Der Kampf um den TV-Fußball

Kirch verspricht Milliarden Einnahmen in den nächsten Jahren

Kaum zu glauben: Leo Kirch ist wieder da. Und wie: Mit seiner Vermarktungsfirma Sirius will er die Fußball-Bundesliga zerstückeln und noch profitabler machen. Droht der ARD-„Sportschau“ das Aus?

Kirch garantiert der Liga für die kommenden sechs Jahre drei Milliarden Euro Einnahmen pro Saison, also schlappe 500 Millionen Euro. Das sind rund 20 Prozent mehr, als die Deutsche Fußball-Liga (DFL) in den vergangenen drei Jahren durch den bisherigen Rechtemix von Premiere, ARD, ZDF und dem Deutschen Sportfernsehen (DSF) kassierte. Über die Konditionen, unter denen die Mehrerlöse erzielt werden sollen, wird gestritten. Kirch und die DFL, die 36 Profivereine der ersten und zweiten Bundesliga vertritt, wollen die Ligaspiele künftig als Fertigprodukt anbieten. Im Klartext: Die Vertragspartner liefern Bilder, Moderatoren, selbst die Interviews und Analysen vor und nach den Spielen „aus einer Hand“. Die Erfinder dieser Idee erhoffen sich davon einen größeren Bieterwettbewerb. Eine fertig produzierte Sendung, die den Aufbau einer eigenen Redaktion überflüssig macht, so das Kalkül, könnte mehr Interessenten anlocken und die aus Veranstaltersicht unbefriedigende Erlössituation verbessern. Der Kreis der relevanten Player war nach dem letztjährigen Scheitern von Arena und der bislang eher flauen Akzeptanz der IP-TV-Offerte der Deutschen Telekom im Wesentlichen auf zwei geschrumpft: Auf die ARD für die frei empfangbare „Sportschau“ und Premiere fürs Bezahlfernsehen.

Berichte in eigener Sache

Ob diese Rechnung jedoch aufgeht? Beim Bezahlsender Premiere zeigte man sich zunächst wenig begeistert. Die Übernahme eines fertig produzierten Programms, so die Befürchtung, könne die „Unverwechselbarkeit“ des mit Exklusivität werbenden Programms gefährden. Gravierender erscheinen die Bedenken von Medienmachern und Journalistenverbänden. Die DFL, so wird kritisiert, mutiere nach diesem Modell zur Berichterstatterin in eigener Sache. Eine journalistische Unabhängigkeit sei bei einer solchen Konstellation nicht länger gewährleistet. „Wird, was ein Grottenkick war, künftig nicht nur schön bebildert, sondern aufgrund institutioneller Verquickung von Ereignis und Ereignisnachricht auch grundständig schön geredet“ fragte die FAZ, und der Branchendienst „epd Medien“ legte nach: „Man stelle sich vor, der Deutsche Bundestag würde keine unabhängigen Journalisten mehr einlassen, sondern nur noch fertige Berichte von den Debatten anbieten, die eine von den Parteien produzierte Produktionsgesellschaft herstellt – der Aufschrei wäre gewaltig.“ DFL-Geschäftsführer Christian Seifert wiegelte ab. Keinesfalls sei beabsichtigt, Randaleszenen aus Fankurven auszublenden oder das Produkt auf eine geschönte Berichterstattung zu trimmen.
Dennoch: Die Zulässigkeit des Vorhabens des Tandems DFL/Sirius wird derzeit auf Antrag von Premiere vom Bundeskartellamt geprüft. Das gemeinsame Unternehmen von Kirch und DFL, so argumentiert der Pay-TV-Betreiber, sei letztlich ein Kartell und Monopol, das ausschließlich zur Erzielung maximaler Entgelte für die Fußballübertragungsrechte diene. Da der Preis für die Rechte allein nicht zu steigern sei, werde die Rechtevergabe zwangsweise mit einem vorgefertigten Zusatzprodukt gekoppelt. Dies aber sei ein klarer Verstoß gegen europäisches Kartellrecht. Auf dem Prüfstand der Kartellwächter steht auch das System der Zentralvermarktung. Die TV-Rechte liegen zwar bei den einzelnen Klubs. Diese vermarkten sie jedoch nicht individuell, sondern gebündelt über DFL/Sirius, um die Einnahmen solidarischer zu verteilen.
Wo aber der Wettbewerb über Kartelle beeinträchtigt wird, drohen dem Endverbraucher einschneidende Verschlechterungen. So könnte schon in der nächsten Bundesliga-Saison das Aus für die „Sportschau“ kommen. Der derzeitige Preis von rund 90 Millionen Euro für die sechs Samstagspiele dürfte nicht länger zu halten sein. Wie hoch die ARD bei der Neuverteilung der Rechte mitbieten wird, erscheint unklar. Ebenso unsicher ist, ob es beim bisherigen Sendebeginn um 18:30 Uhr bleibt. Um die Exklusivität seiner Spielberichte am Samstagnachmittag zu erhöhen, drängt Premiere schon seit Jahren auf eine Verschiebung der „Sportschau“ auf den späteren Abend. Die ARD besteht einstweilen auf dem aktuellen familienfreundlichen Termin. Durchschnittlich 5,65 Millionen Zuschauer in dieser Spielzeit seien „ein starkes Argument für den Erhalt der Samstag-„Sportschau“, glaubt ARD-Programmchef Günter Struve, „bei Fußballfans, Vereinen und Sponsoren“. Schon einmal versuchte Sat.1 – damals noch Teil des Kirch-Imperiums – seine Bundesliga-Sendung „ran“ auf Samstag nach 20 Uhr zu verlegen. Und scheiterte jämmerlich. Höchstwahrscheinlich muss sich das fußballbegeisterte Publikum aber zumindest auf eine weitere Zerstückelung des Spieltags einstellen: Freitag zwei Spiele, Samstag vier, Sonntag drei Partien. Das Ganze bei keineswegs einheitlichen Anstoßzeiten. Entsprechende Erfahrungen aus den letzten UEFA-Pokal-Wettbewerben zeigen, dass die Sucht nach dem TV-Fußball bei den Fans des runden Leders bei solcher Zerdehnung des Angebots nicht notwendigerweise einbricht.

 
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