Rundfunkjournalistinnen: Überall – bald über allen?
Weniger als 20 Prozent der in den Hauptnachrichten der deutschen Printmedien genannten Personen sind weiblich. Nicht 1950, sondern 2004 ermittelte das der Journalistinnenbund. Klingt, als habe sich seit Jahrzehnten nichts geändert im medialen Geschlechterverhältnis.
Das liegt daran, dass die Frauen, die fragen, nach wie vor ganz überwiegend männliche Antworter finden, siehe Christiansens Männerrunden. Journalistinnen aber sind in der Regel besser qualifiziert als ihre männlichen Kollegen, sie sind es, die in Fernsehen und Hörfunk an prominenter Stelle die Fragen stellen, was uns dann als Machtfülle verkauft wird. Frank Schirrmachers Panik vor mächtigen Frauen beiseite lassend hat die junge Medienwissenschaftlerin Susan Kades, Jahrgang 1976, selber gefragt, ob Frauen alles fragen dürfen, wobei dieses „alles“ sich auf jene Themen bezieht, die vor Jahren noch tabu für weibliche Journalisten waren: Wirtschaft und Politik. Kades hat mit 15 Fernseh- und Hörfunkjournalistinnen über ihre berufliche Situation und ihre privaten Lebensentwürfe gesprochen. Quasi als Korrektiv zu diesen erfolgreichen Frauen wirkt Ulrike Holler vom Hessischen Rundfunk, die plastisch und drastisch erzählt, wie das bis vor wenigen Jahren so war als Frau im seriösen Journalismus: „Wir waren unendlich allein! Unendliche Exoten. Es gab ja noch keine Frauenbeauftragten, es gab keine Frauenförderpläne, es gab ja gar nichts – niemanden, der ein bisschen darauf achtete, dass es einen Ausgleich zwischen den Geschlechtern gab.“
Kades stellt fest, dass Förderpläne und Gleichstellungsbeauftragte eine Menge bewirkt haben – vor allem auf der mittleren Führungsebene. Offene Diskriminierung ist unmöglich geworden, vielmehr wird von gezielter Förderung und selbstverständlicher Akzeptanz berichtet. „Frauenkarrieren“, schreibt Brigitte Schamari, Programmchefin der Welle hr skyline, der Wirtschaftsredaktion und des ARD-Börsenstudios des Hörfunks beim Hessischen Rundfunk, in ihrem Vorwort resümierend, „scheitern nicht mehr länger an den inneren Strukturen der Medienunternehmen, sie scheitern vor allem an der immer noch weitgehend traditionell ausgerichteten familiären Rollenverteilung, an der Tatsache, dass es immer noch die Frauen sind, die entweder auf Familie verzichten oder sich darum kümmern müssen, wie beides – Familie und Beruf – bewältigt werden kann.“ So sind denn auch unter den Befragten doppelt so viele Frauen wie Männer unverheiratet. Kades Befragungen vermitteln interessante und vielfältige Einsichten über männliche und weibliche Seilschaften, männliches und weibliches Konkurrenzverhalten (Frauen arbeiten gerne mit Frauen!) und liefern interessante Innenansichten aus den Redaktionen.
Es gibt Hoffnung, dass sich bald auch „ganz oben“ etwas tut, denn in den kommenden Jahren wird sich eine ganze Generation von Chefs verabschieden, dann werden, da ist Kades sicher, mehr Frauen auf verantwortungsvolle Posten nachrücken. Sie müssen es aber auch wollen und da scheint es immer noch zu viel Zurückhaltung und unangemessene Bescheidenheit zu geben. Die Frauen, die es geschafft haben, sind sich bewußt, dass Frauen vor ihnen den Weg geebnet haben. Sandra Maischberger: „Dass ich das mache, was ich tue, verdanke ich der Generation, die vor mir war.“ Und Maybrit Illner wünscht sich andere Fragen: „Ich wünsche mir, nicht in jedem Interview gefragt zu werden, ob ich gerne koche, wo ich meine Klamotten einkaufe und warum ich keine Kinder habe. Das werde ich komischwerweise immer von Frauen gefragt, Männer tun sich das nicht an und es wird ihnen nicht angetan.“
Susan Kades:
Frauen dürfen alles fragen.
Rundfunkjournalistinnen in Wirtschaft und Politik
Ulrike Helmer Verlag, Dortmund 2004
ISBN 3-89741-142-3
157 Seiten, 19,95 Euro