Filminstitut vor dem Aus?

Senat der Leibniz-Gemeinschaft wollte Förderung streichen

Noch ist die gemeinnützige GmbH „IWF Wissen und Medien“ Mitglied der „Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz“ (WGL) und wird, wie alle Leibniz-Institute, gemeinsam von Bund und Ländern finanziert. Um in den Genuss dieser Förderung zu gelangen, die auf Artikel 91b des Grundgesetzes zurückgeht, muss deren Arbeit gesamtstaatlichen wissenschaftspolitischen Interessen entsprechen und auch überregional von Bedeutung sein. Ende letzten Jahres hat nun der Leibniz-Senat Bund und Ländern empfohlen, das Göttinger Institut nicht weiter zu fördern.

Vor fünf Jahren entstand aus dem „Institut für den Wissenschaftlichen Film“ (IWF) in Göttingen im Zuge eines vom Wissenschaftsrat angestoßenen Umstrukturierungsprozesses die „IWF Wissen und Medien“. Von 120 Planstellen blieben nur 56 erhalten. 38 Beschäftigte erhielten die Kündigung. Bis dahin produzierte das Institut wissenschaftliche Filme noch selber. Heute sammelt die IWF audiovisuelle Medien und bearbeitet sie für wissenschaftliche Zwecke, versieht sie mit Kommentaren und ergänzenden Informationen. In ihrem Archiv lagern mehr als 8.000 wissenschaftliche Filme, die nach und nach digitalisiert und unter „www.iwf.de“ online gestellt werden. Im vergangenen Jahr wurden dort täglich 2.000 Besucher und 800 Downloads gezählt. Lehrende an Schulen und Universitäten können diese Medien in ihrem Unterricht einsetzen. Die Hochschulen in Niedersachsen und Hessen haben beispielsweise über eine „Campuslizenz“ unbeschränkten Zugriff auf die Bestände des Instituts.
Alle Institute der Leibniz-Gemeinschaft werden regelmäßig evaluiert, ein übliches Verfahren, in dem die Qualität der in den Einrichtungen geleisteten Arbeit beurteilt wird. Im Bemühen der WGL, sich neben anderen renommierten Organisationen im Wissenschaftsbetrieb zu profilieren (wie der Max-Planck-, der Helmholtz- oder der Fraunhofer-Gesellschaft), hebt die Leibniz-Gemeinschaft dieses Bewertungsverfahren hervor: „Das konsequente, transparente und streng externe Evaluierungsverfahren ist ein Alleinstellungsmerkmal der Leibniz-Gemeinschaft im Vergleich mit anderen universitären wie außeruniversitären Einrichtungen in Deutschland.“
Dabei nimmt der extern besetzte Senat der Leibniz-Gemeinschaft gegenüber den Geldgebern Stellung, ob ein Institut (weiter)gefördert werden soll oder nicht. Er stützt sich auf das Gutachten eines von ihm selbst eingesetzten Ausschusses, der sein Votum wiederum auf den Bericht einer Bewertungsgruppe gründet, die das zu evaluierende Institut vor Ort gründlich durchleuchtet hat. Auch diesen beiden Gremien gehören keine Mitglieder von Leibniz-Instituten an.
Nach ihrem Besuch in Göttingen zeigten sich die Gutachterinnen und Gutachter zwar nicht rundum zufrieden, doch im Ergebnis fanden sie bei nur einer Gegenstimme, dass das Institut mit seinem Konzept auf dem richtigen Weg sei: „Es ist zu erwarten“, so heißt es in ihrem Bericht vom 8. August 2005, „dass sich die IWF mittelfristig zu der führenden Mediathek für wissenschaftliche AV-Medien im deutschsprachigen Raum entwickeln kann und dass sie ihre Stellung als überregionale Informationseinrichtung für diesen Bereich zu sichern weiß.“ Der Senatsausschuss Evaluierung schloss sich dieser Einschätzung an – nicht aber der Senat selbst! In der Geschichte der Leibniz-Gemeinschaft ein bisher einmaliger Vorgang!
Im November 2005 erklärte der Senat, das Konzept sei „zu risikobehaftet“, weshalb zum derzeitigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden könne, ob seine Umsetzung „erfolgreich sein wird.“ Angesichts solch einer „unsicheren Perspektive“ könne man „die Fortführung der gemeinsamen Finanzierung durch Bund und Länder nicht empfehlen“.
Überzeugend ist das nicht. Insbesondere wird auf diese Weise das so hoch gehandelte Evaluierungsverfahren nachhaltig diskreditiert. Hinter diesem Vorgang steckt wohl das „Omnibusprinzip“: Die Zahl der Leibniz-Institute ist begrenzt. Neuaufnahmen kann es nur geben, wenn im Gegenzug Alt-Mitglieder ausgeschlossen werden. Der im November neu gewählte Präsident der WGL, Ernst Theodor Rietschel, hat im Dezember in einem Interview mit dem Tagesspiegel die Existenz des Omnibusprinzips in der Leibniz-Gemeinschaft bestätigt. Interessiert an einer Neuaufnahme sind renommierte Einrichtungen, etwa das „Zentrum für Zeithistorische Forschung“ in Potsdam, das „Museum für Naturkunde“ und das „Deutsche Rheuma-Forschungszentrum“ aus Berlin, die „Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung“ oder das „Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung“ aus Braunschweig.
Vor kurzem hat nun die Landesregierung in Hannover erklärt, sie wolle sich mit dem negativen Votum des Leibniz-Senats gegen das Göttinger Institut nicht abfinden. In seinem Grußwort auf einem Parlamentarischen Abend der niedersächsischen Leibniz-Institute teilte Wissenschaftsminister Lutz Stratmann im März mit, man werde versuchen, die Bundesländer „für eine Weiterförderung zu gewinnen“. – Die Beschäftigen haben das gerne gehört. Nicht genug, dass der Senat ihnen den Geldhahn zudrehen möchte: Mitten in diesem Konflikt ging ihnen der Kapitän über Bord. Christian Floto, Institutsdirektor seit 2001, hat die IWF Ende Februar verlassen, weil die Verhandlungen mit dem Land über eine Vertragsverlängerung nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Inzwischen steht aber fest, dass die Landesregierung die Stelle neu ausschreiben wird. Eine weitere wichtige Vorentscheidung über die Zukunft des Instituts fällt im September. Dann berät der Forschungsausschuss der Bund-Länder-Kommission endgültig darüber, ob Bund und Ländern die gemeinsame Weiterfinanzierung der „IWF Wissen und Medien“ empfohlen wird oder nicht.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »