Diskussion über neues Urhebervertragsgesetz in Hamburg

Der Tag hätte kaum besser gewählt sein können: In Berlin stellte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) seine Anzeigenkampagne gegen das geplante neue Urhebervertragsgesetz vor und in Hamburg diskutierten am gleichen Abend auf Initiative der DJU in ver.di die beiden Journalistenverbände mit Bürgerschafts- und Bundestagsabgeordneten von SPD, CDU, Grünen und FDP zum geplanten Entwurf des Urhebervertragsgesetzes.


Einhelliger Tenor am Ende des Abends: Ja, es muss dringend etwas getan werden. Denn, so der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Rolf-Dieter Klooß, die gesetzlich geregelte Vertragsfreiheit existiere schon lange nicht mehr, eher ein Vertragsdiktat, und er zitierte aus Verträgen, die von Verlagen wie beispielsweise dem der „Süddeutschen Zeitung“ verschickt werden: Eine Abtretung der Verwertung sämtlicher Rechte vom Abdruck im Printprodukt bis hin zu Datenbänken, CD-Roms, Mobilfunknetzen, Hörfunk oder Bildschirmtext, ohne dass ein Pfennig mehr Honorar bezahlt werde.

Wer sich dagegen wehre, so der einhellige Beitrag der freien Kollegen und Kolleginnen, „ist draußen.“ Denn im Gegensatz zu den freien Mitarbeitern bei der „Süddeutschen Zeitung“, die sich einem ersten Entwurf des Vertrages bisher erfolgreich entgegenstellen konnten (M berichtete), ist es dem einzelnen freien Journalisten, Grafiker oder Fotograf bei der täglichen Abwicklung seiner Jobs kaum möglich, sich gegen Knebelverträge zu wehren. „Zumal mit der Honorarabrechnung manchmal auch gleich der Knebelvertrag zugesandt wird“, sagte Veronika Mirschel, Referentin für Freie bei verdi. „Nach dem Motto: Friss Vogel oder stirb.“ Ein weiteres großes Problem ist der Artikelklau durch Verleger oder Verwerter. Ein Kollege berichtete von der Datenbank Genios, in der er seine Artikel erst nach kostenpflichtiger Abfrage gefunden hatte, eine andere fand ihren für die deutsche Ausgabe des Readers Digest geschriebenen Artikel in schweizerischen und französischen Ausgaben der Zeitschrift wieder – freilich ohne vorher gefragt, geschweige denn honoriert zu werden. Daher müsse eine Auskunftspflicht der Verwerter her: Jede Verwertung müsse gemeldet werden. Bei den anwesenden Politikern herrschte teilweise Betroffenheit über die Situation der Freischaffenden, sie führte zu dem eher hilflosen Appell, sich doch jetzt an einen Tisch zu setzen und sich zu einigen.

Bereits im August protestierte die Deutsche Journalisten-Union Hamburg in einem Brief an die zwölf Hamburger Bundestagsabgeordneten gegen Versuche der Verleger und privaten Rundfunkveranstalter, das zur 2. Lesung im Bundestag anstehende Gesetz zur Neufassung des Urheberrechts an entscheidenden Punkten zu verwässern. Der Entwurf aus dem Justizministerium, der die „vertragliche Stellung von Urhebern“ stärken soll, sieht u.a. eine „angemessene Vergütung“ für jede Verwertung urheberrechtlich geschützter Produkte vor. Zudem erhalten Urheberinnen endlich ein Auskunftsrecht gegenüber Verwertern. Auch schafft das Gesetz Freien, meist vereinzelt arbeitende Kreativen die Möglichkeit, durch ihre Verbände mit Medienunternehmen allgemein gültige Vergütungsregeln aushandeln zu können.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »