Der Bock als Gärtner

Werbung ist überall. Aber wissen Kinder überhaupt, was Werbung ist? Ist ihnen klar, mit welchen Tricks Kaufwünsche geweckt werden sollen? Weil Medienkunde in den Lehrplänen nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird, ist ausgerechnet Kindersender Super RTL nun zur Tat geschritten. Geschäftsführer Claude Schmit, selbst Vater von drei Kindern, hat den Verein „Media Smart“ gegründet. Erste Aktion: ein Projekt mit dem Titel „Augen auf Werbung“.

Natürlich wurde prompt gemutmaßt, hier schwinge sich der Bock zum Gärtner auf: Schließlich lebt Super RTL selbst von Werbung. Partner und damit Finanziers der Kampagne sind überwiegend Hersteller von Produkten, die sich an Kinder richten. „Kommerzielle Sender und erst recht ein Programm wie Super RTL werden von einigen als Teufelswerk betrachtet. Deshalb ist es wichtig zu erklären, wie Werbung im Fernsehen funktioniert“, begegnet Schmit der Skepsis.
Die Schulen haben weniger Berührungsängste, als wohl auch Schmit selbst befürchtet hat: Bereits nach einer Woche gab es über 3.000 Anfragen; die Lehrer loben das Konzept als äußerst schlüssig. Außerdem kostet das in Großbritannien entwickelte und an hiesige Verhältnisse angepasste Projekt keinen Cent.  Erarbeitet wurde es von einer Expertengruppe, der mit Stefan Aufenanger und Norbert Neuß zwei der renommiertesten deutschen Fachleute auf diesem Gebiet angehören. Neuß begrüßt die Aktion vor allem deshalb, weil das Thema Werbung in Grundschulen kaum eine Rolle spiele. „Andererseits wundern sich alle über die mangelnde Kritikfähigkeit der Kinder. Das Arbeitsmaterial besteht aus einer Videokassette, einer dreißigseitigen Begleitbroschüre sowie 12 Arbeitsblättern. Ein Videofilm über ein Geschwisterpaar führt ins Thema ein und stellt dar, wie sehr der Kinderalltag bereits von Werbung durchdrungen ist. In den Unterrichtsmaterialien wird der Inhalt des Films, in dessen Verlauf die Schüler auch mehrere Werbespots gesehen haben, wieder aufgegriffen. Mit Hilfe von Schaubildern lernen sie, wie Werbung funktioniert und wie sie entsteht. Die verschiedenen Medien werden dabei von Figuren repräsentiert, die sich durch die gesamten Unterlagen ziehen. Lehrer können mit dem Material mindestens fünf Doppelstunden gestalten. Für den Entwurf einer eigenen Werbekampagne mit TV- und Radiospots sowie Plakaten sind gar zwei Schultage angesetzt.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »