Zwischen Repression und Regenbogen

Südafrikas Fernsehen im Wandel

Die South African Broadcasting Corporation (SABC) wurde 1936 als Hörfunksender gegründet. Erst seit 1976 strahlt sie auch Fernsehprogramme aus. Als Rundfunkmonopolist war sie zu Apartheidszeiten Sprachrohr und Propagandainstrument der Regierung. Heute ist sie der größte Radio- und TV-Anbieter des Landes und, wie es der frühere Fernseh-Nachrichtenchef Allister Sparks formulierte, „die am radikalsten rekonstruierte Institution Südafrikas“1.

Dass dieser Neuanfang unumgänglich war, belegen die Anhörungen vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission2, welche die Menschenrechtsvergehen während der Apartheidszeit bis 1994, dem Jahr, in dem in Südafrika erstmals demokratische Wahlen unter Beteiligung aller dort lebenden Menschen stattfanden, untersucht und dokumentiert hat: Während die tonangebenden Printmedien als „Deckmantel“ für Apartheidsverbrechen fungierten, sorgte die SABC, die vom faschistischen Broederbond mit engen Kontakten zu Nazideutschland weitgehend kontrolliert wurde, nicht nur für die Durchsetzung und Akzeptanz der von der NP3 betriebenen nationalistisch-klerikalen Apartheidsideologie, sondern sie erzeugte innerhalb ihrer Klientel auch jene „Kriegspsychose“, die das Klima bereitete, das Menschenrechtsverletzungen an Nicht-Weißen als gerechtfertigt, ja normal erscheinen ließ. Um Maßnahmen von Polizei und „Sicherheitskräften“ propagandistisch zu begleiten, war eigens eine Verbindungsstelle zwischen Geheimdienst und Sender eingerichtet. Und nicht wenige Journalisten betätigten sich mit Wissen der SABC-Leitung als Polizeispitzel.4

Dass Fernsehen in Südafrika erst relativ spät eingeführt wurde, war der engstirnig klerikalen Denkweise, die von der Niederländisch-Reformierten Kirche gepredigt wurde, zu verdanken. Galt das als „Teufelskiste“ gefürchtete Medium zunächst eher als suspekt, erkannte die Regierung jedoch bald die Vorteile einer Instrumentallisierung des Mediums für die Apartheidspolitik. Während zwei in Afrikaans und Englisch ausgestrahlte Programme der weißen Minderheit vorbehalten blieben, sollten zwei weitere ausschließlich in afrikanischen Stammessprachen sendende Programme der schwarzen Mehrheit (soweit sie aufgrund der unzureichenden Elektrifizierung schwarzer Wohngebiete überhaupt zum Empfang in der Lage war) die Politik der „getrennten Entwicklung“ nahe bringen.

Im Frühjahr 1990, nach Abschaffung der gröbsten Auswüchse der Apartheid und der Freilassung Nelson Mandelas, setzte die de Klerk-Regierung eine Kommission ein, die Vorschläge zur Reform der SABC erarbeiten sollte. Sie empfahl die Umwandlung des Regierungssenders in eine „öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt“ nach BBC-Muster und eine unabhängige Kontrollinstanz. Auch sollte das SABC-Monopol durch die Zulassung privat-kommerzieller Sender aufgebrochen werden.

Parallel zu den Regierungsüberlegungen hatte auch der ANC eine „Kampagne für offene Medien“ initiiert, die Meinungsäußerungsfreiheit für alle, ein „Gesetz über die Freiheit der Information“, einen Medienrat zur kritischen Begleitung der Übergangsphase hin zur Demokratie und ebenfalls die Schaffung einer unabhängigen Rundfunkaufsichtsbehördeí forderte. Das Misstrauen auf beiden Seiten war groß. Vom ANC wurde vor allem moniert, dass der Abbau des Machtgefälles im Rundfunk zwischen Weiß und Schwarz auf sich warten ließ.5

„Jetzt gehört sie Ihnen!“

Im Januar 1994 schließlich trat nach langen Verhandlungen aller am Demokratisierungsprozess beteiligten Parteien das Gesetz über eine „Independent Broadcasting Authority“ (IBA) in Kraft. Erstmals in der Geschichte Südafrikas war nun Rundfunk befreit von staatlicher Ausrichtung und Kontrolle. Drei Formen unabhängigen Rundfunks, mit deren Lizensierung und Überwachung die neue Aufsichtsbehörde betraut war, sollte es künftig geben: öffentlich-rechtlichen, privat-kommerziellen und örtlichen, nicht-Gewinn-orientierten, Community-Rundfunk.

Das Gesetz legte außerdem eine Begrenzung ausländischen Besitzes an privaten Sendern auf 20% und eine Konzentrationskontrolle fest: Niemand darf mehr als einen TV-Sender und mehr als zwei Hörfunkstationen betreiben6. Politische Parteien wurden von der Rundfunkveranstaltung grundsätzlich ausgeschlossen.

Die IBA, mit 120 MitarbeiterInnen in allen Landesteilen, arbeitet unabhängig von der Regierung. Sie wird von einem sieben-köpfigen Medienrat geleitet, dessen Mitglieder – nach öffentlichen Hearings – allerdings vom Staatspräsidenten berufen werden.

Mit dem neuen Gesetz erhielten auch der bereits seit 1986 Sport und Spielfilme ausstrahlende Pay-TV-Kanal M-Net7 mit 800000 Abonnenten in ganz Afrika und Skandinavien sowie einige Privatsender, die ihren Hauptsitz in den nominell unabhängigen íhomelands‘ hatten, eine neue rechtliche Grundlage8.

„Die SABC ändert sich. Ein Code of Ethics sorgt dafür, dass sie nie wieder ein Propagandainstrument wird. Jetzt gehört sie Ihnen.“9 Mit diesen Worten präsentierte sich die Rundfunkanstalt in Zeitungsanzeigen Ende 1994 der Bevölkerung als öffentlich-rechtlicher Sender, mit einem den deutschen Rundfunkräten vergleichbaren Medienrat.

Die neue SABC, heute mit drei TV- und 16 Hörfunkprogrammen10 auf Sendung, die von einem reduzierten Personalbestand von 3500 Festangestellten und etwa 30000 Freien erstellt werden, -, hat mit Affirmative-Action-Programmen11, Frühpensionierungen, Abfindungen und – wie es heißt – Eigen-Kündigungen, sei es aus Angst oder ideologischen Gründen, allmählich zu einer gerechteren Beschäftigungsstruktur gefunden. In den Führungspositionen haben nicht mehr weiße, afrikaans sprechende Männer das Sagen. Getreu dem Motto von der zu schaffenden Regenbogengesellschaft12 und der verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung sind Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Geschlechte heute auf allen Ebenen präsent. „Es gibt niemanden im Topmanagement dieser Station mehr“, so Nachrichtenchef Sparks, „der früher hier an leitender Stelle tätig war, niemanden.“13

Die Vielzahl der in Südafrika vorhandenen Kulturen und Ethnien machte auch eine neue sprachliche Ausrichtung der Programme notwendig. Nicht mehr Separierung entprechend der Apartheidsideologie, sondern Multikulturalität, die alle elf Sprachen der Republik, neun afrikanische neben Englisch und Afrikaans, integriert, sollte nun in Hörfunk und Fernsehen zum Ausdruck kommen. Zwei der SABC-TV-Programme sind deshalb mehrsprachig ausgerichtet. Die Nachrichtensendungen werden nach einem bestimmten Schlüssel turnusmäßig im Verlauf einer Woche in allen elf Sprachen verbreitet. Das dritte Programm sendet ausschließlich in Englisch, das in der Regel alle sprechen.

Diese Umstrukturierungen haben dem Sender jedoch auch gravierende finanzielle Probleme gebracht. Die neuen, vor allem eigenproduzierten, TV-Programme sind teuer. Die Rundfunkgebühren von jährlich 189 Rand14 pro Haushalt können viele schwarze Familien nicht zahlen und viele burische Weiße wollen es nicht, wegen der Reduzierung des früher beherrschenden Afrikaans auf einen Programmanteil von nur noch 5%. Lediglich 18% der SABC-Einkünfte kommen durch Gebühren zustande. Der Sender ist deshalb vermehrt von Werbung und Sponsoring und damit Quoten-abhängig, mit den bekannten Auswirkungen zu Lasten der Programmqualität.

Durch das Elektrifizierungsprogramm der Regierung ist jedoch eine allmählich zunehmende Reichweite garantiert. Im Jahr 1996 gab es erstmals in der Geschichte Südafrikas mehr Häuser mit Stromanschluss als ohne. Die TV-Seherschaft nimmt überdurchschnittlich zu, von 1992 bis Ende 1999 um 37%15. Während die SABC mit ihren Programmen 1998 noch rund 12 Millionen Erwachsene16 erreichte, sind es heute allein bei SABC1 15,3 Millionen. Insgesamt erreichen die TV-Programme Südafrikas heute nahezu die Hälfte der Bevölkerung.

Zwischen Umwandlung und Unterhaltung: das Programm

Die knappen finanziellen Ressourcen verlangen der SABC einen Spagat zwischen öffentlichem Auftrag und wirtschaftlichen Anforderungen ab. Vor allem die Nachrichtensendungen sollen den Umwandlungsprozess hin zur Demokratie begleiten und fördern. So spielten die Anhörungen der Wahrheitskommission in fast jeder Nachrichtensendung und auch in Sondersendungen eine wichtige Rolle und erreichten höchste Einschaltquoten. Neben den eigenen Nachrichten sind täglich BBC World und CNN International und weitere Übernahmen im Programm.

Im Unterhaltungsbereich wird mit eigenproduzierten Serien versucht, multiethnisches Zusammenleben zu thematisieren und so etwas wie eine neue Normalität zu vermitteln. Gesundheitliche Aufklärungsprogramme, z.B. über Aids, sind ebenso zu finden wie Tier- und Landschaftsdokumentationen. Ansonsten dominieren US-Serien und -Shows. „Die SABC“, klagt Allister Sparks, „kann kaufen, was sie möchte. Aber das Problem ist, dass das, was auf dem Markt angeboten wird, von immer weniger Großfabriken kommt und sich immer ähnlicher wird, Massenproduktionen, die leicht ein großes Publikum erreichen“. Durch ihre weitgehend kommerzielle Ausrichtung ist die SABC von globalen Konzentrationsprozessen beeinflusst, wie andere – private – Sender auch.

Entertainment vor education: das erste Privat-TV

Für „entertainment“, „exiting“ und „education“ steht das „e“ im Namen des ersten privat-kommerziellen, frei empfangbaren Fernsehsenders in Südafrika, e-tv, der seit Oktober 1998 auf Sendung ist. Er wird vom Konsortium Midi-TV veranstaltet, das verschiedenen schwarzen, z.T. gewerkschaftsnahen, Produktionsgesellschaften und zu 20% dem US-Konzern Time Warner gehört.17

Befürchtungen, „dass wir von der amerikanischen Kultur verschlungen werden“, ist Midi-TV-Präsidentin Nmazizi Mtshotshisa entgegengetreten, vielmehr soll das Programm „die südafrikanische Kultur und Demokratie stärken“. Die IBA-Auflage, dass mindestens 20% des Programms südafrikanischen Ursprungs sein müssen, sollte sogar übererfüllt werden.18 Ein Blick in das Programm zeigt allerdings, dass US-Angebote und das erste „e“ im Sendernamen auch hier zu dominieren scheinen.

Community-Fernsehen

Als echte Alternative könnte sich hier das geplante Community-Fernsehen erweisen. Neben den heute etwa 80 Community-Radios, kleinen Stationen mit geringer Reichweite und nur auf ein Jahr befristeten Lizenzen, die sich mit den dringendsten Problemen ihrer jeweiligen Gemeinschaft – Arbeitslosigkeit, Analphabetismus, Aids, Gewalt, Wohn- oder Schulproblemen – befassen, aber auch über afrikanische Musik, Jugend- oder Frauenthemen informieren, und, – wie Allister Sparks formulierte -, „eine wichtige Bildungs- und Kommunikationsmacht“ darstellen, soll es auch bald ähnlich ausgerichtete Community-TV-Stationen geben. Solche Sender könnten insbesondere auch die noch benachteiligten ländlichen Gebiete erreichen und wären, mehr noch als Radios, für Trainings- und Lehrprogramme geeignet.

Gegen Gewalt und Rassismus

Südafrika hat die weltweit höchsten Verbrechensraten, ein Erbe der Apartheid-Ära, die dem Land eine Arbeitslosenquote von bis zu 50% und der schwarzen Mehrheit Unterprivilegierung in allen Lebensbereichen hinterließ. Die IBA hat deshalb Gewaltdarstellungen weitestgehend – mit Ausnahme des Nachtprogramms – vom Bildschirm verbannt. Das gilt auch für die Werbung, die sich freiwillig diesem Kodex angeschlossen hat. Dass exzessive Gewaltdarstellungen, insbesondere gegenüber Frauen, und Darstellungen, die Gewalt gegen Frauen rechtfertigen oder sie als Opfer von Gewalt in einem sexuellen Zusammenhang zeigen, ganz verboten sind, dürfte wohl vor allem Ergebnis der zahlreichen Proteste und Initiativen von Frauen sein, die zunehmend auch die Medienberichterstattung in den Blick nehmen.19

Die Verbreitung rassistischer Vorurteile aus den Medien zu verbannen, gehört zu den Aufgaben der südafrikanischen Menschenrechtskommission. Sie hat in einem kürzlich vorgestellten Zwischenbericht einige Zeitungen kritisiert und ihnen „Herrenmenschen-Denken aus den Apartheid-Jahren“ vorgeworfen. Der SABC wiederum wird vermehrt Rassismus gegenüber Weißen und Hofberichterstattung zugunsten der ANC-Regierung angelastet.20

Die Diskussion um diese Thematik ist heiß und kontrovers und erfasst die gesamte Gesellschaft, keine schlechte Voraussetzung also, um voranzukommen auf dem Weg zum „Regenbogen“.


  • Christina Oberst-Hundt, freie Autorin aus München, besuchte Anfang November Südafrika mit einer Journalistendelegation des Referats für entwicklungsbezogene Bildungsarbeit der Evangelischen Akademien, der Fachstelle Eine Welt Medien, des GEP und des Solidaritätsfonds Demokratische Medien in der Welt e.V. Wir werden in loser Folge über die Ergebnisse dieser Reise, die sich mit der Situation der Medien und der Medienschaffenden in Südafrika beschäftigte, weiter in M berichten.

    Anmerkungen

    1 Allister Sparks, früherer SABC-Fernseh-Nachrichtenchef, im epd-Interview v. 22.4.1998. Sparks referierte auch vor der JournalistInnengruppe, die im November Südafrika besuchte und zu der auch die Autorin dieses Beitrags gehörte. Siehe M Nr. 3/2000
    2 Die Truth- and Reconciliation Commission (TRC) arbeitete unter Leitung von Erzbischof Desmond Tutu von 1996 -1998 und versuchte durch Anhörungen und Befragungen politisch motivierte Verbrechen zwischen 1960 und April 1994 aufzuklären.
    3 National Party (NP): 1914 gegründete, die Interessen der Buren vertretende Partei. Sie war von 1949 bis 1994 Regierungspartei.
    4 Vergl. Wahrheits- und Versöhnungskommission Südafrika: Das Schweigen gebrochen, Brandes & Apsel/ Südwind, Frankfurt a.M./Wien 2000, S. 311 ff.
    5 Vergl. Funk-Korrespondenz v. 15.10.1992
    6 Nach epd-Angaben vom 14.11.1998 erlaubt die IBA heute den Besitz von maximal vier Hörfunkstationen, zwei auf Mittelwelle, zwei auf UKW.
    7 M-Net wird von der Holdinggesellschaft Johnnic kontrolliert. Vergl. M Nr. 3/2000
    8 Vergl. auch FAZ v. 12.1.1994
    9 epd v. 21.12.1994
    10 Die TV-Programme der SABC wurden zu heute drei Programmen zusammengefasst, 6 der früher 22 SABC-Hörfunkprogramme wurden privatisiert.
    11 Gleichstellungsprogramme für schwarze MitarbeiterInnen
    12 Der Begriff stammt von Desmond Tutu und steht für multiethnisches und multikulturelles Zusammenleben im neuen Südafrika.
    13 Allister Sparks, aaO.
    14 100 Rand entsprechen heute etwa 30 DM. In der Kaufkraft entspricht ein Rand für einheimische Waren etwa 75 Pf.
    15 Diese und weitere Angaben zur aktuellen Mediensituation in Südafrika beruhen auf Ausführungen von Chris Vick, Medienexperte der südafrikanischen Regierung, der ebenfalls im November 1999 vor der JournalistInnengruppe referierte; vergl.
    M Nr. 3/2000
    16 Angaben aus epd v. 11.2.1998
    17 Um die erste südafrikanische Privat-TV-Lizenz hatte sich u.a. auch Rupert Murdoch beworben.
    18 Vergl. epd v.
    6.5.1998
    19 So z.B. die Initiative „WomenÕs Media Watch“, die kürzlich zusammen mit anderen Organisationen die Broschüre „Violence against Women in South Africa – A Resource for Journalists“ herausgegeben hat. In Südafrika wird im Durchschnitt etwa jede Minute eine Frau vergewaltigt.
    20 Vergl. epd v. 24.11.1999 u. SZ v. 24.11.1999

 

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