Trauer um Sigrid Thomsen

Sigrid Thomsen. Foto: privat

Sigrid Thomsen. Foto: privat

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di trauert um Sigrid Thomsen. Sie war von 2018 bis 2022 Vorsitzende des dju-Landesbezirks Hamburg/Nord und hat die Arbeit in der dju in dieser Zeit entscheidend geprägt und vorangebracht.

1956 in Flensburg geboren, zog es Sigrid Thomsen gleich nach dem Abitur 1975 fort von der Förde. Sie absolvierte ein zweijähriges Redaktionsvolontariat beim Westfalenblatt in Bielefeld. Noch im ersten Volontärinnenjahr trat sie in die dju, die damals noch an die IG Druck und Papier angegliedert war, ein.

Es folgte ein Studium. In Hamburg und Berlin belegte Sigrid Thomsen Politologie, Publizistik und Pädagogik. Sie schloss nach zehn Semestern als Diplom-Politologin ab. Während des Studiums entfachte ihre Begeisterung für soziale Bewegungen auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Ihre Diplomarbeit schrieb Sigrid Thomsen über die Rolle der schwarzen Gewerkschaften in diesem Befreiungskampf.

Dies sollte ein Leitthema ihres Berufslebens bleiben. Nach dem Studium schrieb Sigrid Thomsen zunächst für die geopolitische Zeitschrift “Neugier”, danach war sie als Redakteurin für das internationale Kinderhilfswerk “Terre des Hommes” sowie als Pressereferentin für das Evangelische Missionswerk tätig. Auch später, als freie Journalistin, galt Sigrid Thomsen als Expertin für soziale Fragen und politische Entwicklungen in Subsahara-Afrika. 1997 wurde sie Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Johannesburg.

2002 kehrte Sigrid Thomsen nach Deutschland zurück. Als freie Journalistin in Hamburg zog sie in die Bürogemeinschaft “Rothe 66” in Altona ein, in der sich ein Dutzend Medienschaffende das Haus und die Kaffeemaschine teilen. „Unerhörte Menschen lässt sie am liebsten zu Wort kommen”, beschrieben Kolleg*innen auf der Homepage der Gemeinschaft Sigrid Thomsens Arbeit und Anliegen.

Sigrid Thomsen schrieb nun viel für Gewerkschaftsmedien, hauptsächlich für Publikationen der IGBCE im Landesbezirk Nord. Für ihre Betriebsreportagen, Arbeitnehmendenporträts und Berichte aus Branchen- und Betriebskonflikten war sie von den Mittelgebirgen bis zu den Küsten unterwegs und in der IGBCE sehr geschätzt. “Ihre zugewandte und gleichzeitig nachhakende Art waren bewundernswert”, sagt Jan Koltze, Leiter des Regional-Bezirks Hamburg/Harburg der IGBCE. “Vor allem hat es uns als Chemiegewerkschaftsfunktionäre immer wieder dazu gebracht, selbst unsere Arbeit zu hinterfragen, wenn Sigrid das tat. Und Sigrid hat es geschafft, die chemische Industrie, die ja per se kein Sympathieträger ist, immer wieder mit menschlichen Aspekten darzustellen.”

Neben dem Schreiben für die IGBCE blieb Sigrid Thomsen der Arbeit für das südliche Afrika treu. Mindestens einmal pro Jahr, oft aber öfter, reiste sie für mehrere Wochen nach Kenia, um dort für die Deutsche -Welle-Akademie Workshops für einheimische Journalist*innen zu geben.

In der dju war Sigrid Thomsen zuerst in den 1990er-Jahren als Landesvorstandsmitglied aktiv, Dann ging sie nach Johannesburg. Nach ihrer Rückkehr brachte sie sich ein, sagte ihre Meinung, überließ die Ämter aber zunächst anderen. Das änderte sich 2018 wieder, als Sigrid in den Landesbezirksvorstand Nord der dju gewählt und von diesem zu seiner Vorsitzenden bestimmt wurde. Vier Jahre lang stand sie der dju vor. In dieser Zeit organisierte sie den bis dato eher locker arbeitenden Vorstand zu einem funktionierenden Gremium und vor allem zu einem verlässlichen Ansprechpartner in der Hamburger Medienwelt. “Dafür musste sie auch mal auf Schlipse treten, aber sie machte das mit so einer liebenswerten Leichtigkeit, dass Ihr das niemand übel nahm”, erinnert sich ein Vorstandsmitglied.

2022 gab Sigrid Thomsen den Vorsitz der dju ab. Sie war an Krebs erkrankt und wollte den Kampf gegen die Krankheit nicht ihre Vorstandsarbeit beeinträchtigen lassen. Diesen Kampf hat sie am 19. April verloren. Die dju verliert eine kompetente, engagierte, stets höfliche und kämpferische Kollegin.


Die Trauerfeier findet am 15. Mai um 12 Uhr in der Fritz-Schumacher-Halle auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf statt

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