Mit Hilfe eines neuen Gesetzes soll energischer als bisher gegen digitale Gewalt im Internet vorgegangen werden. Entsprechende Eckpunkte hat das Bundesjustizministerium (BMJ) am 12. April veröffentlicht. Danach könnten Gerichte Social-Media-Accounts sperren lassen, wenn darüber Menschen schwerwiegend persönlich angegriffen werden. Außerdem sollte es Betroffenen erleichtert werden, die Klarnamen der Täter im Netz herauszufinden, berichtete gestern die ARD in der Tagesschau. Das Gesetz war im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung angekündigt worden.
Immer wieder würden Menschen im Netz massiv beleidigt und verleumdet oder im schlimmsten Fall werde dort ihr Leben bedroht, heißt es beim BMJ. Für viele Betroffene sei es wichtig, dass solche Inhalte schnell gelöscht und die weitere Verbreitung verhindert werde. Derzeit gebe es für sie aber bisher nur unzureichende Möglichkeiten, ihre Rechte selbst durchzusetzen. Oft gelänge es nicht, zügig und mit vertretbarem Aufwand Auskunft über die Identität des Verfassers oder der Verfasserin rechtswidriger Inhalte zu erlangen. Auch fehle es an einem effektiven Instrument, um gegen den ständigen Missbrauch eines Nutzerkontos für Angriffe gegen eine andere Person vorzugehen.
Accountsperren sollten gegen „notorische Rechtsverletzer im digitalen Raum“ und besonders in Fällen helfen, in denen unklar ist, wer hinter dem Account stecke. Allerdings müsse es sich um „schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen“ handeln. Zwar müssten rechtswidrige Inhalte schon mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von den Social-Media-Plattformen gelöscht oder gesperrt werden. Doch weil Betroffene dabei auf das Wohlwollen der Techkonzerne angewiesen seien, wollte die Koalition hier „Lücken bei Auskunftsrechten“ abbauen und „richterlich angeordnete Accountsperren“ ermöglichen.
Die anvisierten Sperren müssten demnach „verhältnismäßig“ sein und nur erfolgen, wenn andere Maßnahmen wie die Löschung eines Posts nicht ausreichten und „Wiederholungsgefahr“ bestehe. Die Inhaber der betreffenden Accounts sollen von der jeweiligen Plattform auf ein Sperr-Ersuchen hingewiesen werden und Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Außerdem solle ein Profil „nur für einen angemessenen Zeitraum“ gesperrt werden können.
Nach den Eckpunkten sollen künftig Daten wie die IP-Adresse auf gerichtliche Anordnung herausgegeben werden müssen. Nicht nur die Netzkonzerne, sondern auch Messenger-Dienste und Telekommunikationsunternehmen gelte es, in die Pflicht zu nehmen. Laut Bericht soll so nachvollzogen werden, wem eine IP-Adresse zugeordnet werden kann. Außerdem sollen soziale Netzwerke weiterhin einen „Zustellungsbevollmächtigten“ hierzulande haben, auch wenn der europäische Digital Service Act das NetzDG ersetzt.
Allerdings: wird jemand über mehrere Accounts beleidigt, müsste für jeden einzelnen eine Sperre erkämpft werden.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) begrüßt grundsätzlich die Eckpunkte. In der „Tagesschau“ erklärte Bijan Moini, Leiter der Rechtsabteilung: „Es gibt natürlich verschiedene Abstufungsmöglichkeiten, ob man das für eine Woche, für einen Monat oder gänzlich sperrt. Das hängt sicherlich von der Schwere des Verstoßes ab. Aber in jedem Fall ist es ein effektives Instrument, weil dann zumindest für eine Zeit von diesem Account kein Hass mehr ausgehen kann.“
Die GFF hatte bereits im vorigen Jahr Vorschläge zu Accountsperren gemacht und kündigte bereits einen eigenen Gesetzentwurf dazu an.