„Die Kunst der Stunde ist Widerstand“

Sanktionen und Proteste bei der österreichischen Filmschau Diagonale

Die Leitung der Diagonale, der jährlichen österreichischen Filmschau, hatte bewusst keinen Politiker als Redner eingeladen; also saß Burgschauspieler und Staatssekretär Morak am Eröffnungsabend stumm im Parterre. Aber die Politik holte die Filmschau gleich ein.

Die steierische Regierung hatte am Morgen den Beschluss über die Auszahlung der Summe für den Großen Diagonale-Preis zurückgestellt! Der SPÖ-Kulturlandesrat war gegen den FPÖVP-Block machtlos. Die Politiker waren über eindeutige Stellungnahmen gegen die Staatsregierung im Katalog der Veranstaltung verärgert. Leitsatz Jörg Haider: „Man beißt nicht die Hand, die einen füttert“ – obwohl rund um „den Futtertrog der Republik“ bloß geknurrt und gebellt wurde. Dieser amtlichen Unmutsäußerung sollten ganz andere zurückschallen.

Kurzfristig war eine Programmreihe eingerichtet worden: „Die Kunst der Stunde ist Widerstand“; die fünf Nachtvorstellungen mit kritischen, witzigen oder militanten Videos hatten Erfolg. Doch nicht jeder Film ab jetzt muss ausdrücklich politisch sein, es gibt auch einen ästhetischen Widerstand, in der Absage z.B. der Gefälligkeit, der Unverbindlichkeit. In Podiumsgesprächen und öffentlichen Diskussionen wurden bislang stille, verschwiegene Fragen erörtert. Die Künstler müssen nun ihren Umgang mit der Macht hellsichtig anblicken, ihr Verhältnis zum Staat überdenken. Denn die ganze Filmbranche ist bedroht. Es heißt, die nötigen Einsparungen im Staatshaushalt betragen 4,5 Prozent; aber die Mittel für die Filmförderung werden um 36 Prozent gekürzt! Was heißt dann „die Hand, die einen füttert“? Geht es um Zensur oder um Sparmaßnahmen?

Neben diesen lauten Überlegungen liefen, zuerst leise, die Ereignisse weiter. Private Sponsoren wollten für die Preissumme haften – und eine verspätete offizielle Auszahlung schien immer wahrscheinlicher. Doch ein unangenehmer Beigeschmack schlich sich ein. So entschied ein Mitglied der IG Medien, das „bittere Unbehagen“ der ausländischen Journalisten in einer Erklärung auszudrücken, damit auch die Anwesenheit der internationalen Presse weder missdeutet noch missbraucht werden konnte: er fand Anklang. Dann ließ die Jury verstehen, sie wolle nicht die Preise in der Grazer Burg, Sitz der steierischen Regierung verkünden. Worauf die Diagonale-Leitung die Preisverleihung von der Burg ins Festivalzentrum verlegte! Somit war ein gut sichtbares Zeichen gesetzt; und es erwies sich, dass ein gemeinsames Vorgehen wohl Erfolg haben kann. Das hob Barbara Albert in ihrem Dankwort zum Großen Preis hervor: „Ich habe das Gefühl, dass, obwohl es im Moment genügend Grund gibt, zu jammern, wir Filmschaffende immer mehr vom Jammern zu berechtigter Kritik und Forderungen übergehen und gerade jetzt gemeinsam mit einer guten Energie etwas wollen.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften.
mehr »