Vor dem Strafrichter

Im besetzten Norden Zyperns bleibt die Lage für Journalisten gefährlich

Seit September laufen in Zypern wieder Friedensgespräche. Knapp ein Dutzend Mal hat sich Präsident Dimitri Christofias bereits mit dem türkisch-zypriotischen Volksgruppenführer Mehmet Ali Talat getroffen. Ziel der Verhandlungen ist eine Wiedervereinigung der Republik im Süden mit dem türkisch besetzten Nordteil. Während sich beide Seiten offiziell um Entspannung bemühen, bleibt die Lage für Journalisten im Norden bedrohlich.

Seit einer Invasion der türkischen Armee 1974 ist der Mittelmeerstaat geteilt. Neun Jahre nach dem Einmarsch wurde im Norden des Landes die so genannte Türkische Republik Nordzypern ausgerufen. Anerkannt wird sie ausschließlich von Ankara, die UNO bezeichnet sie als illegal. Auch finanziell ist die TRNZ, so das Kürzel des Staatskonstruktes, von der Türkei abhängig: Hunderte Millionen Euro überweist Ankara dem Satelliten jedes Jahr. Die enge Bindung bekommen vor allem die wenigen unabhängigen Journalisten in der „Türkischen Republik Nordzypern“ zu spüren.
Gegen drei Medienvertreter laufen derzeit Strafverfahren. Der Außenminister der Besatzungsverwaltung, Turgay Avci, wirft ihnen vor, „die guten Beziehungen zwischen der TRNZ und der Türkei zu belasten“. Der Journalist Basaran Düzgün muss sich wegen eines Beitrags verantworten, der Mitte April vergangenen Jahres in der türkischsprachigen Kibris Gazetesi erschien. Düzgün hatte darin die Gespräche zwischen dem ehemaligen türkischen Präsidenten Necdet Sezer und dem vormaligen Außenminister der TRNZ, Özkan Murat, kritisch kommentiert. „Ich wünsche Herrn Sezer alles Gute für seinen Ruhestand“, schloss Düzgün seinen Text: „Die Türkei ist dann vom Teufel befreit, ebenso wie die türkischen Zyprioten.“ Auf Drängen der Besatzungsverwaltung strengte der Oberste Gerichtshof in Nord-Lefkosia daraufhin ein Verfahren gegen Düzgün an. Angeklagt sind auch der ehemalige Geschäftsführer der Zeitung, Süleyman Ergüçlü, und der Vorsitzende der Cyprus Media Agency, Fehim Nevzat. Ergüçlü und Nevzat hätten den Artikel zensieren müssen, sagen die Kläger. Bei der vorerst letzten Verhandlung Ende November rangen die Richter Düzgün eine Entschuldigung ab. Für eine Einstellung des Verfahrens aber müsse sich auch die Kibris Gazetesi öffentlich von dem Beitrag Düzgüns distanzieren. Das Gesetz, auf das sich das Gericht stützt, stammt aus der britischen Kolonialzeit. Noch beraten die Herausgeber der Zeitung über die Forderung.
Der Fall zeigt, wie prekär die Lage für Medienschaffende in Nordzypern nach wie vor ist. Das „stabilisierende De-facto-Regime“, wie die pro-türkische Besatzungsverwaltung von der UNO euphemistisch bezeichnet wird, orientiert sich weitgehend an den repressiven Pressegesetzen Ankaras. Das Verfahren gegen Düzgün und die Kibris Gazetesi ist dabei Ausdruck eines schwelenden Konfliktes zwischen der türkischen Regierungspartei AKP und gemäßigten türkischen Nationalisten in Zypern.

Ziel von Bombenanschlägen

Weitaus gefährdeter sind die kleinen unabhängigen Medien, die das türkische Besatzungsregime in Nordzypern offen kritisieren. Noch 2001 wurde die Zeitung Europa von Sener Levent Ziel von Bombenanschlägen. Die politische Führung der TRNZ überzog den linksgerichteten Publizisten zugleich mit Verfahren. Weil er zahlreiche Geldstrafen nicht bezahlen konnte, wurde ein Teil der Redaktionsausstattung konfisziert. Doch Levent ließ sich nicht unterkriegen. Um weiteren Verfahren und Strafen zu entgehen, stellte er Europa ein, um das Blatt wenig später zwar mit gleichem Inhalt, aber unter dem Titel Afrika wieder aufzulegen. Ein ironischer Umgang mit der staatlichen Zensur. Levent kann sich dabei auf die Solidarität von Kollegen verlassen. Hasan Kahvecioglu etwa überlässt ihm jeden Freitag in seinem 2004 gegründeten Sender „Radio Mai“ das Mikrofon. „Manchmal kommt er mit Kollegen und sie schmeißen die Sendung selbst“, sagte Kahvecioglu im Gespräch mit Menschen Machen Medien in Lefkosia: „Wir nennen das dann unseren Afrika-Tag“. Auch wenn Kahvecioglu der Situation mit Humor begegnet, ist die Kooperation für die unabhängigen Journalisten im Norden Zyperns wichtig. Sie hilft, eine schützende Öffentlichkeit herzustellen. Denn wer bekannt ist, gegen den kann die Besatzungsverwaltung schwerer vorgehen. Zumal gegen Afrika schon wieder ein neues Ermittlungsverfahren läuft.

Redaktionelle Eingriffe

Für Kahvecioglu besteht das größte Problem in dem massiven Druck aus der Türkei. „Seitdem ein Referendum zur Wiedervereinigung 2004 gescheitert ist, hat sich die Einflussnahme massiv verstärkt“, sagt er. Allein in Nordzypern werden zwölf türkische Tageszeitungen herausgegeben: „Der finanzielle und propagandistische Aufwand ist enorm“. Ebenso wie die Einwirkung der türkischen Besatzungstruppen. Kurz nachdem 2004 der Checkpoint in der zentralen Ledra-Straße, einer Flaniermeile im Zentrum Lefkosias, geöffnet wurde, lud das nordzyprische Fernsehen Kahvecioglu zu einer Sondersendung ein. Als der Publizist von seiner Zeit als Soldat an dem Übergang berichtete und sich gegen die Besatzungstruppen aussprach, rief ein türkischer Militär noch während der Übertragung in der Redaktion an. „So etwas ist bei uns nicht unüblich“, sagt Kahvecioglu, der einen zunehmenden Konflikt zwischen den türkischen Zyprioten auf der einen Seite und den türkischen Siedlern sowie dem Militär auf der anderen Seite sieht.
Während der laufenden Friedensgespräche muss sich die Führung von Mehmet Ali Talat zurückhalten. Was geschieht, wenn der Dialog scheitert, daran mag bei den unabhängigen Medien im Norden Zyperns niemand denken. Bei Afrika und Radio-Mai genießt man die Phase relativer Entspannung. Sie könnte schließlich schon bald vorbei sein.

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