Eine Milliarde Überschuss

Der Rundfunkbeitrag könnte zum ersten Mal sinken

Dank der Umstellung auf das neue Beitragssystem werden ARD und ZDF bis zum Ende der aktuellen Beitragsperiode deutlich mehr Geld einnehmen, als sie eigentlich brauchen. Als Bedarf für die Jahre 2013 bis 2016 hatten die Sender gut 29,5 Milliarden Euro angemeldet. Weil aber seit letztem Jahr vor allem Wirtschaftsunternehmen deutlich höhere Beiträge zahlen müssen, werden die tatsächlichen Einnahmen voraussichtlich 30,8 Milliarden Euro betragen. Unterm Strich wird mit einem Überschuss von mehr als einer Milliarde Euro gerechnet.

Der neue Rundfunkbeitrag

Was zunächst wie eine gute Nachricht für die Sender wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als Problem: Als öffentlich-rechtliche Einrichtungen dürfen ARD, ZDF und Deutschlandradio keine Überschüsse erzielen. Brauchen könnten sie das Geld durchaus; schon jetzt haben mehrere ARD-Anstalten angekündigt, dass sie für 2014 mit Fehlbeträgen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe rechnen. Die rechtlichen Vorgaben lassen jedoch keinen Spielraum: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) darf ARD, ZDF, Deutschlandradio und Arte nicht mehr Geld bewilligen, als die Sender an Bedarf gemeldet haben. Aus Sicht der Kommission gibt es daher nur eine Möglichkeit: In ihrem Entwurf für den 19. KEF-Bericht steht die Empfehlung, die Haushaltsabgabe in den Jahren 2015 und 2016 um 73 Cent pro Monat zu senken.
Angesichts eines Beitrags von dann immer noch 17,25 Euro mag das eine überschaubare Senkung sein, doch der Akt wäre von einer nicht zu unterschätzenden Symbolik; immerhin sind die Rundfunkgebühren seit Gründung der ARD im Jahr 1950 beständig gestiegen. Der KEF-Bericht ist Grundlage für die Entscheidung der Länder, die den Empfehlungen der Kommission in der Regel folgen. Mit der Beitragssenkung wäre allerdings nur die Hälfte der errechneten Mehreinnahmen verplant. Die zweite Hälfte möchten die Mitglieder der Kommission gern auf die hohe Kante legen: „wegen der Unsicherheit der Datenlage“. Dies sei auch aus strukturellen Gründen notwendig, um einen möglichen Anstieg des Rundfunkbeitrags in der nächsten Periode ab 2017 zu glätten.

Geld für Programmqualität.

Es gibt aber auch andere Vorschläge. Die Allianz der Film- und Fernsehproduzenten zum Beispiel würde das Geld gern ins Programm investieren, um „an frühere Qualitätsstandards“ anzuknüpfen. Auf diese Weise könne die „konkret drohende Verarmung des audiovisuellen Schaffens in Deutschland“ verhindert werden. Derzeit könnten deutsche Produktionen in der Konkurrenz um Aufmerksamkeit und Begeisterung des Publikums kaum noch gegen Serienimporte aus den USA bestehen: Während in den führenden ausländischen Märkten „realistische Budgets“ zur Verfügung stünden, würden hierzulande selbst beim „Tatort“ die Preise fallen. Den Verantwortlichen bei RTL und Sat.1 muss diese Forderung allerdings wie ein glatter Affront vorkommen. Seit seinem Bestehen betreibt der Interessenverband der Privatsender (VPRT) emsige Lobbyarbeit gegen die öffentlich-rechtliche Alimentierung durch die so genannten Zwangsgebühren. Beim VPRT sähe man es lieber, wenn ARD und ZDF auf Werbung verzichteten, selbstredend in der Hoffnung, dass der Anteil am Werbekuchen für RTL & Co. dann größer werde.
Theoretisch ist es allerdings nach wie vor möglich, dass sich der ganze schöne Beitragssegen am Ende in Luft auflöst, und zwar keineswegs aufgrund von fehlerhaften Berechnungen: Es sind mehrere Klagen gegen die Haushaltsabgabe anhängig. Das reformierte Modell sollte vor allem für Vereinfachung und Gerechtigkeit sorgen, weil seit Anfang 2013 nicht mehr interessiert, wie viele Einkommensempfänger und Rundfunkempfangsgeräte sich hinter einer Wohnungstür verbergen. Pro Haushalt müssen seither 17,98 Euro im Moment entrichtet werden. Wer bloß ein Radio oder einen internetfähigen Computer besitzt, brauchte bis zum vorigen Jahr nur 5,76 Euro pro Monat zahlen. Behinderte sind nicht länger von der Rundfunkgebühr befreit, da Befreiungen nur noch aus wirtschaftlichen Gründen möglich sind. Der Überschuss dürfte jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass einige Firmen deutlich stärker als früher zur Kasse gebeten worden sind, allen voran Unternehmen mit vielen Filialen. Die Drogeriekette Rossmann zum Beispiel muss mit rund 200.000 Euro fünfmal so viel bezahlen wie noch 2012, Mitbewerber dm dreimal so viel (266.000 Euro).
Sollten die Länder der KEF-Empfehlung folgen, hätten die betroffenen Unternehmen nicht ganz zu Unrecht das Gefühl, die vermeintliche Beitragsgerechtigkeit gehe auf ihre Kosten. Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, plädiert deshalb dafür, diejenigen zu entlasten, „die überproportionale Kostensteigerungen zu verzeichnen haben“, also die Wirtschaft.
Auch ver.di will daher genau prüfen. „Was wir jetzt nicht brauchen, sind Schnellschüsse, wie die Mehreinnahmen am besten zu verteilen sind“, sagt Frank Werneke, stellvertretender Vorsitzender. Stattdessen müsse das neue Beitragssystem wie vorgesehen zunächst evaluiert und dann dort nachgesteuert werden, wo mögliche Ungerechtigkeiten im System liegen. Aber: „Langfristig ist natürlich nichts gegen Beitragssenkungen einzuwenden, solange das System stabil finanziert ist.“ Die endgültige Entscheidung über die Mehreinnahmen fällt im März beim Treffen von Vertretern der Rundfunkanstalten und der Rundfunkkommission der Länder.

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