Brücke zwischen Saar und Weser

Eine besondere IG-Medien-Kooperation

Was viele schon lange befürchtet hatten, wurde durch die Neuregelung des Finanzausgleichs der Länder zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Oktober vergangenen Jahres bittere Wirklichkeit: bis Ende 2006 müssen die „kleinen“ Rundfunkanstalten drastisch Kosten senken; das bedeutet „Einsparungen“ in zweistelligen Millionenhöhen bei Personal und Programm.

Wir halten den Abbau des Finanzausgleichs medienpolitisch im Interesse der Vielfaltsicherung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für fatal; vor allem, weil damit Medienpolitik auf dem Rücken der „kleinen“ Sender und deren HörerInnen und ZuschauerInnen betrieben wird. Aber wir wollen gleichzeitig diese Entwicklung, die wir einerseits scharf kritisieren aber andererseits nicht ungeschehen machen können, auch nicht nur beklagen und in Selbstmitleid verfallen. Und damit sie eben diesem Prozess nicht hilf- und tatenlos zusehen müssen, entschlossen sich die Vorstände der Senderverbände der IG Medien bei Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk, ein gemeinsames Aktionsprogramm zu starten. Um die Zukunftsfähigkeit dieser beiden Sender einerseits zu sichern und gleichzeitig die Interessen der KollegInnen zu wahren, entwickelten IG-Medien-Vertreter/innen auf einer ersten Sitzung vor Weihnachten einen tariflichen Forderungskatalog, der als Tarifvertrags-Paket-Angebot „Bündnis für Arbeit und Zukunft“ mit den Leitungen der beiden Anstalten verhandelt werden soll. Dieses Paket-Angebot soll den Abbaumaßnahmen entgegen wirken.

Um alle Kolleginnen und Kollegen im Saarland und in Bremen nicht nur über dieses Vorhaben zu informieren, sondern sie auch aktiv an dem Gestaltungs-Prozess der tariflichen Inhalte dieses Pakets zu beteiligen, entwickelten die beiden Verbandsvorstände eine kleine Broschüre. In ihr wurde zuerst das Anliegen der IG Medien erklärt:

„Zur Akzeptanz eines Senders braucht man gute, vielfältige Programme, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht werden. Und dafür braucht man wiederum viele gute, das heißt qualifizierte MitarbeiterInnen. Sparen kann man auch anders – und nicht wie es heute „modern“ geworden ist – vordringlich an den Personalkosten.

Wir wollen dieses Bündnis. Und wir haben konkrete Vorstellungen, Pläne und Konzepte wie eine Zukunftssicherung unserer Anstalten gemeinsam gestaltbar ist. Sie stecken alle in diesem Paket. Und darüber wollen wir jetzt verhandeln.“

Danach wurden die einzelnen Verhandlungsinhalte in wenigen Stichworten – und keineswegs abschließend – skizziert:

Themenbereiche im Tarifpaket „Bündnis für Arbeit und Zukunft“

1) Arbeitszeit

  • Abbau von Überstunden
    Pro Abteilung wird eine so gering wie mögliche Anzahl von Überstunden festgelegt. Die Einhaltung überwacht der Personalrat.
  • Gleitzeit
    Gleitzeit muss auf Antrag von KollegInnen in ihren Abteilungen eingeführt werden.
  • Teilzeit
    Jeder/jede hat das Recht in Teilzeit zu gehen. Gleichzeitig haben all diese KollegInnen den Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse.
  • Langzeitkonten
    Jeder/jede ArbeitnehmerIn bekommt ein Zeitsparbuch. Darauf können eine bestimmte Anzahl freier Tage, Urlaubstage, Überstunden und in Zeit umgewandelte Gehaltsbestandteile, sowie umgewandelte Zuschläge (für Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit und Nachtarbeit), angespart werden. Diese Zeit steht zur alleinigen Verfügung der betreffenden ArbeitnehmerInnen. Damit kann jeder/jede zum Beispiel einen längeren (mehrmonatigen) „Urlaub“ machen oder früher aus dem Berufsleben ausscheiden.

2) Altersteilzeit

  • auf Altersteilzeit haben alle Beschäftigten einen festen Anspruch. Damit können sie ein paar Jahre vor der Rente bereits in eine Art „Vorruhestand“ gehen. Statt zum Beispiel die letzten vier Jahre als Vollzeitbeschäftigter nur halbtags zu arbeiten, kann man die beiden ersten Jahre noch vollzeitig am Arbeitsplatz sein und hat die beiden letzten vor der Rente dann „frei“. Das Wichtigste dabei ist, dass man dabei nur geringe Gehaltseinbußen hat (so ist beispielsweise möglich, während der „aktiven“ Zeit 90% und während der „passiven“ dann 85% des Gehalts zu bekommen).

3) Arbeitsverhältnis

  • Vorruhestand: die alte Regelung wird über das Jahr 2000 hinaus fortgeschrieben (gilt in der Formulierung nur für RB).
  • Interner Stellenmarkt: freie, bzw. frei werdende Stellen dürfen für einen bestimmten Zeitraum nur betriebsintern ausgeschrieben werden. Dabei gilt das Prinzip der Mindestqualifikation mit begleitenden Qualifizierungsmaßnahmen (ein entsprechender Qualifizierungsplan ist dem Personalrat vorzulegen und von diesem zu überwachen).
  • Qualifizierung: jeder/jede Beschäftigte hat einen Anspruch auf eine vom Arbeitgeber zu finanzierende Qualifizierung, die es ihm/ihr ermöglicht, einen anderen Arbeitsplatz einzunehmen.
  • Arbeitsplatzveränderung: entspricht die ausgeübte Tätigkeit (zum Beispiel auf Grund der Einführung neuer Techniken oder bei mehreren Funktionskoppelungen) nicht mehr der Tätigkeiten-Beschreibung der Vergütungsordnung, kann jeder/jede Beschäftigte eine von Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite paritätisch besetzte „Schlichtungs“-Kommission anrufen.
  • Abfindungsregelungen: fällt trotz aller Bemühungen ein Arbeitsplatz weg und die Betroffenen wollen aus ihrem Arbeitsvertrag ausscheiden, werden für sie umfassende Regelungen festgelegt, die Übergänge und soziale Härten ausgleichen.

4) Regelungen für Freie

  • die unter Rubrik 3 (Arbeitsverhältnis) beschriebenen Regelungen müssen für Freie analog gelten.

5) Outsourcing

  • Tarifbindung: sollte es überhaupt zu Auslagerung von Betriebsteilen kommen, dann müssen die jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen von Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk für diejenigen Beschäftigten, die aus diesen Anstalten in die „Töchterfirmen“ gehen, weiter gelten und dynamisch – das heißt: immer an den Stand im „Mutterhaus“ – angepasst werden. Gleichzeitig gelten die Tarifverträge der Anstalten für alle neu Einzustellenden entsprechend. Dazu haben die Personalräte der Anstalten und die Betriebsräte der „Töchterfirmen“ ein Recht auf regelmäßige Austauschtreffen und enge Zusammenarbeit.

Dafür fordern wir: es darf nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Gleichzeitig darf es für diesen Ausschluß keine Kompensation durch die Beschäftigten geben. So sichern wir unsere Zukunft.

Am Schluss der Broschüre befindet sich darüber hinaus eine heraustrennbare Karte, auf der alle Beschäftigten der beiden Rundfunkanstalten ihre Präferenzen und zusätzliche Vorschläge vermerken können. In beiden Sendeanstalten sind bereits viele dieser Karten an die IG Medien zurückgeschickt worden. Die hohe Resonanz zeigt, wie sehr die vorgestellten Themen die Kolleginnen und Kollegen beschäftigen.

Im Februar trafen sich dann IG-Medien-Mitglieder aus beiden Rundfunkanstalten zu einer zwei-tägigen Klausurtagung. Dabei wurde der aktuelle Stand in den jeweiligen Häusern besprochen, die in der Broschüre skizzierten Themen – an den Gegebenheiten der Sender orientiert – ausformuliert und auch neue Ideen eingebracht. Dazu gehört auch der Gedanke, Beschäftigungssicherung durch neue Arbeitszeitformen herbeizuführen. Eine Möglichkeit könnte so beispielsweise – analog dem VW-Modell – die Einführung der 4-Tage-Woche bei differenziertem Lohnausgleich sein. All dies gilt es, jetzt genau durchzurechnen, mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren und in tarifierbare Formen zu gießen. Während wir jedoch weiter überlegen und einen Weg aus dem Dilemma des Abbaus suchen, geht die Entwicklung weiter – und nicht unbedingt „begrüßenswert“.

Im Saarländischen Rundfunk haben die Tarifverhandlungen zum „Bündnis“-Paket begonnen. Da der Intendant des SR, Fritz Raff, sich von vornherein bereit erklärt hatte, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen, fielen in der Broschüre die dort erwähnten Sätze ebenso weg, wie die Forderung nach Altersteilzeit, die im SR bereits tariflich umgesetzt ist. Wie sich die weiteren Verhandlungen im SR gestalten werden, bleibt abzuwarten. Gespart soll dort – neben dem möglichen (z.B. durch Vorruhestand und nicht wieder besetzten Stellen) Personalabbau – auch am Programm. Dies ist natürlich auf längere Sicht ein Teufelskreis. Denn: je weniger Programm, desto weniger Personal braucht eine Anstalt und verliert gleichzeitig immer stärker ihr Profil als öffentlich-rechtlicher Sender mit Vollprogramm.

Bei Radio Bremen stellt sich die Situation noch etwas komplizierter dar. Der neue Intendant, Heinz Glässgen, fand bei seinem Amtsantritt im Oktober vergangenen Jahres eine – vorsichtig umschrieben – chaotische Situation vor. So wollte er auch, im Gegensatz zu seinem Kollegen Raff, von vornherein betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen (siehe nebenstehenden Bericht). Klar ist, dass Stellen mittelfristig abgebaut werden sollen, aber in welcher Form und in welcher Zahl das über den bereits verhandelten Vorruhestand geht, ist noch völlig unklar.

Die Tarifvertrags-Arbeitsgruppe wird sich jedenfalls weiter treffen und in Absprache versuchen, einem planlosen Stellenabbau und einer orientierungslosen Personalwirtschaft wirksame tarifpolitische Maßnahmen entgegen zu setzen.


  • Andreas Reichstein, Redakteur bei NDR aktuell, ist im Geschäftsführenden Bundesfachgruppenvorstand (GBV) der Fachgruppe Rundfunk/Film/Audiovisuelle Medien (RFPU) für die Tarifpolitik bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zuständig und Vorsitzender der Tarifkommission.
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