Alles geschützt?

Aktuelle Urteile zum Urheberrecht

Urheberrecht? Das Thema ist längst in der öffentlichen Diskussion, vor allem wenn es ums Internet geht. Politisch umstritten, scheint rechtlich alles klar zu sein: Alles ist geschützt, davon gehen auch viele Urheberinnen und Urheber aus. Was vom Urheberrecht tatsächlich erfasst wird, dazu einige aktuelle Urteile.

Karikatur: Roger Schmidt
Karikatur: Roger Schmidt

Geschützt werden durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) unter anderem Sprachwerke (außer Texten auch Reden und Computerprogramme), Fotografien, Karikaturen und Filme, Werke der Musik, der Bildenden Kunst und der Tanzkunst sowie Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art. Voraussetzung: Es handelt sich um persönliche „geistige Schöpfungen”.
Ohne diesen Schutz könnten Publizisten und Künstler nicht existieren. Denn sie leben von ihren Urheberrechten – egal ob sie Artikel oder Bücher schreiben, journalistisch oder künstlerisch fotografieren, Beiträge für den Hörfunk oder das Fernsehen erstellen. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt damit, dass sie Genehmigungen für die Nutzung ihrer Werke erteilen (UrhG: Nutzungsrechte einräumen) und dafür als Vergütung Honorar oder Gehalt erhalten.
Nicht nur daraus entstehen Konflikte – wie die Auseinandersetzungen um „Rechteklau” und Buy-Out-Verträge immer wieder deutlich machen. Auch darüber, ob der Urheberschutz im Einzelnen überhaupt konkret greift, muss oft genug – vor Gericht – gestritten werden. Denn Urheberrechte erlöschen erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Erst danach darf jeder die Werke nach Belieben nutzen. Erst dann sind sie „gemeinfrei”.
In der Regel 50 Jahre nach der erstmaligen Veröffentlichung (teilweise auch nach Erstellung) erlöschen Leistungsschutzrechte, die als verwandte Schutzrechte ebenfalls im UrhG geregelt sind. Die gibt es zum Beispiel auch für „Lichtbilder”. So bezeichnet das Gesetz „gewöhnliche” Fotos, bei denen es sich nicht um eine „persönliche geistige Schöpfung” handelt. Und darum geht es im ersten Urteil.

Dokumentarische Filmbilder

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 6. Februar 2014 (Az.: I ZR 86/12) entschieden, dass bei dokumentarischen Filmaufnahmen das Leistungsschutzrecht auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder umfasst. Geklagt hatte ein Journalist, der die Verwertungsrechte an einem Film übernommen hatte, den der Kameramann Herbert Ernst am 17. August 1962 vom Sterben und Abtransport des Flüchtlings Peter Fechter an der Berliner Mauer gedreht hatte. Der RBB sendete Bilder aus diesem Film am 13. August 2010 in der Abendschau.
Anders als die Vorinstanzen urteilte der I. Zivilsenat in Karlsruhe, dass Ansprüche auf Unterlassung und Wertersatz wegen Nutzung der Filmaufnahmen nicht daran scheitern, dass dieses nicht als Filmwerk geschützt ist, weil es sich dabei lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen handele. „Denn an den einzelnen Filmbildern besteht jedenfalls ein Leistungsschutzrecht” als Lichtbilder (§ 72 UrhG) und dieses umfasst „das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films”, heißt es in der BGH-Pressemitteilung.
Für den Kameramann ist das BGH-Urteil nur ein einmaliger und kurzfristiger Erfolg, denn mittlerweile sind 50 Jahre vergangen. Für die Filmemacher insgesamt handelt es sich aber um eine wichtige Grundsatzentscheidung. Nun ist höchstrichterlich festgestellt, dass sie beispielsweise Screenshots im Internet aus ihren Filmen nicht ohne weiteres hinnehmen müssen.

Auszüge aus Buchrezensionen

Ein neues Urteil des Landgerichts München I hat die Buchbranche in Aufregung versetzt. Auszüge aus Buchrezensionen sind urheberrechtlich geschützt, ihre Verwendung muss lizenziert werden, hat das LG gegen den Internetbuchhändler buch.de am 12. Februar 2014 (Az.: 21 O 7543/12) entschieden. Geklagt hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
In der Urteilsbegründung betonte das Münchener Gericht die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der FAZ-Artikel, die für die bisher branchenüblichen Online-Rezensionen genutzt wurden. Bei journalistischen Arbeiten, die sich „mit literarischem Schaffen befassen und literarische Werke feuilletonistisch darstellen”, sei die für Zeitungsartikel typische „individuelle Prägung sogar noch eher anzunehmen als bei herkömmlichen Artikeln … der Tagespresse”. Buch.de habe aber keine Nutzungsrechte für die Verwertung der Artikel erworben. Auch das Zitatrecht greife nicht, da bei den Online-Rezensionen kein „Zitatzweck” erkennbar sei.
„Bedauerlich ist, dass das symbiotische Miteinander von Buch- und Presseverlagen bei der Verwendung von Rezensionen nach diesem Urteil faktisch aufgekündigt ist”, erklärte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Allerdings hatte der Verlag der FAZ aufgrund des starken Unmuts in der Verlagsbranche bereits im Oktober 2013 in einer Erklärung betont, dass die „Nutzung von Buchbesprechungen der FAZ zu Werbezwecken möglich” sei – auch in Zukunft. „Lizenzfrei und ohne gesonderte Genehmigung möglich ist somit die Nutzung von Auszügen aus Rezensionen, die aus bis zu 25 aufeinanderfolgenden Wörtern bestehen. Möglich ist zudem damit ausdrücklich die Verwendung auf Umschlagseiten und in Klappentexten sowie zukünftig die Bewerbung der besprochenen Bücher im Internet.” Der Online-Händler buch.de hat Berufung vor dem OLG München eingelegt.

„Kleine Münze”

Das Münchner Landgericht hatte bereits am 4. August 2011 (Az.: 7 O 8226/11) auch den urheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk für einen aus zwölf Worten bestehenden Spruch des nicht nur in der bayerischen Hauptstadt verehrten Karl Valentin bejaht: „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut”. Dieser Spruch darf auf einer Zitat-Webseite ohne Genehmigung nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Erfolgreich machte die Enkelin von Karl Valentin als Gesamtrechtsnachfolgerin ihren Unterlassungsanspruch geltend.
Ohnehin gilt für Sprachwerke die sogenannte kleine Münze. Der Begriff bedeutet, dass auch einfache Werke durch das Urheberrecht geschützt sind, die nur über ein schwaches Maß an individueller, schöpferischer und gestalterischer Ausdruckskraft verfügen. Maßgeblich ist, dass eine schöpferisch wertvolle und daher schutzwürdige Errungenschaft erschaffen wurde. Das gilt bei verschiedenen Werkarten in unterschiedlich starkem Maße: Die Schutzuntergrenze bei Sprachwerken ist höher angesetzt als auf musikalischem Gebiet, wo auch einfachste Melodien wie beispielsweise Jingles schutzwürdig sein können.

AGB und Nachrichtentexte

So gibt es mehrere Urteile, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) urheberrechtlichen Schutz genießen (können), anders als Urteils- und Gesetzestexte. So entschied etwa das Oberlandesgericht Köln am 27. Februar 2009 (Az.: 6 U 193/08): „Allgemeine Geschäftsbedingungen können als (wissenschaftliches Gebrauchs-) Sprachwerk … urheberrechtsfähig sein …, wenn sie sich wegen ihres gedanklichen Konzepts oder ihrer sprachlichen Fassung von gebräuchlichen juristischen Standardformulierungen abheben.” Das gleiche OLG hatte schon zuvor den Urheberschutz von Urteilsleitsätzen festgestellt, die ein Rechtsanwalt auf seiner Website von der eines Kollegen „übernommen” hatte (Beschluss vom 28. August 2008 – Az.: 6 W 110/08).
Dass auch Nachrichtentexte „persönliche geistige Schöpfungen” sind und damit den Schutz des Urheberrechts genießen, ist eigentlich klar. Die Nachrichtenagentur AFP musste deswegen aber gegen den Betreiber eines Internetmagazins prozessieren, der meinte, er könne sie unverändert übernehmen, da das Urheberrecht nicht zum Zug komme. So kam es zum Urteil des OLG Karlsruhe vom 10. August 2011 (Az: 6 U 78/10), in dem der Urheberschutz von Nachrichtentexten eindeutig festgestellt wurde.
Webseiten. Im Bereich der Grafik liegt die Grenze für den urheberrechtlichen Schutz weitaus höher und gilt allenfalls für herausragende Grafiken. Lange wurde auch vor Gericht über den Urheberschutz von Webseiten gestritten. Dass eine Webseite nur unter ganz besonderen Umständen Urheberrechtsschutz genießt, hat sich vor Gericht wohl allgemein durchgesetzt.
Das hat auch das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 29. Februar 2012 (Az.: 5 U 10/10) noch einmal bestätigt: „Da nach Auffassung des Senates die Webseite der Klägerin bereits keinen Schutz als urheberrechtliches Werk genießt, liegt in der Übernahme eines Teils der Gestaltungselemente … auch keine Urheberrechtsverletzung vor.” Auch sei nicht schon ein Quellcode an sich geschützt, führte das OLG weiter aus. Die Schutzfähigkeit lasse sich nicht alleine mit der Benutzung einer bestimmten Programmiersprache oder bestimmter Programme begründen, sondern sei daran zu messen, inwieweit das erstellte Programm keine ganz einfache Gestaltung aufweise.

Gebrauchsdesign

Bei Gebrauchsgrafik oder Produktdesign fand der Schutz der kleinen Münze lange keine Anwendung, weil diese auch durch das Geschmacksmustergesetz (nach einer Reform jetzt: Designgesetz) geschützt werden können. Erst mit dem „Geburtstagszug”-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2013 (Az.: I ZR 143/12) gilt, dass der Urheberrechtsschutz auch für Werke der angewandten Kunst gelten kann. Geklagt hatte mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di eine selbstständige Spielwarendesignerin. Der BGH revidiert damit seine frühere Rechtsprechung und entschied, dass Schöpfer von Gebrauchsdesign grundsätzlich einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach dem Urheberrecht haben.

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