Aktive Mitbestimmung

Beschäftigte im Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks

Im Hessischen Rundfunk (HR) stehen erneut Reformen und eine Transparenzoffensive an. In die vorbereitenden Prozesse ist der Verwaltungsrat mit seinen beiden Beschäftigtenvertreter*innen eingebunden. Günay Defterli ist einer von ihnen. Der studierte Jurist ist seit 2000 Mitarbeiter in der Abteilung Dokumentation und Archive und engagierte sich bald als ver.di Vertreter im örtlichen sowie im Gesamtpersonalrat (GPR) des Senders. Defterli berichtet im Gespräch von der Arbeit im Verwaltungsrat und den künftig zusätzlichen Aufgaben der Mitglieder im Sinne des neuen Medienstaatsvertrags.

M | Du gehörst zu den zwei von der gesamten Belegschaft direkt gewählten Beschäftigtenvertretern im Verwaltungsrat des HR. Das ist ungewöhnlich im Vergleich zu den anderen Sendern?

Günay Defterli, Beschäftigtenvertreter im Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks. Foto: HR/Ben Knabe

Günay Defterli | Die ungewöhnlichen Regeln für die Wahl der Beschäftigtenvertreter ergeben sich aus dem Gesetz über den Hessischen Rundfunk in Verbindung mit dem Hessischen Personalvertretungsgesetz. Das HR-Gesetz regelt dessen Organe und bestimmt, dass der Verwaltungsrat aus neun Mitgliedern besteht. Von den neun Personen werden sieben vom Rundfunkrat gewählt und zwei von den Beschäftigten. Die Gewerkschaften und Berufsverbände können Wahlvorschläge machen. Die Wahl ist eine Personenwahl und findet parallel zur Personalratswahl statt. Die anderen Gewerkschaften stellen meist die Spitzenkandidat*innen der PR-Wahl für den Verwaltungsrat auf. Oft waren Vorsitzende des Gesamtpersonalrats und Sprecher*innen der Tarifgemeinschaft, meist von ver.di, im Verwaltungsrat. Bei der letzten Wahl 2021 sind Kristin Gesang und ich als ver.di Vertreter*innen gewählt worden. Kristin ist stellvertretende Vorsitzende des GPR und ich bin stellvertretender Vorsitzender des örtlichen PR und Sprecher der Tarifgemeinschaft. Auf diese Weise ist die Kommunikation in den PR und auch in die Tarifkommissionen gesichert.

Wie weit reicht die Mitbestimmung für euch im Verwaltungsrat?

Die sieben Mitglieder des Verwaltungsrats, die vom Rundfunkrat gewählt werden, bilden die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der jeweiligen Zeit ab. Ich habe nicht den Eindruck, dass hier Partei- oder Klientelpolitik im Vordergrund steht. Vielmehr sehe, dass alle Mitglieder daran interessiert sind, dass der HR auf gesunden Beinen steht und eine gute Entwicklung nimmt. Auch wir als Beschäftigtenvertreter wollen natürlich nur das Beste für den HR, aber durch unseren Einblick in den Betrieb, die Mitgliedschaft im Personalrat und unzählige Gespräche mit Mitarbeiter*innen können wir in das Gremium deren Sicht mit einbringen und die aufgerufenen Themen auch kritisch kommentieren. Unsere Position im Verwaltungsrat hat keinen Unterschied zu den vom Rundfunkrat gewählten Mitgliedern. Die bisherigen Vorsitzenden in der jüngeren Zeit und auch das Gesamtgremium haben darauf geachtet, dass die Beschäftigtenvertreter in die Arbeit des Verwaltungsrats eingebunden sind, das spiegelt sich auch in der Wahl zu den Stellvertretern wider. Kristin Gesang ist stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende und ich bin stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses.

Ihr wacht im Verwaltungsrat künftig nicht nur über die Haushaltsführung, sondern ihr sollt auch Richtlinien aufstellen, die inhaltliche und formale Qualitätsstandards sowie standardisierte Prozesse zu deren Überprüfung umfassen. Wie bewältigt ihr das?

Zurzeit laufen bei uns gerade die Diskussionen, wie diese Vorgaben von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern erfüllt werden können. Es stellt sich die Frage, ob die Gremienbüros und Geschäftsstellen der Gremien in den Rundfunkanstalten richtig ausgestattet und auch mit entsprechenden Professionen besetzt sind. Für uns ist dies im HR-Gesetz geregelt, danach soll die Geschäftsstelle die Mitglieder von Rundfunk- und Verwaltungsrat in ihren Aufsichts- und Kontrollfunktionen unterstützen und beraten. Nach meiner Auffassung setzt das nicht voraus, dass man nun in der Geschäftsstelle zusätzliche Expert*innen für Arbeits- und Medienrecht, Steuern und Medienwissenschaft einstellt, vielmehr sollten die Mitglieder der Gremien durch Fortbildungen befähigt werden, sich ein Urteil über die jeweiligen Themen selbst zu bilden.

In den letzten zehn Jahren hat der HR einige Strategiewechsel vollzogen, zuletzt „Digital First“. Wie werdet ihr im Verwaltungsrat in die Reformprozesse eingebunden?

Die Entscheidung „Digital First“ war vor meiner Zeit im Verwaltungsrat und einige der handelnden Personen sind auch nicht mehr dabei. Aber die Veränderungen im Rundfunk werden ja nicht weniger, daher haben wir zurzeit vergleichbare Prozesse. Dazu gehören etwa die Verkleinerung des Betriebs und die Nichtbesetzung von freiwerdenden Planstellen. Hier fordert der Verwaltungsrat Informationen und Aufklärung durch die Geschäftsleitung, die unserem Begehr mit Informationsvorlagen und Diskussionen zu den jeweiligen Themen nachkommt. Bei sehr komplexen Themen finden gemeinsame Workshops mit Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung statt. Bei all dem kommt den Beschäftigtenvertretern eine besondere Aufgabe zu, denn sie haben durch ihre tägliche Arbeit Einblick in die sogenannten normalen Arbeitsstrukturen und sie können die Stimmung im Sender bei bevorstehenden Strategiewechseln oder der Ankündigung von bestimmten Maßnahmen in das Gremium einbringen. So stützen sich Entscheidungen auch auf eine breitere Erkenntnisgrundlage.

Welche Reformen stehen denn zurzeit im HR an?

Die unterschiedlichen Initiativen, die in den letzten Jahren in Bearbeitung waren, wurden durch den neuen Intendanten Florian Hager zu einem Zielbild 2032 zusammengefasst. Danach soll der HR so aufgestellte werden, dass er mit weniger Ressourcen den gesetzlichen Auftrag weiterhin erfüllen kann. Hierfür sind eingreifende Veränderungen notwendig, so etwa die Abkehr von dem Alleinstellungsmerkmal der Eigenproduktion von Fernsehspielfilmen für die ARD, dazu gehört auch der „Tatort“. Hier werden zukünftig Produktionsfirmen beauftragt. Diese Entscheidung führt natürlich zu Unruhe im Betrieb. Die Kolleg*innen haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Außerdem wird in dem Bereich weniger ausgebildet und einige Ausbildungsberufe werden gar nicht mehr angeboten. Die Eigenproduktionen werden nicht gänzlich abgeschafft, denn im klassischen Geschäft der Informationen und Regionalberichterstattung, ein wichtiger Teil unseres Auftrags, werden die Beiträge überwiegend durch feste und freie Mitarbeiter*innen des HR erstellt. In dem Zielbild-Prozess wird neben weiteren Punkten auch die Zusammenarbeit in der ARD angesprochen, schon seit längeren eine Forderung der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ und auch in der Politik.

Seid auch ihr in die Entwicklung der Compliance-Regeln der ARD mit einbezogen?

Im HR hatten die Arbeiten zu einem Compliance-Programm bereits im Januar 2022 begonnen, also weit vor den RBB-Ereignissen und im Sommer 2022 wurde es vorgestellt. Mit der Etablierung solch eines Programms ist die Arbeit nicht beendet, denn es handelt sich hier um einen fortlaufenden Prozess, der ständig angepasst werden muss. Darüber werden wir in der Zukunft regelmäßig informiert und wir können ihn auch kritisch begleiten. Nach den Ereignissen beim RBB wurde auf ARD-Ebene versucht, Compliance-Regeln in den Rundfunkanstalten zu etablieren, um einen einheitlichen Verhaltenskodex festzulegen. Zu diesem Thema gab es eine Runde der Compliance-Beauftragten der ARD, über die uns die Beauftragte des HR und der Intendant informiert haben.

Wie transparent geht der HR mit seiner Gremienarbeit um?

Vielleicht müssen wir klären, über welche Transparenz wir reden. Wenn wir über die Transparenz ins jeweilige Gremium reden, habe ich den Eindruck, dass diese recht gut ist. Die Transparenz in Richtung Öffentlichkeit wird aktuell verbessert. Ziel des Rundfunkrates ist es, in jeder Sitzung einen öffentlichen Teil zu etablieren, in den sich Interessierte per Stream zuschalten können. Der Rundfunkrat überarbeitet gerade seine Satzung, um diesen Stream für jede Sitzung verbindlich anzubieten. Beim Verwaltungsrat sieht es anders aus. Im Gesetz ist geregelt, dass die Sitzungen des Verwaltungsrats und seiner Ausschüsse nicht öffentlich sind. Die Termine der Sitzungen, die Tagesordnung und die Beratungsergebnisse werden allerdings auf der Unternehmensseite online veröffentlicht.

 

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