Erhalten statt Abschalten

Thesen zur Zukunft von ARD und ZDF – Bestand und Entwicklung für alle Rundfunkanstalten

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit ARD und ZDF ist ebenso unverzichtbar als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung wie zur Gewährleistung der Informations- und Meinungsfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger unserer demokratischen Gesellschaft. Ein Anschlag auf die ARD und insbesondere ihre kleineren Rundfunkanstalten, die den Föderalismus der BRD widerspiegeln, ist deshalb ein Angriff auf die Grundlagen der demokratischen Informationsfreiheit und -vielfalt. Die höchstrichterlich garantierte Bestands- und Entwicklungsgarantie muß für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelten. Dies bedeutet auch, daß dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für seine Existenz in der digitalen Medienwelt eine angemessene, zusätzliche Rundfunkgebührenerhöhung zugestanden wird.

Finanzausgleich sicherstellen

Der geplante Wegfall des Finanzausgleich (SFB) oder seine drastische Reduzierung (Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk) gefährdet die Existenz der kleinen Rundfunkanstalten. Schon jetzt sind in den betroffenen Sendern drastische Einschnitte in Programm und Personal geplant. Eine Reduzierung oder Streichung des Finanzausgleichs wird in den kleinen Anstalten einen weiteren Stellenabbau zur Folge haben. Damit gehen in diesen Ländern anspruchsvolle und zukunftsfähige Beschäftigungsverhältnisse verloren. Die kleinen Anstalten tragen ebenso wie die großen Sender zur kulturellen und programmlichen Vielfalt der „Gesamtveranstaltung“ Rundfunk bei. Der
Finanzausgleich darf deshalb nicht abgeschafft, er muß weiterentwickelt werden. Alle, auch die kleinen Anstalten müssen bedarfsgerecht finanziert werden.

Inzwischen liegt ein Gutachten des Rundfunkrechtlers Dieter Dörr vor, der aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz die Pflicht ableitet, auch kleine Rundfunkanstalten wie den SFB, Radio Bremen, den Saarländischen Rundfunk und den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) bedarfsgerecht zu finanzieren.

Umfassende Grundversorgung statt eingeschränkter Funktionsauftrag

Die Bestrebungen privat-kommerzieller Rundfunkveranstalter und ihrer politischen Freunde den öffentlich-rechtlicher Rundfunk in seinem Bestand anzugreifen und seine Entwicklungsfähigkeit zu beschneiden lassen nicht nach. Die von ihnen mit wissenschaftlicher Unterstützung angestoßene Debatte um einen Funktionsauftrag von ARD und ZDF dient dazu, die vom Bundesverfassungs-gericht als dynamisch bestimmte Grundversorgung durch das Korsett eines auf spezifische Funktionen begrenzten Programmauftrags zu ersetzen. Diese Umarmungsstrategie ist ein
Strangulierungsversuch und muß zurückgewiesen werden. Die umfassende Grundversorgung, zu der auch Sport, Unterhaltung und Spielfilme gehören, muß beibehalten werden.

Volle Teilhabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der digitalen Entwicklung

Zur Erfüllung seines gesellschaftlichen Auftrags muß der öffentlich-rechtliche Rundfunk voll an der Entwicklung zum digitalen Rundfunk teilnehmen können. Deshalb ist sicherzustellen bzw. zu gewährleisten:

  • der offene, diskriminierungsfreie Zugang für alle Nutzer über Programmführer und Decoder zu Rundfunkprogrammen und Fernsehdiensten;
  • der über alle technischen Verbreitungsformen (Äther, Satellit, Kabel, Telefon- und Stromleitungen) ungehinderte digitale Empfang. Sicherzustellen ist ebenfalls, daß für einen notwendigen Über-gangszeitraum auch der status quo bei der analogen Übertragung gewährleistet bleibt;
  • die Möglichkeit, im Digital-TV diskriminierungsfrei menügesteuerte Programmpakete anzubieten.

In diesen Bouquets können auch neue Interessengruppen- bzw. themenorientierte Programme und Online-Dienste enthalten sein, die das Kernprogramm abrunden, erläutern, ergänzen und vertiefen;

  • die für alle Länder verbindliche, einheitliche Verbreitung für die Programm-Bouquets, über deren Inhalte der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst bestimmt;
  • dass bisherige analoge Dienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (wie z. B. Videotext)
  • inhaltlich in digitale Verbreitungsform überführt werden können.

Qualität statt Quote

Unbestritten ist ein spezifischer Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hierzu gehört auch ein Programm, daß für große Zuschauermassen gleichermaßen unterhaltsam und attraktiv ist; insofern sind Einschaltquoten ein wichtiger Gradmesser. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird auf Dauer aber nur Bestand haben, wenn er in allen Teilen seines Gesamtprogramms
Qualität bietet. Hierfür auch in Zukunft Sorge zu tragen, ist Aufgabe der Programmverantwort-lichen aber insbesondere auch der Rundfunk-gremien.

Qualifizierte Arbeitsplätze

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sichert und schafft hochqualifizierte Arbeitsplätze. Bundesweit
arbeiten rund 60.000 feste und freie Beschäftigte direkt für die Sender. Hinzu kommen viele
Beschäftigte für Auftragsproduktionen und vor allem Künstlerinnen und Künstler aller Kunstrichtungen, die von Aufträgen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk leben. Wer die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Fusionen oder Schließung von Sendern zerstört sowie Programme nur noch nach Einschaltquoten plant und damit den Kulturauftrag vernachlässigt, vernichtet nicht nur Existenzgrundlagen von Medienschaffenden, Künstlerinnen und Künstlern, sondern auch ein Stück Arbeitsmarkt und Kulturgut in Deutschland und seinen Regionen.

Anforderung an die Ministerpräsidenten

Der Medienpolitik und in erster Linie den Ministerpräsidenten der Länder fällt die Aufgabe zu, die volle Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erhalten und für die Zukunft sicherzustellen. Sie müssen sich schützend vor ihn stellen und Angriffe gleich von welcher Seite entschieden zurückweisen. Sie müssen ihn insbesondere vor vordergründig marktwirtschaftlichen Interessen schützen, denn öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist mehr als nur eine Dienstleistung.


 

IG Medien Hauptvorstand,
Stuttgart im Oktober 1999

V.i.S.d.P Heinrich Bleicher-Nagelsmann,
Postfach 10 24 51, 70020 Stuttgart

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »

Presserat berät über Döpfner-Leaks

Die Springer-Berichterstattung der vergangenen Wochen beschäftigt den Deutschen Presserat. Gleich zwei Fälle, die im Zusammenhang mit dem Springer-Verlag und der Bild-Zeitung stehen, muss der Presserat auf seiner nächsten Sitzung am 15. Juni 2023 behandeln. Grundlage für die Verfahren sind Beschwerden über die "Berliner Zeitung" und die "Zeit", die beim Presserat eingegangen sind. Beide Publikationen sollen den Pressekodex verletzt haben: Die "Zeit" den Persönlichkeitsschutz und die "Berliner Zeitung" den Informantenschutz.
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »

Rote Karte gegen Kahlschlag bei der DW

Beschäftigte der Deutschen Welle (DW) protestierten am Tag der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Welle in Berlin gegen den geplanten Personalabbau und die Umstrukturierung in zentralen Bereichen des öffentlich-rechtlichen Auslandsenders mit Standorten in Bonn und Berlin. 250 folgten dem Aufruf von ver.di im Bündnis mit den Personalräten des Medienkonzerns zu einem Fahrradkorso vom Sender zum Kundgebungsort am Pariser Platz.
mehr »