Ab Mitte 2000 geht es um die PC-Abgabe

VG Wort steht bei digitalen Urheberrechten vor neuen Herausforderungen

Selten wurde auf den Versammlungen der Verwertungsgesellschaft Wort so rege diskutiert wie in diesem Mai in München. Journalistinnen und Autoren erleben immer öfter, daß sie im Multimedia-Zeitalter um den Erlös ihrer Arbeit gebracht werden. Von der VG Wort wurde deshalb stärkeres Engagement bei der Wahrnehmung digitalen Zweitverwertungsrechte eingefordert.

„Wenn wir noch länger warten, werden wir alle von der Entwicklung überrollt und die VG Wort hat immer weniger Einnahmen, die sie an die Urheber verteilen kann“, sagte ein freier Journalist aus Köln während der Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten der VG Wort am 21. Mai 1999 im „Hotel Bayerischer Hof“. Diese Äußerung stieß nicht nur auf allgemeine Zustimmung, sondern wurde auch von Erfahrungsberichten anderer Urheber über nicht genehmigte und honorierte Zweitveröffentlichung ihrer Texte in Online-Zeitungen, elektronischen Datenbanken oder auf CD-ROM unterstrichen.

Stagnation trotz Rekordergebnis

Die Einnahmen der VG Wort stiegen 1998 zwar um ein Prozent auf fast 114 Millionen Mark, doch wurde das „neuerliche Rekordergebnis“ nur durch ein um mehr als 32 Prozent auf 10,8 Mio. Mark gestiegenes Auslandsaufkommen (mit Zahlungen aus Österreich und Frankreich für vergangene Jahre) erreicht. Das Inlandsaufkommen sank um 1,4 Prozent auf 103 Mio. Mark. Das Geschäftsführende Vorstandsmitglied Prof. Dr. Ferdinand Melichar sprach deshalb von einer „Stagnation auf hohem Niveau“. Gleichzeitig erklärte er, „daß auch 1998 für digitale Nutzungen keine Erlöse erzielt werden konnten.“

Das will – und muß – die VG Wort ändern. Noch in diesem Jahr soll der Mandatsvertrag mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels über LAN-Nutzungsrechte (Local Area Networks) – bisher auf maximal angeschlossene 100 Bildschirme beschränkt – verändert werden. Größere Unternehmen und Institutionen können dann Verträge mit der VG Wort über die Einspeisung von Buch- oder Fachzeitschriftenbeiträgen in ihre Inhouse-Datenbanken abschließen. Auch die Verhandlungen mit dem Börsenverein über die CD-ROM-Verwertung stehen vor dem Abschluß, so daß erstmals für 1999 ein Inkasso für digitale Nutzung zu erwarten ist.

Das 1997 in den Wahrnehmungsvertrag der VG Wort aufgenommenen CD-ROM-Recht wurde präzisiert, ein neues Wahrnehmungsrecht für digital zugänglich gemachte Beiträge aus Zeitungen und Zeitschriften aufgenommen. Die Rechteeinräumung gilt in beiden Bereichen allerdings nur für Beiträge, die zu einem Zeitpunkt erschienen sind, als diese Nutzungsart unbekannt war und für später erschienene Beiträge nur, solange keine individuelle Rechteeinräumung erfolgt. Wer also weiß, daß die Zeitung, für die er schreibt, Artikel online auch ins Internet stellt oder in Pressedatenbanken wie Genios speist, sollte nicht erwarten, daß die VG Wort für ihn die Vergütung eintreibt.

Stillhalteabkommen läuft Mitte 2000 aus

Auch für die elektronischen Pressespiegel hat die VG Wort endlich einen Vertragspartner gefunden (siehe Kasten). Das größte Faß aber soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 aufgemacht werden. Dann läuft das fünfjährige „Stillhalteabkommen“ aus, auf das sich die VG Wort mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) eingelassen hatte, um die Kopiergeräteabgabe für Faxgeräte und Scanner zu etablieren, die bisher mehr als 150 Mio. Mark in die VG-Kasse brachte.

Mittlerweile ist die Faxgeräte-Abgabe durch den Bundesgerichtshof höchstrichterlich abgesichert (siehe M 3/99). Der nächste, für Urheber dringend erforderliche Schritt kann eingeleitet werden: Urheber-Abgaben auf PCs, Drucker und digitale Speichermedien. Man kann jetzt schon den – wie gewohnt geschickt inszenierten – öffentlichen Aufschrei ahnen, wenn die VG Wort, wie geplant, in einem Jahr die längst fällige PC-Abgabe einfordert. Der Untergang des Standorts Deutschland, wenn nicht das gesamten Abendlandes und des technischen Fortschritts wird prophezeit werden. Doch selbst wenn diese Kampagne erfolgreich abgewehrt wird, können die Urheber, deren Texte oder Fotos auf nicht wenigen PCs gespeichert sind, nicht auf baldige Einnahmen durch die neue Abgabe hoffen. Die juristischen Auseinandersetzungen bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung werden mehrere Jahre dauern. Bleiben die Verhandlungen mit dem VDMA ohne Ergebnis, will die VG Wort Anfang 2001 Klage einreichen.

Noch länger dürfte auf die Durchsetzung von Abgaben für digitale Überspielmedien wie Modems oder ISDN-Karten gewartet werden. Die im Auftrag aller Verwertungsgesellschaften für diesem Bereich zuständige GEMA hat bisher keine entscheidenden Aktivitäten in diese Richtung eingeleitet.

Wie bei den digitalen Rechten hoffen die Verantwortlichen der VG Wort bei der Verbesserung der herkömmlichen Tarife auf Unterstützung der neuen Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin. Dabei geht es vor allem um die Erhöhung der seit 1985 eingefrorenen Kopie-Abgabe von zwei Pfennig pro Blatt und die Gesetzesvorschrift, nach der Kopiergeräte erst ab einer Mindestgeschwindigkeit von zwei Kopien pro Minute vergütungspflichtig sind. Letzteres führt bei der VG Wort, so Melichar, zu „drastischen Einnahmeverlusten“, weil die Kopierfunktion von Faxgeräten und Scannern vor dem Import nach Deutschland in großem Umfang verlangsamt wird. Treiber, um die Geräte nach dem Kauf wieder schneller zu machen, werden von den Herstellern im Internet kostenlos zum Downloaden angeboten.

Kopiertarife seit 1985 nicht erhöht

Kommt es bei den Tarifen für private Überspielung und Reprographie zu keiner Erhöhung, können künftig in den herkömmlichen Bereichen der VG Wort „keine großen Steigerungen erwartet werden“, erklärte Ferdinand Melichar. Das zeigt auch das Geschäftsergebnis 1998. Gegenüber dem Vorjahr sind die Einnahmen aus den großen Bereichen Bibliothekstantieme (knapp 18 Mio. Mark), Kopieren in Schulen (6,3 Mio.), Kopier-Betreiberabgabe (7,8 Mio.), Hörfunk/Fernsehen (17 Mio.), Videovermietung (2,4 Mio.) und Schulbuch (1,5 Mio.) nahezu unverändert. Nur bei Pressespiegeln war ein deutlicheres Plus von 6,9 auf 7,4 Mio. Mark zu verbuchen, während die Kopiergeräteabgabe von 40,7 auf 37 Mio. Mark zurückging. Hier ist eine gewisse Marktsättigung wie auch im Bereich Audio/Video spürbar.

Mehr Einnahmen brachte auch die Kabelweitersendung, im Inland von 2,9 auf 4,6 Mio. Mark. Nach der 4. Änderung des Urheberrechtgesetzes und dem Abschluß der Verhandlungen zwischen Rundfunkanstalten, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften in diesem Jahr ist künftig eine erhebliche Steigerung des Kabelaufkommens zu erwarten. Die VG Wort mußte den Öffentlich-Rechtlichen dafür allerdings die Konzession machen, ihren Wahrnehmungsvertrag für die Nutzungen Pay-TV, Pay-per-View, Video-on-Demand und ähnliche Einrichtungen etwas zurückzuschrauben. Gegen den Widerstand einiger Fernsehautoren auf der Mitgliederversammlung am 22. Mai wurde mit großer Mehrheit beschlossen, diese Rechte nun nur wahrzunehmen, wenn „deren angemessene Vergütung nicht Gegenstand von Tarifverträgen oder Individualverträgen ist.“

Ausschüttung an 97274 Autoren

1998 hat die Zahl der Ausschüttungsempfänger nochmals um 10,4 Prozent auf 103 184 zugenommen, davon 97 274 Autoren und 5910 Verlage. Seit 1989 hat sich diese Zahl nahezu verdoppelt. Da die Einnahme etwas stiegen und der Nettoverwaltungsaufwand um 2,8 Prozent auf 8,65 Mio. Mark sank, bleiben die Ausschüttungsquoten in den meisten Bereichen unverändert. Gesenkt werden sie bei Tonträgen und Bibliothekstantieme, während die Pressespiegelvergütung von 140 auf 150 Mark steigt. Im Bereich Presserepro wird erstmals nach Anschlagszahl der veröffentlichten Artikel ausgeschüttet. Bei einer stetig wachsenden Zahl an Wahrnehmungsberechtigten dürften die Einzelausschüttungen künftig allerdings zurückgehen, wenn es der VG Wort in den kommenden Jahren nicht gelingt, bei der Wahrnehmung digitaler Nutzungsrechte entscheidend voranzukommen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ampelbilanz: Von wegen Fortschritt

"Mehr Fortschritt wagen" wollte die Ampel-Regierung laut Koalitionsvereinbarung von 2021 – auch in der Medienpolitik. Nach der desaströsen medienpolitischen Bilanz der vorausgegangenen Großen Koalition, so die Hoffnung, konnte es nun eigentlich nur besser werden. Von wegen. Die meisten der ohnehin wenig ambitionierten Vorhaben der Ampel blieben im Parteiengezänk auf der Strecke. Für den gefährdeten Lokal- und Auslandsjournalismus bleibt weiterhin vieles im Unklaren.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Die Entstehung des ÖRR in Deutschland

Im Jahr 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Zum Beispiel Norddeutschland. Dort hatte der nationalsozialistische Reichssender Hamburg am 3. Mai seine Tätigkeit eingestellt. Nur wenige Stunden später besetzten britische Soldaten das Funkhaus und schon am 4. Mai erklang eine neue Ansage: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.”
mehr »

KI sitzt am Redaktionstisch

Erst vor wenigen Jahren hat ein Großteil der Menschen überhaupt erfahren, was Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis bedeutet. Genauer gesagt: Viele Menschen haben mit ChatGPT einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Maschinen Texte formulieren, Prüfungsaufgaben in Sekundenbruchteilen lösen oder umfangreiche Artikel in wenigen Sekunden auf wesentliche Inhalte zusammenfassen. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zieht die generative KI seitdem ein.
mehr »