Für ein gerechtes Solidarsystem

Streit um Prüfung der Arbeitgeber-Abgaben an die Künstlersozialkasse

„Mindestens alle vier Jahre“. Diese vier unscheinbaren Worte lösten in den vergangenen Wochen eine heftige Debatte um Geld, Verwaltungsaufwand, Kompetenzen und ein gerechtes Solidarsystem aus. Die Deutsche Rentenversicherung, die ohnehin bei allen Unternehmen mit Beschäftigten regelmäßig die korrekte Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen prüft, soll auch untersuchen, ob für Honorare an selbstständige Medien- und Kulturschaffende die Künstlersozialabgabe, also der „Arbeitgeberanteil“ zur Sozialversicherung, an die Künstlersozialkasse abgeführt wurde. Letzteres soll nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung regelmäßig geschehen – also: „mindestens alle vier Jahre“.

Dabei geht es nur um eine redaktionelle Klarstellung. Schon mit der Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Jahr 2007 wurde die Unternehmensprüfung auf die Abgabe an die Künstlersozialkasse (KSK) auf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) übertragen – versehen mit einer „Kontingentregelung“: Jedes Jahr sollten jeweils 70.000 bis dahin ungeprüfte Unternehmen unter die Lupe genommen werden. Das passierte auch und brachte deutliche Mehreinnahmen von jährlich bis zu 35 Mio. Euro. Bis ins Jahr 2011. Dann war Schluss. Die zusätzlichen Einnahmen brachen auf rund 2 Mio. Euro ein. Die Folge: Der Abgabesatz, der auf die Summe der gezahlten Honorare zu zahlen ist, stieg ab 2013 für die ehrlichen und zahlungswilligen Verwerter von 3,9 auf 4,1 Prozent. Er wird – das ist zu befürchten – weiter ansteigen, wenn sich zahlungspflichtige Unternehmen mangels Prüfung an der Abgabe vorbeimogeln können.

Mehr Bürokratie?

Und hier beginnt der Streit: Einen „unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand“ schwört der Bundesverband deutscher Arbeitgeber herbei, eine „immense bürokratische Mehrbelastung“ sieht der Zentralverband des Deutschen Handwerks auf die Klein- und Mittelbetreibe zurollen und der Bund der Steuerzahler schlägt gleich vor „die entbehrliche Künstlersozialabgabe zugunsten einer effizienteren Finanzierung der Künstlersozialversicherung abzuschaffen“ – was er darunter versteht, lässt er allerdings offen.

Die DRV selbst wehrt sich massiv gegen eine gesetzlichen Konkretisierung des Überprüfungsturnus: Gegen eine Anweisung der Aufsichtsbehörde zur genaueren Überprüfung hat sie Klage eingereicht. Begründung: Die angeblichen Mehrkosten von 50 Millionen Euro pro Jahr für die DRV überstiegen bei Weitem die absehbaren Mehreinnahmen. Das Bundesarbeitsministerium hält dagegen: Dort schätzt man den zusätzlichen Aufwand für die DRV auf 0,5 Millionen Euro jährlich bei zu erwartenden Mehreinnahmen von 30 bis 50 Mio. Euro. Die DRV habe keine validen Belege für den behaupteten Aufwand. Und in Richtung Wirtschaft signalisiert das Ministerium: Eine einheitliche Prüfung entspreche schließlich einer alten Forderung der Wirtschaft. Außerdem: In der Kreativwirtschaft mit 25 Prozent Selbstständigen werde ein Jahresumsatz von 137 Milliarden Euro erwirtschaftetet, aber nur rund fünf Milliarden Euro gezahlte Honorare seien als abgabepflichtig erfasst.

Oder mehr Gerechtigkeit?

Schlussendlich kommt dann auch der Begriff „Gerechtigkeit“ ins Spiel: Erfasste abgabepflichtige Unternehmen zahlen für die anderen mit, weil der Abgabesatz aus den gemeldeten Honorarsummen und dem Bedarf an Sozialversicherungsbeträgen errechnet wird. Eine bessere Erfassung sorgt so für einen niedrigen Abgabesatz für alle, eine schlechte für einen hohen. Anders ausgedrückt: Unternehmen, die gesetzestreu zahlen, sind die Gelackmeierten und zahlen für die schwarzen Schafe mit. Oder wie es der Deutsche Gewerkschaftsbund formuliert: „Der Prüfaufwand darf nicht nur davon abhängig gemacht werden, ob er sich ‚lohnt’, da es auch um Fragen der Beitragsgerechtigkeit geht.“ Ein „ausreichender Prüfdruck“ könne dazu führen, dass „die Arbeitgeber von vornherein stärker ihren Abgabepflichten nachkommen.“ Aufgabe der Rentenversicherung ist es, dieses Solidarsystem gegen Fluchtbewegungen der Arbeit- und Auftraggeber wie etwa auch Beschäftigung von Scheinselbstständigen zu verteidigen. Und mehr möchte der Gesetzgeber auch nicht: „Mit der gesetzlichen Klarstellung soll die Anwendung des § 28p Absatz 1a SGB IV erreicht werden, wie sie durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze beabsichtigt war.“ Und das sind dann eben die vier Worte „mindestens alle vier Jahre“.

KSK: Fakten & Zahlen

Die Künstlersozialkasse verwaltet im Umlageverfahren die Absicherung der hauptberuflich arbeitenden Medien- und Kulturschaffenden.

Die Versicherungspflichtigen zahlen vergleichbar Arbeitnehmer/innen rund 50 Prozent der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung, 30 Prozent zahlen die Auftraggeber (Künstlersozialabgabe), 20 Prozent der Bund für Selbstvermarktung und von der Abgabe freigestellte Institutionen.

  • Versicherte: derzeit rund 180.000, durchschnittliches Jahresarbeitseinkommen: rund 14.000 Euro
  • Unternehmen in Deutschland: rund 3.2 Mio. – davon bei der KSK als abgabepflichtig erfasst: rund 150.000
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