Rechte Presse in Deutschland zielt vielerorts auf die junge Generation
Sie heißen Junge Freiheit, Deutsche Stimme, National-Zeitung oder Nation & Europa und sind die bekanntesten rechten Publikationen in Deutschland. Ihre gemeinsame Auflage: Etwa 120.000 Exemplare. Doch sie sind nur die berühmte Spitze des Eisbergs, denn die Zahl der periodischen Publikationen wird auf knapp 90 Titel geschätzt – mit einer gedruckten Gesamtauflage von rund 4,4 Millionen. Sechzig Zeitschriften erscheinen mindesten quartalsweise. Hinzu kommen noch ca. 1.000 rechtsextremistische Internetseiten im deutschsprachigen Raum.
Henryk M. Broder gibt ein Interview. Das ist nichts Besonderes, denn Henryk M. Broder teilt sich gerne mit und lässt sich noch viel lieber interviewen. Als Experte, zum Islam, zum Beispiel. Das Dumme nur: Der Kollege Broder spricht mit der Schülerzeitung Blaue Narzisse. Und damit steht sein hintersinniger Text im illustren Umfeld eines „kulturellen Onlinemagazins für Schüler und Studenten“, das nach den Worten ihres Chefredakteurs Felix Menzel, einem Studenten der Universität Halle-Wittenberg, an „einer rechten Millieubildung mitarbeitet“ und den Kampf gegen einen „mutikulturellen Dauerzustand“ und die „Überfremdung“ betreiben will. Kurz und knapp: In einer als rechtskonservativ bis rechtsradikal eingeschätzten Publikation.
Broder steht mit seinem medialen Reinfall am rechten Rand nicht allein. Auch die Wochenzeitung Junge Freiheit, redaktionell mit der Narzisse verbunden, arbeitet mit unwissenden oder gutgläubigen politischen Gastautoren aller Couleur. Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Bundes-Innenausschusses: „Mir haben einige der Interview-Partner der Jungen Freiheit aus dem Bereich meiner eigenen Parteifreunde gesagt, sie hätten gar nicht gewusst, um was für eine Zeitschrift es sich dabei handelt. Und da kann ich nur jedem Politiker und jeder Politikerin raten, sich doch intensiv vorher zu informieren, bevor man ein Interview gibt.“
Die Junge Freiheit hat eine Druckauflage von 25.000 Exemplaren. So ihre eigenen Angaben. IVW-Zahlen werden nicht veröffentlicht. Die verkaufte Auflage soll bei 18.500 liegen, davon 14.000 Abonnenten. Und da die Junge Freiheit von durchschnittlich 2,5 Personen gelesen würde, erreiche sie bis zu 46.250 Leser pro Woche. Gegründet wurde die Junge Freiheit (JF) 1986 in Freiburg/Breisgau als Organ der Jugendorganisation der „Freiheitlichen Volkspartei“. Seit 1994 erscheint sie als Wochenzeitung mit einem Umfang von 20 bis 28 Seiten. Heutiger Redaktionssitz ist Berlin. Sich selbst beschreibt die JF als Wochenzeitung für Politik und Kultur, konservativ, aber nicht rechtsradikal. Gründer und Chefredakteur Dieter Stein zum NDR-Medienmagazin Zapp: „Die Junge Freiheit ist, würde ich sagen, im Grunde genommen eine liberal-konservative Wochenzeitung, die in einer Tradition steht, wenn Sie auch die großen Namen nehmen, die bei uns schreiben, der alten FAZ und der Welt. … Sie ist eine Zeitung, also ein zartes Pflänzchen, das versucht, nonkonformistisch-konservativen Journalisten eine Plattform zu bieten.“ Doch Kritiker sehen in diesem verharmlosenden, konservativen Anstrich eine Täuschung. Sebastian Edathy: „Es ist sicherlich so, dass sich die Junge Freiheit um einen demokratischen Anstrich bemüht, um den braunen Kern auch ein Stück weit zu übertünchen, den sie nach meinem Dafürhalten definitiv hat.“
Eindeutig gegen Minderheiten
Der nächste Fall, die Deutsche Stimme, das Parteiorgan der NPD: Ihre Gesamtauflage beträgt 35.000 Exemplare (verkauft 16.000, davon 10.000 im Abonnement) – bei bundesweit 7.000 NPD-Mitgliedern. Chefredakteur ist Holger Apfel, stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender und Fraktionschef der NPD im Sächsischen Landtag. Die Deutsche Stimme ist eindeutig rechtsradikal, rechtsextremistisch, neonazistisch. Egal welche der 32 Seiten man aufschlägt, es geht gegen die Linke und andere „Blockparteien“, gegen die Bundesrepublik und ihre Demokratie, gegen Minderheiten und andere Ausländer, gegen Juden, Israel und das Weltjudentum allemal. Aber auch gegen Hartz IV und für Mindestlohn. In Anzeigen werden „Militärische Schnäppchen“ angeboten und Bücher beworben, in denen die „Helden“ des II. Weltkriegs auferstehen: „Wir woll’n das Wort nicht brechen – Die Waffen-SS 1935–1945“, „Die Fallschirmjäger der Waffen-SS im Bild“ oder „Das Gesetz der Front – Erlebte Kameradschaft im Zweiten Weltkrieg“.
Das wohl älteste Blatt der rechtsradikalen, nationalistischen Szene ist die National-Zeitung, Untertitel „Deutsche Wochen Zeitung“. Sie wurde 1950 als Deutsche National- und Soldaten-Zeitung gegründet. Mit einer geschätzten Auflage von 50.000 Exemplaren erscheint sie wöchentlich und ist die auflagenstärkste periodische Publikation im deutschen Rechtsextremismus. Ihr Herausgeber ist der Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard Frey, der gleichzeitig Inhaber der „DSZ – Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH“ ist. Kernpunkte des DSZ-Verlags und der Nationalzeitung ist ein absoluter deutscher Nationalismus. Hinzu kommen fremdenfeindliche, antisemitische und antiamerikanische Agitationsmuster. Ausländer und Juden werden pauschal diskreditiert. Auffallend bei vielen Artikeln der National-Zeitung, dass sie mit einem Hinweis auf einschlägige Bücher aus Freys Verlagen enden, in denen das angeschnittene Thema vertieft würde. Diese Cross-Promotion schlägt sich auch in den vielen Buch-, CD- und DVD-Anzeigenseiten nieder, in denen die ganze Palette von „Helden der Wehrmacht“ über David Irvings „Göring“ bis hin zum „Lexikon der antideutschen Fälschungen“ angeboten wird.
Weit seriöser tritt Nation & Europa auf. Das „Deutsche Monatsheft“, so der Untertitel, wird als das bedeutendste rechtsextreme Theorie- und Strategieorgan angesehen und erscheint seit 1951 mit einer derzeit geschätzten Auflage von rund 18.000 Exemplaren. Nach Meinung des Verfassungsschutzes stellt Nation & Europa „eines der wichtigsten meinungsbildenden Medien für die rechtsextremistische Szene dar.“ Seit Jahren wirbt das Blatt verstärkt für die Einheit der extremen Rechten. Die Herausgeber der Publikation, Peter Dehoust und Harald Neubauer, wollen dazu beitragen, das zersplitterte rechtsextreme Lager in der Bundesrepublik Deutschland zu einen. Monatlich wird in dem Heft ein Zustandsbericht der deutschen sowie der ausländischen Rechten geboten. Als positiv bewertet Nation & Europa den „Deutschlandpakt“, das Bündnis zwischen NPD und DVU und tritt für die von der NPD propagierte „Volksfront von Rechts“ ein. Mit Skepsis wird allerdings der „Brückenschlag“ zu den „freien Kameradschaften“ gesehen. Die enge Verflechtung zwischen Nation & Europa mit der NPD zeigt sich auch beim „Nationalen Bildungszentrum“ der Partei. Vorsitzender des Bildungswerkes ist N&E-Herausgeber Dehoust, Stellvertreter ist Karl Richter, Redakteur von Nation & Europa. Richter gilt in der Szene als einer der führenden Intellektuellen im deutschen Rechtsextremismus. Weitere Funktionen Richters:
Leiter des parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD im Sächsischen Landtag, Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift Deutsche Geschichte. Europa und die Welt (Verlagsgesellschaft Berg), Redakteur der Zeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart und des Euro-Kuriers (beide Grabert-Verlag). Bei den Verlagen Grabert und Berg handelt es sich um nationalistische Verlage, deren traditionelles Standbein die Herausgabe von geschichtsrevisionistischer Literatur ist.
Und hier schließt sich der Kreis zur „Gesellschaft für freie Publizistik e.V.“ mit Sitz in Oberboihingen bei Göppingen in Baden-Würtemberg. Die von ehemaligen SS-Offizieren und NS-Funktionären gegründete Gesellschaft gilt als größtes überparteiliches Sammelbecken von etwa 500 rechten Verlegern, Redakteuren, Schriftstellern und Buchhändlern. Die Gesellschaft veröffentlicht die vierteljährliche Broschüre Das freie Forum. Eigenwerbung: „Für Patrioten, die sich im Bereich der Medien und Veröffentlichungen bewegen.“ Die „Gesellschaft für freie Publizistik“ veranstaltet einmal im Jahr einen „Jahreskongress“. Das Thema im April diesen Jahres: „1968 – 40 Jahre Volkszerstörung“. Der Festvortrag über den Ungeist der 68er wird von Andreas Mohlau, dem gescheiterten NPD-Spitzenkandidaten der Niedersachsen-Wahl, gehalten. Zuvor aber wird eine „Hutten-Medaille“ verliehen. Preisträger 2007: Erich Priebke, SS-Offizier und in Italien verurteilt als Kriegsverbrecher wegen Beteiligung an der Erschießung bei den ardeatinischen Höhen.
Deutsche Kriegsschuld geleugnet
Neben diesen bekanntesten Publikationen sind noch jede Menge kleinster und kleiner Zeitungen und Zeitschriften auf dem rechten Markt, die sporadisch, aber regelmäßig erscheinen. Das geht von scheinbar harmlosen Schülerzeitungen wie der bereits erwähnten Blauen Narzisse aus Chemnitz oder der Aula aus Graz, über die fremdenfeindlichen und antisemitischen Unabhängigen Nachrichten aus Oberhausen, die monatlich die Kriegsschuld Deutschlands leugnen und eine fortdauernde Umerziehung der Deutschen durch die alliierten Siegermächte anprangern, bis hin zu den zahlreichen Pamphleten der regionalen „Freien Kameradschaften“, die zu Aktionen gegen linke Zecken oder Ausländer und Asylbewerber aufrufen. Oder geschichtsresistente Zeitungen wie die 13 schlesischen Heimatzeitungen aus dem Goldammer Verlag, dem Ostpreußenblatt oder dem Memeler Dampfboot. Und die rechte Szene nutzt von Jahr zu Jahr verstärkt das Internet. Das Bundesinnenministerium beziffert „die Zahl der von Deutschen betriebenen rechtsextremistischen Internetpräsenzen“ für 2006 auf etwa tausend. Die bedeutsamsten sind „altermedia.info“, das „stoertebeker.net“ oder „widerstand.info“. Hier wird nicht nur offen rechtsradikales Gedankengut propagiert, sondern auch – gut verlinkt – aktuell zu Kampagnen und Veranstaltungen aufgerufen. Zahlreiche Filme rechtsradikaler Veranstaltungen, sei es vom NDP-Pressefest, Skinhead-Konzerten oder einschlägigen Demonstrationen finden sich auch auf „Youtube“ wieder. Der Zentralrat der Juden hat daher im März dieses Jahres gegen den Betreiber Google eine Einstweilige Verfügung beantragt, da sie sich „zu Mittätern von Rassenhass und Diskriminierung machen.“ Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats, weiter: „Die rechte Szene nutzt Youtube massiv als Plattform.“
Zugegeben: Die massive Internetpräsenz und eine gedruckte Auflage von insgesamt 4,4 Millionen Exemplaren rechter und nationalistischer Publikationen haben nicht die Machtfülle eines Hugenberg-Konzerns, es ist aber eine nicht zu unterschätzende Größe auf dem deutschen Medienmarkt, mit der nicht nachlässig umzugehen ist.