Rotgrün einigt sich auf einen Koalitionskompromiss zur Pressefusionskontrolle
Auch Gesetze gründen auf dem berüchtigten Kleingedruckten. Und darauf kommt es letztlich an. Das gilt besonders für die Neuregelung der Pressefusionskontrolle, auf die sich nach langen Verhandlungen SPD und Grüne geeinigt haben. Zu flink waren die Kommentatoren, die nun auch den Zeitungsdeal in Berlin (Der Tagesspiegel und Berliner Zeitung) in trockenen Tüchern wähnten.
Bei allen gravierenden Verschlechterungen, die der jetzige Gesetzentwurf mit sich bringt, haben die Medienkonzerne und Großverlage ihr strategisches Ziel deutlich verfehlt – sie haben es weiterhin mit dem Kartellamt zu tun, nicht nur beim Kauf von Zeitungen und Verlagen, sondern auch bei Kooperationen im Anzeigen-, Vertriebs- und Druckbereich. Nimmt man sich noch einmal die ersten Entwürfe aus dem Hause Clement vor, kann man sogar von einer regelrechten Bauchlandung sprechen. Die von Clement betriebene „Lex Holtzbrinck“ ist an sich selbst gescheitert. Ausgezahlt hat sich darin die beharrliche Kritik insbesondere der Gewerkschaften (ver.di und DJV) und der Abgeordneten aus der Grünen-Bundestagsfraktion.
Das mindert nicht die erheblichen Verschlechterungen, die der Gesetzentwurf mit sich bringen wird. Die Zahl der Verlage, die Käufe gar nicht mehr vom Kartellamt genehmigen müssen, nimmt durch die Erhöhung der so genannten „Aufgreifschwelle“ deutlich zu. Und mit der „Bagatellklausel“ können nun kleine Verlage (mit weniger als 2 Millionen Umsatz) von allen gekauft werden. Auch die Neuregelung von Kooperationen hat es in sich. Diese sind auf jeweils fünf Zeitungen beschränkt und haben zur Bedingung, dass mindestens eine der Zeitungen nur durch diese Kooperation ihre wirtschaftliche Basis langfristig sichern kann. Kooperationen können auch Gemeinschaftsunternehmen sein. Diese müssen jedoch strikt von den Redaktionen getrennt bleiben. So sind gemeinsame Anzeigen-, Vertriebs- und Druckunternehmen möglich, sofern die wirtschaftliche Erforderlichkeit nachgewiesen werden kann. Die Begrenzung auf fünf Zeitungen gilt nur für den jeweiligen Markt, in der Hauptsache also regionale Märkte. Das heißt, Großverlage sind im Vorteil, denn sie können auf dieser BASIS überall mit Zeitungen Kooperationen gründen.
Informationen
Am 9. März ist die Neuregelung zur Pressefusionskontrolle Thema im Wirtschaftsausschuss. Am 11. März wird sie im Plenum des Bundestages zur Abstimmung gestellt. Am 28.April soll dann der Bundesrat beschließen. Informationen zur Pressefusionskontrolle und dem jeweils aktuellen Stand der Gesetzentwürfe unter www.verdi-verlage.de
Doch auch diese Kooperationen sind genehmigungspflichtig. Was nun das Kartellamt zu berücksichtigen hat und was es berücksichtigen kann, steht im Kleingedruckten – der Begründung des Gesetzentwurfs. Hier gibt es neben den üblichen Indikatoren wie Rückgang im Anzeigengeschäft, aber auch dem Verhältnis von Anzeigen- und Vertriebserlösen einer Zeitung, zwei „Kann“-Bestimmungen, die es in sich haben: Das Kartellamt kann nämlich die wirtschaftliche Lage des gesamten Unternehmens berücksichtigen und darüber hinaus auch Alternativen, die den Wettbewerb weniger begrenzen.
Auf den Berliner Fall übertragen heißt das: Zunächst müsste Holtzbrinck erneut den Weg zum Kartellamt antreten. Dem Gesetz entsprechend könnte es einen Plan vorlegen, wonach der Tagesspiegel-Verlag und der Berliner Verlag nur noch auf die Redaktionsbereiche reduziert werden. Vertrieb und Anzeigen würden in ein Gemeinschaftsunternehmen überführt, womöglich auch eine Druckkooperation gegründet werden. Findet sich für einen der beiden Verlage dann noch ein Käufer, wäre die Sache dem Gesetz nach komplett – wenn das Kartellamt nicht wäre. Denn der Gesetzentwurf hat an den weit gefassten Befugnissen des Kartellamtes nichts geändert. Hat das Kartellamt nicht schon festgestellt, dass Der Tagesspiegel als eigenständiger Verlag langfristig überlebensfähig ist? Und gab es nicht einen potenten Anbieter (Heinz Bauer), der zudem langfristige Bestandsgarantien für den Tagesspiegel zugesichert hat?
Als Teil der gesamten Kartellrechtsnovelle muss der Entwurf der Koalition nicht nur den Bundestag, sondern auch den Bundesrat passieren. Da aber insbesondere die unabhängigen Zeitungsverlage bei der CDU und CSU eine starke Lobby haben, dürften die Großverlage kaum noch auf weitere Teilerfolge hoffen. Der Gesetzentwurf sieht eine zeitliche Befristung auf fünf Jahre vor. Aber schon Ende 2007 muss die Bundesregierung einen Bericht zur laufenden Praxis der Neuregelung vorlegen. Dieser wird dann vom Bundestag geprüft. Das ist eine Neuheit im Printbereich: Konzentrationsprozesse werden nun zum Thema im politischen Raum. Wenigstens besteht so die Chance, dass den Medienkonzernen mehr als bisher auf die Finger geschaut wird – und nichts ist ihnen unangenehmer als derart in die Öffentlichkeit zu geraten.
Diese Öffentlichkeit wird herzustellen sein – nicht zuletzt durch ver.di, gemeinsam mit anderen Bündnispartnern. Wenn es jemals eine Chance gegeben hat, die Printmedien dauerhaft zu einem medienpolitischen Thema zu machen, dann jetzt. Es bleibt spannend, bleiben wir dran!