ver.di-Jury prämiert finnischen Film über Jugendliche am Rand der Gesellschaft
Das 56. Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK ist Geschichte. Vom 28.Oktober bis 3. November trafen sich wieder Filmemacher und Produzenten aus aller Welt miteinander und mit einem Publikum, das Weltruhm genießt: „Die Atmosphäre in Leipzig ist unvergleichlich. Die Menschen sind begeistert und geradezu dokverrückt, dabei sehr wach, kompetent und kritisch“, so die renommierte russische Filmemacherin Marina Razbezhkina. Sie war bereits Jurymitglied bei der DOK und präsentierte in diesem Jahr ihren neuen Film im Internationalen Wettbewerb. Ein junger libanesischer Kameramann meinte: „This is simply DOKmania – the audience in Leipzig is great!“
Großartig in diesem Jahr ebenso die zwölf Filme, die die Auswahlkommission in den Internationalen Wettbewerb schickte. Da gab es die epische Ausleuchtung der russischen Seele im Film „Optical Axis“ von der oben genannten Regisseurin. Ein wahres Strahlen hatte „Joanna“ von der Polin Aneta Kopacz, die in ihrem Film den Abschied einer jungen krebskranken Frau vom Leben und vor allem von ihrem kleinen Sohn dokumentiert.
Ein eindrückliches filmisches Ganzes. Die Wahl der sechsköpfigen ver.di-Jury um Sprecher Jürgen Kautz fiel jedoch auf den finnischen Film von Virpi Suutari „Hilton! – Here For Life“ – eine harte und dennoch mit viel Empathie gezeichnete Studie einer Gruppe gestrandeter Jugendlicher in Helsinki. „Ruhig und entschieden begleitet der Film eine Gruppe junger Finnen, die zwischen ungeöffneten Rechnungen und selbstgestopften Zigaretten hoffnungslos in den Tag hinein leben. Angeregt durch die Aufmerksamkeit der intelligent eingesetzten Kamera wird ihnen ihre Situation allmählich bewusst. Ansätze von gemeinsam gestaltetem Leben entstehen. Der Gesang der Protagonistin Mira verwebt die Episoden zu einem eindrücklichen filmischen Ganzen, das wir für dringend preiswürdig halten“, so die Begründung der Jury bei der Übergabe des mit 2.500 Euro dotierten ver.di-Preises.
Den Hauptpreis, die mit 10.000 Euro dotierte „Goldene Taube“ für den besten Dokumentarfilm im Internationalen Wettbewerb ging an Regisseur Roberto Minervini für den Film „Stop the Pounding Heart“. Stellvertretend für den Regisseur nahm die Protagonistin Sara Carlson den vom MDR gestifteten Preis von Intendantin Karola Wille entgegen.
Erstmals wurde ein bislang weltweit einmaliger Preis für den besten animierten Dokumentarfilm, eine relativ neue Hybridform, vergeben. Mit dieser Goldenen Taube (3.000 Euro) wurde Daniela De Felice für die französische Produktion „Casa“ ausgezeichnet.
Die Summe der Preisgelder fiel mit 69.500 Euro um fast 10.000 Euro niedriger aus als im letzten Jahr. Das aber schien absolut keinen Einfluss auf die Qualität der eingereichten Filme zu haben. Insgesamt wurden bei der 56. Auflage des 1955 gegründeten Festivals 346 Filme aus 57 Ländern gezeigt, eine Auswahl aus den 2.240 eingesandten Filmen aus 114 Ländern. Eindrucksvoll auch die Anzahl von 24 Welt-, 24 internationalen, sieben europäischen und 47 deutschen Premieren.
Neben den fünf Wettbewerben präsentierte DOK Leipzig Sonderprogramme wie den Länderfokus Brasilien „Notizen aus dem Land der Zukunft“, die Retrospektive „Sturm! Durch das kurze 20. Jahrhundert in acht Massenbewegungen“ sowie „Film Unlimited“, eine Reise in die Zeit, bevor Dokumentar- und Animationsfilm unterschieden wurden. Die Hommagen waren der afrikanischen Animationsfilmemacherin Wendy Morris, dem für seine radikalen Selbstversuche berühmten Schweizer Filmemacher Peter Liechti sowie dem Brecht-Schüler Peter Voigt gewidmet.
Kinos komplett ausgelastet. Einen wahren Run gab es wieder auf die DEFA-Matinee, in der diesmal unter dem Motto „Bauschelastisch, formbeständig. Der DDR-Film im Zeichen des textilen Fortschritts“ Dokumentarfilme (u.a. von Gitta Nickel) über die Textilproduktion in der DDR sowie legendäre animierte Werbespots gezeigt wurden. Anziehungspunkt für die Jüngsten war das Animations- und Dokumentarfilmprogramm „Kids DOK“. Kein Wunder, dass die Zuschauerzahl von knapp 40.000 mittlerweile kaum noch zu toppen ist, weil die Festivalkinos komplett ausgelastet sind.
Neben den rund 200 Filmemacher/innen kamen über 1.700 Fachbesucher nach Leipzig – ein neuer Rekord, der den Erfolg der spezifischen Branchenangebote untermauert. So war u.a. das Fachprogramm „Cross Media Hands On“ zu transmedialen Arbeitsweisen und der Zukunft der Medien bestens besucht. Das DOK Leipzig Net Lab vernetzt Transmedia-Produzenten und befördert neue Projekte. In Cross Media Screenings stellen Regisseure, Web-Entwickler und Produzenten dem breiten Festivalpublikum ihre herausragenden cross-medialen Arbeiten vor.
www.dok-leipzig.de