Streit um geplantes Urhebervertragsgesetz spitzt sich zu
BDZV und befreundete Verbände starteten Kampagne gegen das vorgesehene Gesetz: Wieder einmal geht das Abendland unter und Journalistinnen und Journalisten fragen sich besorgt, ob die Redaktion des „Darmstädter Echos“ und andere Lokalzeitungen demnächst ihre Sitze auf die Bahamas verlegen. Derweil funktioniert die innere Pressefreiheit hervorragend – im Sinne der Verleger.
Das Strickmuster ist bekannt: „Dieses Urhebervertragsrecht ist wohl ein Geschenk der Frau Ministerin an die untergegangene IG Medien. Wie ich vom DJV weiß, hat man dort keine so großen Probleme mit Freien, die und die ganzen nebenberuflichen Freien sind bei der IG Medien und die muss man irgendwie zufrieden stellen.“ Der das sagte – Dr. jur. Joachim Sobotta -, war mal Chefredakteur der „Rheinischen Post“, ist jetzt Pensionär und moderierte beim Zeitungskongress des BDZV (17./18. September in Berlin) die Arbeitsgruppe „Urhebervertragsrecht – Eine Gesetzesinitiative mit vielen Fragezeichen“ – Nun, Kollege Sobotta ist schlecht informiert, doch der Versuch der Spaltung lohnt allemal. Schlecht für ihn, dass unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der BDZV-Veranstaltung „gewöhnlich gut informierte Kreise“ vertreten waren.
Elmar Hucko, Leiter der Abteilung Handels- und Wirtschaftsrecht im Bundesjustizministerium, versteht die Aufregung um das geplante Urhebervertragsgesetz nicht: „Dieses Gesetz wurde seit 35 Jahren von allen Bundesregierungen immer wieder angekündigt und jetzt hat es die rot-grüne Regierung auf den Weg gebracht“, so der Ministerialdirektor in der Arbeitsgruppe beim Zeitungskongress des BDZV. Tags zuvor kündigte BDZV-Präsident Helmut Heinen an, mit einer großangelegten Anzeigenkampagne in allen deutschen Tages- und Wochenzeitungen wolle man das Gesetz in letzter Minute zu Fall bringen. Heinen selbst stellt sein künstlerisch verfremdetes Konterfei zur Verfügung und verkündet in den halbseitigen Anzeigen: „Viele freie Mitarbeiter verlieren ihren Job. Was soll daran sozial sein?“
Ursprünglich sollte Bundesinnenminister Otto Schily den Zeitungskongress eröffnen. Wegen aktuellem Krisemanagement musste Justizministerin Herta Däubler-Gmelin einspringen und die konnte sich dann auch in ihrem Grußwort die Bemerkung „ich bin gerne hierher gekommen, zumal ich mich davon überzeugen wollte, Herr Heinen, ob Sie in echt genau so gut ausschauen wie auf Ihrem Anzeigenmotiv“ nicht verkneifen. Zum geplanten Gesetz sagte die Ministerin, es sei „kein unbilliges Verlangen, gerechte Vergütung einzufordern“.
Von „Zwangskollektivierung“ – wie das Gesetz von den Verlegern gebrandmarkt wird – will Däubler-Gmelin auch nichts wissen und macht darauf aufmerksam, dass ihr Entwurf den Verwertern und den Verbänden der Urheber aufgibt, gemeinsam angemessene Honorare zu vereinbaren.
Bei der Diskussion hielt das einige Verleger nicht davon ab, zu giften, mit solcherlei „Zwangsbeglückung“ könnten selbst viele Freie nichts anfangen. Dem hielt Ministerialdirektor Hucko entgegen, zum Schutz der Arbeitnehmer gebe es eine ganze Reihe Gesetze. Weil es für Freiberufler solche Schutzgesetze nicht gebe und sie gegenüber den Verwertern „strukturell unterlegen“ seien, sei das Gesetz notwendig. Zudem befinde sich das Justizministerium derzeit im Dialog mit den Verwerterverbänden: „Wir wollen von der Konfrontation zur Kooperation.“ Das Gesetz, das den Bundestag noch in diesem Jahr verlassen soll, werde anders ausschauen als der jetzt diskutierte Entwurf.
Unterdessen kritisierten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Deutsche Journalistenverband (DJV) die Anzeigenkampagne der Verleger als „Missbrauch ihrer Marktmacht“. Es sei an der Zeit, dass die Verleger „durch das Gesetz zur Beachtung der Rechte ihrer Beschäftigten veranlasst werden, wenn sie sie aus freiem Willen nicht einhalten“, so ver.di-Vizechef Gerd Nies. DJV-Chef Siegfried Weischenberg ergänzt: „Mit dieser kalten Machtausübung setzen die Verleger die Existenz der freien Mitarbeiter aufs Spiel.“ Ein Satz, der in keiner Zeitung, die über die Verlegerkampagne berichtete, zu finden war.
Was den Schluss nahelegt, dass die innere Pressefreiheit im Sinne der Verleger funktioniert: „Die Folgen der Regulierungswut“ titelte der Berliner „Tagesspiegel“ und die hauptstädtische „Morgenpost“ aus dem Hause Springer setzte den griffigen Satz „Es gibt keine Hilfe, die mehr schaden könnte“ über den Beitrag. Weitere Kostproben: „Verleger warnen die Bundesregierung“ via „Bonner Generalanzeiger“ und „Verleger machen Front gegen
Urheberrecht“ im „Handelsblatt“. Die Kritik der Gewerkschaften kam gerade mal in Gestalt von fünf Zeilen in der „Financial Times Deutschland“ vor. Seltsam, dass das Argument, der Medienstandort Deutschland sei in Gefahr und Medienbetriebe drohten mit Abwanderung, nachgebetet wird. So gab es Hans-Peter Bach, Verleger des „Darmstädter Echos“ zu Protokoll. Ob er schon Redaktionsräume auf den Bahamas sucht?
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