Fünf Rollen für die Präsidentin

Martina Hartung leitet die Jugend der UNI Europa

Entwicklerin, Vermittlerin, Botschafterin, Moderatorin, Netzwerkerin – mit diesen Begriffen beschreibt Martina Hartung ihre neue Aufgabe als Jugendpräsidentin der Union Network International (UNI) – Global Union in Europa.

UNI Europa ist eine Föderation von 330 europäischen Gewerkschaften im Dienstleistungs- und Kommunikationsbereich. Sie vertritt sieben Millionen Mitglieder. Die Altersgrenze für die europäische Gewerkschaftsjugend liegt bei 35 Jahren und nicht wie in ver.di bei 27. Deshalb kann die 32jährige in den kommenden beiden Jahren ihre Erfahrung als Jugendvertreterin mit ihrer Leidenschaft für internationale Zusammenarbeit auf das Beste verbinden, erklärt Martina Hartung mit ihrem leisen, fröhlichen Lachen.
Für die ver.di-Jugend ist sie bereits seit 2006 auf der europäischen Ebene aktiv. Auch das Gremium, das sie jetzt leitet, ist ihr vertraut, denn bis zu ihrer Wahl im Januar 2011 in Manchester arbeitete sie bereits seit zwei Jahren im Lenkungsausschuss der Europa-Jugend von UNI mit. „Ich agiere als Entwicklerin, wenn es um die politische Ausrichtung des UNI-Europa-Ausschusses geht“, beschreibt sie ihre neue Rolle. „Ich bin Moderatorin innerhalb des Gremiums, weil ich die Prozesse in den einzelnen Arbeitsgruppen im Blick haben muss und vorantreibe“, skizziert sie ihre zweite Rolle. Als „Botschafterin“ der Europa-Jugend versteht sie sich, wenn sie beispielsweise im Mai beim Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds in Athen die Arbeit der UNI-Europa-Jugend vertritt. Als „Netzwerkerin“ empfindet sie sich, wenn sie für den Informationsaustausch über die Jugendarbeit in den verschiedenen Ländern sorgt und hilft, gemeinsame Projekte anzuschieben. Als „Vermittlerin“ schließlich sieht sie ihre Aufgabe, wenn sie im UNI-Europa-Vorstand, dem sie als Jugendpräsidentin automatisch angehört, die Jugendthemen in die Debatte einbringt und dabei einen guten Bekannten trifft: Denn der Präsident der UNI Europa ist der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske.
Mit ihren zwei Vizepräsidentinnen und einem Vizepräsidenten aus Frankreich, Portugal und England sowie den anderen Mitgliedern des 16köpfigen Vorstands will sich Martina Hartung dabei vor allem auf vier Themenkomplexe konzentrieren: kostenfreie Aus- und Weiterbildung, die Ausländer- beziehungsweise Grenz- und Migrationspolitik innerhalb der Europäischen Union sowie nach außen – und der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Ganz oben auf Martina Hartungs Agenda steht die Jugendarbeitslosigkeit, die in vielen europäischen Ländern sehr hoch ist, und eine Generation, die ihren Berufseinstieg über niedrig entlohnte Leiharbeit oder immer neue Befristungen suchen muss. „Da bekommen wir als Gewerkschaften ein langfristiges Problem“, warnt Martina Hartung, „weil wir an die Jugend gar nicht mehr rankommen. Wie sollen diese jungen Leute überhaupt die Standards kennenlernen, die für ihre Eltern noch gegolten haben?“
Sie hat die Regeln für gute Arbeit in ihrer Ausbildung als Verlagskauffrau in Schwerin kennengelernt, wo sie sich in der Jugendauszubildenden-Vertretung (JAV) engagiert und mit Gleichgesinnten das JAV-Netzwerk mit dem schönen Namen „Nilpferd“ aufgebaut hat. Nilpferde werden unterschätzt, war damals die Überlegung. Wer die ruhige und höfliche Martina Hartung kennenlernt, könnte sie zunächst auch unterschätzen. Doch so hoch konzentriert sie als Gesprächspartnerin ist, so ausdauernd und durchsetzungsfähig ist sie auch im Verfolgen ihrer Ziele und klar strukturiert in ihrer Arbeit: Dazu gehört dann auch der nicht immer einfache Job in der Antragsberatungskommission für den nächsten UNI-Europa-Kongress im Oktober 2011 in Toulouse. Dass die immer neugierige und reiselustige junge Frau ihrer Liste der Kongressstädte nach Nyon am Genfer See und Brüssel, Manchester, Barcelona, Moskau und Nagasaki eine weitere hinzufügen kann, gefällt ihr natürlich auch. „Ein bisschen Fernweh habe ich immer schon gehabt.“
Nach der Ausbildung in Schwerin hat sie in Hamburg in einer Media-Agentur gearbeitet und gleichzeitig die Arbeit der Fachbereichsjugend in ver.di mit aufgebaut. Dann lockte sie 2003 das Studium der Publizistik, Kultur- und Kommunikationswissenschaft nach Berlin an die Freie Universität und an die Humboldt-Universität. Neben der Jugendarbeit im Bundesfachbereich Medien, Kunst und Industrie, kurz „medien.k.ind“ genannt, hat sie sich auch im Landesfachbereich Berlin-Brandenburg für die Jugendvertretungen in Betrieben eingesetzt und ist dort im geschäftsführenden Vorstand. Dass sie sich als Hans-Böckler-Stipendiatin auch in dieser Organisation für die Belange der Studierenden einsetzte, verwundert kaum. Bis zu ihrem Studienabschluss im Dezember 2010 saß sie im Kuratorium der Stiftung.
Eingleisig fahren wird die junge Frau auch in Zukunft nicht: Neben der Präsidentschaft heißt das nächste Ziel: Promotion – wenn sie nicht gerade Projekte der gewerkschaftspolitischen Bildung bei ver.di betreut. Langfristig soll ihr Weg in eine strategisch und international ausgerichtete Position der Gewerkschafts-, Sozial- oder Menschenrechtspolitik führen – und zu einer Familie mit ihrem Freund Carsten. Dass dabei auch Hobbys wie Theater, Ausstellungen und vor allem ihr großer Freundeskreis nicht zu kurz kommen sollen, versteht sich.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »