2025 erhalten Kunden für das Vorsorgekonzept Perspektive eine Gesamtverzinsung von 4,3 Prozent. Diese ergibt sich aus einer laufenden Verzinsung von 3,0 Prozent und einer Schlusszahlung von 1,3 Prozent. Beim Produktkonzept InvestFlex wird der sichere Teil ebenfalls mit 4,3 Prozent verzinst.
mehr »