Klassiker der Leinwand erobern mit der Initiative „Filmkanon“ die Lehrpläne der Schulen
Ein „Filmkanon“ für die schulische Bildung: gar nicht so einfach. 35 Filme haben Regisseure, Filmjournalisten, Wissenschaftler und Pädagogen ausgewählt; Filme, die sie für besonders geeignet hielten, Schüler „mit den Formen und Inhalten und den Tücken und Freuden des Mediums vertraut zu machen, das wie kaum ein anderes die Kultur und den Alltag des modernen Menschen bestimmt“.
Natürlich kann man über die Auswahl der 35 Titel streiten. Sie enthält weder einen Film von Woody Allen noch ein Werk von Ingmar Bergman. Anhänger des Genre-Kinos werden der Meinung sein, auf die Liste gehöre unbedingt auch Sergio Leones Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder Stanley Kubricks grandiose Space-Opera „2001 – Odyssee im Weltraum“. Und Zartbesaitete werden sich über das Blutbad in Martin Scorseses „Taxi Driver“ entsetzen. Außerdem ist unter den acht deutschen Filme nur einer aus der DDR.
Von Hitchcock bis Truffaut
Unterm Strich aber kann sich die Liste sehen lassen, denn sie stellt einen reizvollen Mittelweg zwischen Publikumserfolgen und Kunstkino dar. Die ausgewählten Regisseure sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben: Alfred Hitchcock („Vertigo“) , John Ford („Stagecoach“), Ernst Lubitsch („Sein oder Nichtsein“), Akira Kurosawa („Rashomon“), Stanley Kubrick („Dr. Seltsam“), Fritz Lang („M“), F.W. Murnau („Nosferatu“), Charles Chaplin („Goldrausch“), Jean-Luc Godard („Außer Atem“), Orson Welles („Citizen Kane“) oder Francois Truffaut („Wolfsjunge“).
Doch es gibt auch grundsätzliche Kritik. Dieter Wiedemann, Präsident der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, hatte schon im Vorfeld darauf hingewiesen, die Filmerziehung müsse „einen Spaß- und Unterhaltungsfaktor haben“; sie habe sich daher „primär“ auf jene Filme zu konzentrieren, „die im Zentrum des Bedürfnisspektrums von Kindern und Jugendlichen stehen“. Diese Bedingung erfüllt die Liste sicher nicht. Sieht man von Ausnahmen wie Laurel & Hardy und dem „Dschungelbuch“ ab, handelt es sich überwiegend um Filme für Erwachsene.
Ergänzung für Schulfächer
Ohnehin steht und fällt das Unternehmen mit der Bereitschaft der Lehrer, das Projekt „Filmkanon“ tatkräftig zu unterstützen. Initiator Thomas Krüger, Präsident der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), will deshalb gleich das ganz große Rad drehen: Nicht nur das schulische Curriculum soll sich ändern, um Raum für den Film zu schaffen, sondern auch die Hochschulausbildung. Er betrachtet die Filmvorführungen, die selbstredend in Kinos stattfinden sollen, als Ergänzung für viele Schulfächer. Nun gelte es nur noch, die Stundenpläne entsprechend zu variieren. Tatsächlich scheint die Konferenz der Kultusminister ein offenes Ohr für Krügers Ziel zu haben, den Kinofilm „als wesentliches Element unserer Kultur im Schulunterricht zu verankern“. Wie in anderen europäischen Ländern seit Jahren selbstverständlich, sollen nun auch bei uns die Schüler Grundkenntnisse der Filmgeschichte erlangen.
Die Bundeszentrale hat auf ihrer Internet-Seite (www.bpb.de) ein Diskussionsforum eröffnet. Sämtliche Beiträge sollen bei einer Anhörung im Herbst berücksichtigt werden. Anschließend wird der Kanon endgültig verabschiedet.