Freie im Personalrat

WDR setzt einen Meilenstein für Arbeitnehmerrechte

Alle vier Jahre wird in den öffentlich-rechtlichen Sendern ein neuer Personalrat (PR) gewählt. Für den Wahlvorstand beim WDR war diesmal alles anders. Denn erstmals hatten arbeitnehmerähnliche Freie das aktive und passive Wahlrecht. ver.di konnte bei den Wahlen Ende Mai 13 von 23 Sitzen gewinnen.

Der Wahlvorstand mit seinem Vorsitzenden Dirk Schuwerack Foto: WDR/Bernd- Michael Maurer
Der Wahlvorstand mit seinem Vorsitzenden Dirk Schuwerack
Foto: WDR/Bernd- Michael Maurer

CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat die Mitbestimmung während seiner Regierungszeit erheblich zurückgefahren. „So nicht“ fand 2010 die frischgebackene rot-grüne Minderheitsregierung und hat die Mitbestimmung wieder nach vorne gebracht. Mit Unterstützung von ver.di und dem DGB entstand im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen ein neues Landespersonalvertretungsgesetz, das die Rechte der arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter und der Arbeitnehmer-Überlassungs-Kräfte (AÜG) beim WDR enorm stärkt. Der Personalrat ist nunmehr nicht mehr allein für Angestellte, sondern auch für andere Beschäftigte zuständig. Wer beim WDR den sogenannten 12a Status hat, also arbeitnehmerähnlich ist, darf jetzt als freier Mitarbeiter den Personalrat mitwählen und sogar selbst kandidieren – und das haben viele Freie auf der ver.di-Mitgliederversammlung zu Beginn des Jahres auch getan, als es um die Kandidaten für den neuen PR ging.
Zum Beispiel Johannes Höflich. Er ist erfolgreicher Fernseh-Autor für „Monitor“ und die „WDR story“ und engagiert sich seit Jahren in der Freienarbeit. Er ist Mitglied in der „Kommission Freie“, in der die Gewerkschaften mit dem WDR Themen am Rande von Tarifverhandlungen diskutieren. Johannes Höflich errang Platz 8 der ver.di-Liste. Karl Horn, lichtsetzender Kameramann, hat Platz 14 erreicht und wird sich als „Nachrücker“ künftig vor allem tatkräftig für seine Kollegen in der Fernseh-Produktion einsetzen. Feature-Autor Achim Nuhr engagiert sich ebenfalls seit Jahren für Freie und ist immerhin auf Platz 25 gelandet. Das heißt, er wird über kurz oder lang als Nachrücker ebenfalls aktiv im Personlarat mitarbeiten können. Und last but not least, bin ich selbst – Anja Arp, Feature-Autorin im Hörfunk – weit vorne auf Platz vier der ver.di-Liste platziert worden. Für ver.di bin ich seit vielen Jahren Freiensprecherin und Verhandlungsführerin im WDR.
Mit rund 40 anderen Kandidaten standen wir Freien auf der ver.di-Liste und haben erstmals für den Personalrat kandidiert. Denn durch die über 1.800 sogenannten 12a Freien und die Arbeitnehmer-Überlassungs-Kräfte wurde der Personalrat aufgestockt. Bisher hatte er 21 Mitglieder, von denen 7 freigestellt waren. Nunmehr gibt es 23 Mitglieder und 10 Freistellungen, für die auch wir Freien kandidieren könnten. Johannes Höflich und ich könnten also eigentlich eine Freistellung anstreben. Doch letztlich macht das für uns als Freie wenig Sinn, denn im Zweifelsfall fängt man dann nach vier Jahren „nur“ Personalrat als freier Mitarbeiter wieder bei Adam und Eva an. Deshalb kommen bei uns wahrscheinlich nur Teilzeit-Freistellungen in Frage.

Viele neue Wähler

Mitte Mai hat der Wahlvorstand die Unterlagen für die Briefwahl an rund 7.000 Wahlberechtigte im WDR verschickt – so viele wie noch nie. Das hat einige Mühe und Aufregung bereitet, erklärt Dirk Schuwerack, Vorsitzender des Wahlvorstandes. Denn das Landespersonalvertretungsgesetz wirft erst einmal viele Fragen auf, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Einer der Knackpunkte ist zum Beispiel der sogenannte 12a-Status von Freien. Da ist die Sache für den Wahlvorstand allerdings eindeutig: „Das neue Personalvertretungsgesetz ist ein Landesgesetz und da der WDR die einzige Landesrundfunkanstalt in NRW ist, gilt die 12a-Definition nach dem Bestandschutz-Tarifvertrag des Senders.“ Das heißt, wer die Bedingungen nach dem Tarifvertrag erfüllt und einen Anspruch auf Urlaubsgeld beim WDR hat, darf den Personalrat mit wählen und auch für ihn kandidieren. Dafür müssen die Freien ihre Beschäftigung beim WDR in den sechs Monaten vor dem Stichtag nachweisen. Das Ganze gilt jedoch nicht für Freie, die beim WDR nur ihren Ergänzungsurlaub bekommen und ihren ersten Urlaubsantrag zum Beispiel beim Deutschlandradio oder beim SWR gestellt haben. Irritationen gab es teilweise, ob die sogenannten Ortskräfte in den Auslands-Studios mitwählen dürfen – sie dürfen, daran hat das neue Landespersonalvertretungsgesetz nichts geändert. Auch die ständige Aktualisierung des Wählerverzeichnisses hat den Wahlvorstand sehr beschäftigt. Die Fluktution ist bei diesen Beschäftigten einfach größer, als bei ihren angestellten Kollegen.
Viele begrüßen das neue Landespersonalvertretungsgesetz, weil es den tatsächlichen Beschäftigungsverhältnissen im WDR entspricht. Und die freien Mitarbeiter erhoffen sich dadurch natürlich mehr Durchsetzungskraft ihrer berechtigten Interessen. So ist in Zukunft der Personalrat auch zuständig, wenn es um die Einhaltung der Tarifverträge für Freie geht. Der alte und neue Vorsitzende des Personalrats, Heri Stratmann freut sich, „dass einige 12a Freie kandidiert haben und auch gewählt wurden. Das ist ein deutlicher Fortschritt auch für die tägliche Arbeit des Personalrates. Ich erhoffe mir dadurch frischen Wind für den Personalrat. Zum ersten Mal haben alle eine Stimme, die ihren Beitrag für das WDR-Programm leisten – egal ob angestellt oder frei!“

Ergebnisse der PR-Wahl

Wahlberechtigt waren über 7.000 WDR-Mitarbeiter, davon rund 2.000 Freie. Die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent.
Es entfielen auf:

Liste 1 VRFF 430 Stimmen 2 Sitze
Liste 2 DOV 197 Stimmen 1 Sitz
Liste 3 Weiter so war gestern 275 Stimmen 1 Sitz
Liste 4 ver.di 1.970 Stimmen 13 Sitze
Liste 5 DJV 985 Stimmen 6 Sitze

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »