Eskalation im RBB

Runder Tisch soll die Wogen glätten

Wer Kritik übt, fliegt. Auf diese schlichte Formel lässt sich die gegenwärtige Linie der Personalpolitik im RBB bringen. Jüngstes Beispiel für die plumpe Methode, sich unbequemer kritischer Mitarbeiter zu entledigen, ist die Nichtverlängerung des Rahmenvertrags von Abendschaumoderator Jan Lerch.

Obwohl er schon im Dienstplan stand, darf Jan Lerch, freier Mitarbeiter der Abendschau, seit Anfang Januar nicht mehr moderieren. Das Landesarbeitsgericht Berlin wies am 5. Januar in zweiter Instanz den Anspruch des 38-jährigen Moderators zurück. „Ich bin über die Entscheidung überrascht“, sagt Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der Lerch vertreten hat. Auch die Tatsache, dass Jan Lerch als Freienvertreter im Redakteursausschuss saß, sei für das Gericht nicht relevant gewesen. Ein Schutz bestehe demnach nur solange, wie ein Arbeitsverhältnis existiert. Wenn der Sender – auch kurzfristig – den Rahmenvertrag nicht verlängert, sei kein Arbeitsverhältnis und damit auch kein Schutz mehr gegeben. „Im Ergebnis kann ein freier Mitarbeiter, der sich in den Redakteurssausschuss wählen lässt, nicht darauf vertrauen, für sein Engagement nicht gemaßregelt zu werden“, lautet Eisenbergs Kommentar. Im Grunde könne man allen freien Mitarbeitern daher nur raten, Gremien wie den Redakteursausschuss fluchtartig zu verlassen.

Die angegebenen Gründe für Lerchs Entlassung waren eher vage. Der Vorwurf lautete, er sei gegenüber dem Sender illoyal und mache den RBB bei Dritten schlecht. Mit einem Unterlassungsbegehren beim Landgericht konnte der so Beschuldigte jedoch noch im Dezember erreichen, dass der Sender nicht mehr verbreiten darf, seine Entfernung vom Bildschirm habe nichts mit seinem Engagement als Freienvertreter zu tun. Lerch dazu sarkastisch: „Dass ich keine silbernen Löffel geklaut habe, ist also amtlich festgestellt“. Seine Arbeit bringt ihm das freilich nicht zurück.

Seitdem Petra Lidschreiber, Chefredakteurin des RBB-Fernsehens, am 3. Dezember Lerchs Rauswurf verkündete, ist am Sender buchstäblich der Teufel los. Feste wie Freie sind in Alarmstimmung, ein enormes, auch überregionales Medieninteresse begleitet die Vorgänge, aufgebrachte Zuschauer protestierten. Auf einer Versammlung am 9. Dezember, zu der rund 500 feste und freie Mitarbeiter kamen, beschrieb Hanne Daum, Personalratsvorsitzende RBB, die Situation als Geschichte einer Eskalation. „Alle Gremien des RBB sind über das Vorgehen der Geschäftsleitung empört“, sagte sie.

Kritiker unerwünscht

Entsetzt bot sich der ebenfalls anwesende ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske als Vermittler an, der im Gespräch mit Intendantin Dagmar Reim Kompromisslösungen suchen wollte. Bsirske bezeichnete die Handlung der Geschäftsleitung als tiefen Eingriff in demokratische Rechte, bei dem es um das Ansehen des Senders und des ganzen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland ginge: „Wir haben uns nicht für Gebührenerhöhungen eingesetzt, damit die Grundrechte der Koalitions- und der Meinungsfreiheit den Bach runter gehen“. Neben dem Personalrat und der Freienvertretung rbbpro hat auch der Redakteursausschuss das Moderationsverbot scharf verurteilt. In seiner Erklärung heißt es, dass die Geschäftsleitung im ohnehin angespannten innerbetrieblichen Klima Öl ins Feuer gieße und das Gremium brüskiere. Man solle endlich zu sachlicher Auseinandersetzung kommen.

Die Jagd auf freie Mitarbeiter, die es wagen, den Mund aufzumachen, begann bereits im Sommer 2004, als dem Nachrichtenredakteur Jürgen Schäfer mitgeteilt wurde, dass sein Vertrag 2005 nicht verlängert würde. Offizielle Begründung: veränderte Produktionsstrukturen. Schäfer hatte als Sprecher von rbbpro und als ver.di-Freienvertreter kein offenes Wort gescheut und war so ins Visier der Intendanz geraten. Der freie Medienjournalist und Kulturradio-Mitarbeiter Günter Herkel hat sich kritisch über das Programm geäußert und wird nicht mehr beschäftigt.

Fast einstimmig wurde am 9. Dezember eine Resolution beschlossen. Darin wird die Einrichtung eines runden Tisches mit allen Beteiligten, die Anerkennung von rbbpro als Freienvertretung und die Rücknahme der Entlassungen von Jan Lerch und Jürgen Schäfer gefordert. Weiterer wichtiger Punkt ist die Fortsetzung der Tarifverhandlungen, die im Zuge von Schäfers Rauswurf abgebrochen wurden. Die Beschäftigtenvertreter wehren sich dagegen, dass ein Mitglied der Tarifkommission wegen seines Engagements aussortiert werden soll.

Der Rundfunkrat als gesellschaftliche Kontrollinstanz des Senders stärkt die Position der Geschäftsleitung: Auf einer Sitzung Mitte Dezember durften die Freien nicht sprechen; die Intendantin muss weder von ihrem Sparkurs noch von der Dienstanweisung abrücken. Immerhin erging die Mahnung an Reim und ihre Direktoren, die interne Kommunikation im Sender zu verbessern. Kurz vor Weihnachten kam es daher endlich zur Bildung eines „runden Tisches“, an dem sich jeweils vier Angehörige der Geschäftsleitung mit vier Beschäftigtenvertretern treffen.

Ob vom runden Tisch tatsächlich positive Signale für Lerch und Schäfer ausgehen, darf bezweifelt werden. Über Personalfragen soll dort nicht verhandelt werden, dafür gebe es kein Mandat, so RBB-Justitiar Reinhard Binder. Vielmehr solle es um einen Verhaltenskodex gehen. Damit der „Dialog im RBB“ nicht gleich wieder ins Stocken gerät, soll nun ein von beiden Seiten akzeptierter externer Coach als Mediator vermitteln.

 


Gegendarstellung

Der Artikel „Eskalation im rbb“ der Autorin Ute C. Bauer in Heft 2/2005, S. 32, der Zeitschrift „M – Menschen Machen Medien“ enthält falsche Behauptungen, die ich wie folgt richtig stelle:

Es wird behauptet:

„Wer Kritik übt, fliegt. Auf diese schlichte Formel lässt sich die gegenwärtige Linie der Personalpolitik im RBB bringen. Jüngstes Beispiel für die plumpe Methode, sich unbequemer kritischer Mitarbeiter zu entledigen ist die Nichtverlängerung des Rahmenvertrages von Abendschaumoderator Jan Lerch.“

Soweit hierdurch der Eindruck erweckt wird, Anlass für die Nichtverlängerung des Vertrages sei gewesen, dass Herr Lerch sich kritisch geäußert habe, ist dies falsch. Grund war vielmehr die Art und Weise, in der dies geschehen ist.

Weiter wird die Personalratsvorsitzende des rbb, Frau Hanne Daum, mit den Worten zitiert:

„Alle Gremien des RBB sind über das Vorgehen der Geschäftsführung empört.“

Diese Behauptung ist falsch. Sowohl der Rundfunkrat als auch der Verwaltungsrat des rbb unterstützen das Vorgehen der Geschäftsleitung ausdrücklich.

Ferner wird behauptet:

„Die Jagd auf freie Mitarbeiter, die es wagen, den Mund aufzumachen, begann bereits im Sommer 2004, als den Nachrichtenredakteur Jürgen Schäfer mitgeteilt wurde, dass sein Vertrag 2005 nicht verlängert würde.“ und schreiben weiter „Schäfer hatte als Sprecher von rbbpro und als ver.di-Freienvertreter kein offenes Wort gescheut und war so ins Visier der Intendanz geraten.“

Soweit dadurch der Eindruck erweckt wird, die Beendigung der Zusammenarbeit mit Herrn Schäfer habe in irgendeinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Sprecher von rbbpro und ver.di-Freienvertreter gestanden und sei durch die Intendanz veranlasst worden, ist dies unrichtig.

Berlin, den 9. Februar 2005

Dagmar Reim

Anmerkung der Redaktion:

Die Redaktion von M Menschen Machen Medien ist gem. § 14 Mediendienste Staatsvertrag (MDStV) verpflichtet, eine Gegendarstellung unabhängig vom Wahrheitsgehalt zu veröffentlichen. Diese Gegendarstellung drucken wir aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Berliner Landgerichts ab

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »