Amtlich legitimierter Bundeseinheitlicher Presseausweis fehlt seit 2009
Der letzten „M“ lag der Antrag für den Presseausweis 2013 bei. Man kann ihn auch im Netz auf den dju-Seiten herunter laden und ausgefüllt in den ver.di-Bezirks-/ bzw. Fachbereichsbüros abgeben oder hinschicken. Wer einen Presseausweis beantragt, muss nachweisen, dass er/sie hauptberuflich journalistisch arbeitet.
Diese Abfrage organisieren die deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, der Deutsche Journalistenverband (DJV), der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Freelens – der Verein der Fotojournalisten und der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) als die Verbände, die den bundeseinheitlichen Presseausweis ausstellen. Bis 2008 trug der gemeinsame Ausweis der großen Verbände das Signum des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz und den Vermerk auf der Rückseite: „Der Presseausweis legitimiert den Ausweisinhaber, sich innerhalb behördlicher Absperrungen zur aktuellen Berichterstattung aufzuhalten.“ Für Polizisten war klar: Wer so einen Ausweis hat, ist wirklich Journalist und darf durch.
Innenminister stiegen aus
Am 7. Dezember 2007 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK), dass Presseausweise ab 2009 nicht mehr die Autorisierung der Innenminister auf der Rückseite tragen dürfen. Als offizielle Begründung dafür wurde angegeben, dass sich die traditionell Presseausweise ausstellenden „Altverbände“ dju, DJV, BDZV und VDZ nicht mit „Anwärterverbänden“ auf gemeinsame Kriterien einigen konnten. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, die IMK wollte sich einen „Klotz am Bein“ vom Leibe schaffen.
Seit 2009 lautet die Formulierung auf der Rückseite des Presseausweises: „Institutionen und Unternehmen werden gebeten, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“ Der feine Unterschied zu vorher: Es ist lediglich eine Bitte formuliert, eine behördlich erteilte Legitimation ist dies nicht mehr.
Journalist ist keine geschützte Berufsbezeichnung – und der Besitz irgendeines Presseausweises kein Merkmal für einen professionellen Berichterstatter. Gibt man in einer Internet-Suchmaschine die Stichwörter „Presseausweis kaufen“ ein, erscheinen zahlreiche Links – die wenigsten führen zu seriösen Verbänden. Und ginge es nach einigen selbst ernannten Presseausweis-Ausstellern, würde das Arbeitsmittel für professionelle Medienschaffende zum „Spaßlappen“ für Sensationslustige mutieren. dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß betont: „Journalistinnen und Journalisten brauchen den Presseausweis, um ihre Arbeit zu tun. Sie übernehmen damit eine besondere Verantwortung und brauchen freien Zugang zu Informationen und Orten, an denen etwas passiert, um sich ein eigenes Bild zu machen.“ Das träfe auf andere – wenn auch noch so medieninteressierte – Bevölkerungsgruppen nicht zu. Deshalb dürfe das Arbeitsmittel für hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten nicht zum „Grabbeltisch-Angebot“ für jedermann verkommen, so Haß.
Schnäppchenpreise
Das NDR-Medienmagazin ZAPP hatte das Thema in einem Ende August gesendeten Beitrag aufgegriffen und u.a. beim „Deutschen Presse Institut“ nachgefragt, das sich selbst als „Piraten der Presse“ bezeichnet und eigens gebastelte „Presseausweise“ zum Schnäppchenpreis von 39,90 Euro vertickt. „Die Hürde für das Erlangen eines Presseausweises liegt viel zu hoch“, meinte Vermögensverwalter Andre Müller, Initiator des „Instituts“, gegenüber ZAPP. Der „Presseausweis“ sei auch für „Abenteuerlustige und VIPs“ gedacht, schließlich würde fast jeder Schüler täglich bei Facebook posten und damit journalistisch tätig werden. Mit dem Lock-Angebot sollen „Interessenten“ – meist eben keine professionellen Journalisten – an das dubiose „Institut“ gebunden werden. Ein „Geschäftsmodell“ sei noch in Arbeit, so Müller. Kein Problem, lässt sich doch in der Zwischenzeit mit den „Presseausweisen“ schon mal prima Geld verdienen. Auch bei der Polizei führt die Presseausweis-Schwemme für Möchtegern-Journalisten und Neugierige zu Problemen. Sollen die Ordnungshüter bei derartigen Ausweisen Arbeitsproben von Journalisten bewerten und dann entscheiden, was Journalismus ist und was nicht?
Unsicherheit bei Behörden wächst
Die Arbeit von Behörden wird durch die fragwürdige Presseausweis-Praxis ebenso erschwert wie die von professionellen Journalisten: Wiebke Henning, Pressesprecherin der Polizei Lüneburg, beklagt im ZAPP-Beitrag die Unsicherheiten seit Wegfall des früheren bundeseinheitlichen Presseausweises. Unter anderem bestünde bei Ereignissen wie z.B. dem Castor-Transport die Gefahr, dass sich hunderte Leute „so ein Ding kaufen, das bei uns einreichen, mit der Akkreditierung durch die Absperrungen kommen und vielleicht eigene Aktionen starten. Es wäre wünschenswert, Journalisten wieder ein verlässliches Dokument in die Hand zu geben“, so die Polizeisprecherin. Auch Oliver Platzer, der Sprecher des Bayerischen Innenministeriums, spricht sich gegenüber ZAPP ausdrücklich für die Wiedereinführung des amtlich legitimierten bundeseinheitlichen Presseausweises aus. Nun müssten die anderen Innenminister nachziehen. „Da arbeiten wir dran“, sagt Cornelia Haß und fügt hinzu: Bis zur Umsetzung würde die unproblematische Anerkennung des von den sechs Verbänden ausgestellten Ausweises die Arbeit erleichtern. „Aussehen, Kriterien und Sicherheitsmerkmale sind der Polizei bekannt.“
Ansehen!
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/medien_politik_wirtschaft/presseausweise101.html
(gesendet am 29.08.2012 um 23.20 Uhr im NDR-Medienmagazin ZAPP)