Kleinkarierte Fernsehwelt mit übersichtlichem Personalpool
Thomas Gottschalk geht unter, Harald Schmidt wird weggegangen und die Welt steht auch nicht mehr lange. Man muss als altgedienter Fernsehkritiker schon ins Grübeln kommen, wie sich die Bezugsgrößen auflösen, die Heroen den Dienst quittieren und unser aller Narrenschiff ohne seine Gallionsfiguren jenem Untergang zusteuert, den es gerade mit gefühlten 500 Melodramen über die Titanic ausgiebig zelebriert hat.
Dass die Unterhaltungsmaschine Fernsehen zwei in die Jahre gekommene Entertainer ausspuckt, ist das eine. Das andere ist: mit welcher Mutlosigkeit und Einfallslosigkeit die Sender schon seit Jahren über die Programmschienen ziehen? Hier die Privaten, die über steigende Werbeeinnahmen hinaus als innovativ die Fernsehkultur nur noch mit „scripted reality“-Formaten angereichert haben, um zu beweisen, dass Realität sie gar nicht mehr interessiert. Da die öffentlich-rechtlichen Sender, die die politische Kultur zum Talkshow-Gerede herunterdefiniert und die geistige Herausforderung auf die Logik eines Quiz heruntergebracht haben. Ihre Shows und Talks bauen die Sender aus einem Mix schon mal versendeter Formate und bestücken sie aus einem übersichtlichen Personalpool, einem TV-Prominenten-Biotop. Damit beweisen sie freilich jedes Mal von neuem, dass die Fernsehwelt viel kleiner und kleinkarierter ist als ihre größten Verächter von ihr behaupten.
Nehmen wir zum Beispiel die seltsame Blüte einer Fernsehsendung der ARD, die zu Ostern gleich zweimal ein großes Publikum unterhalten sollte: „Schlau wie die Tagesschau“. Ein Kindergeburtstag für Erwachsene im Vorgriff auf 60 Jahre „Tagesschau“. Es moderierte mit Frank Plasberg ein Journalist, der sonst „hart aber fair“ auftritt und allmählich einen Ruf zu verlieren hat. Zwei Mannschaften traten in der Sendung am Ostermontag gegeneinander an. Hier eine „Tagesschau“-Mannschaft mit Tom Buhrow, Susanne Stichler und Jens Riewa, also Leuten, deren Hauptberuf es ist, Nachrichten zu überbringen und einzuordnen. Dort zwei „Unterhaltungs-Giganten“ (O-Ton ARD) aus dem TV-Biotop, Thomas Gottschalk und Günther Jauch; zwischen ihnen saß der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der sein rheinisches Gemüt auch gern im Fernsehen spazieren trägt.
Große Abendunterhaltung also, daraus eine kleine Szene: Plasberg stellt eine Frage nach Elvis Presley und dann, als seien wir bei der Saalwette von „Wetten dass?“ rollt die Requisite eine Batterie Glitzerjacketts herein. Und schon laufen alle lächerlich kostümiert mit dämlichen blauen Brillen über die Fernsehbühne und singen auch noch, was sie aus ihrer Rockn’Roller-Jugend im Kopf behalten haben. Seither sieht man die „Tagesschau“-Sprecher mit anderen Augen.
Foto: privat
Zurück zu Gottschalk und Schmidt, die in dieser Kunst ja auch genügend Übung haben – und übrigens auch die nötige professionelle Distanz. Ihr Fall ist zunächst ein Fall der Sender. Die ARD hatte zu Gottschalk keine Programmidee, sondern nur ein Kalkül. Sie wollte eine Marke, um besser Werbezeit am Vorabend verkaufen zu können. Und da haben die ARD-Oberen gedacht, es müsste genügen, den großen Blonden reinzusetzen in ein Format, das das Handelsblatt schon nach einer Woche „dramaturgisch mangelhafte Dauerwerbesendung“ nannte. Aus Sicht der Zuschauer handelt es sich um den Versuch, sie mit möglichst geringem Aufwand abzufüttern.
Unnötig zu erwähnen, dass in „Gottschalk live“ auch nur das Personal aus dem TV-Biotop herumläuft. Und von ferne sei noch daran erinnert, dass die ARD, weil sie unbedingt Günther Jauch als Talker haben wollte, die Harald Schmidt-Show bei dieser Gelegenheit entsorgte, indem die Senderverantwortlichen sich darum nicht mehr kümmerten.
Bei SAT.1 ist die Sache einfacher, wie bei Kommerzsendern immer. Harald Schmidt brachte einfach nicht genug Quote. Seine Rückkehr zum „Unterschichtenfernsehen“ wurde im Sender noch gefeiert als Rückkehr des verlorenen Sohnes. Aber die Idee, man wolle sich des Ansehens halber einen Hofnarren im Programm halten, trug nicht mehr. Der neue SAT.1-Chef Joachim Kosack lobte Harald Schmidt, er sei für ihn persönlich „Late Night der Extraklasse“, um dann zu beklagen, es sei nicht gelungen, „die Fangemeinde ausreichend zu erweitern“. Dank und Kündigung. Schmidt sagte erst nur „Schade“ und spottete dann in der Sendung, er selbst habe gekündigt. Eine Sendung später führte er dann dem Sender böse vor, dass von der ganzen Schönheit nach ihm nur noch eine Sintflut von Trash übrigbleibt.
Zwei Fernseh-Entertainer gehen also, beide nicht ganz freiwillig – es glaubt ja im Ernst niemand daran, dass Gottschalk auf dem ARD- Vorabendsendeplatz noch einmal ein Bein auf den Boden kriegt. Beide stehen für Fernsehunterhaltung. Der eine für intellektuelles postmodernes Vergnügen und das Versprechen, dem Medium Fernsehen durch satirische Kritik seine Existenz zu beglaubigen – was vermutlich immer weniger Leute hören wollen. Der andere für populäre Unterhaltung, ein Kommunikator und Gute-Laune-Mensch, der letzte Verwalter des familiären Lagerfeuers – das längst schon verglommen ist zwischen den zahllosen Medienspiegeln von Casting bis Reality, von Youtube bis Skype.
Einer aber ist noch da: Günther Jauch. Er ist der unangefochtene Gewinner und steht mit beiden Beinen mittendrin. Bei ARD wie bei RTL hat man ihm Sendeplätze gegeben, die er gar nicht umbringen kann. Im einen System agiert er als unterhaltsamer Journalist und im anderen als seriöser Unterhalter. Könnte ja sein, dass das ZDF auch noch auf Ideen kommt. Falls Markus Lanz „Wetten dass?“ allzu schnell versenkt – vielleicht übernimmt ja dann Claus Kleber.
Und dann wäre da noch Till Schweiger. Der will als Erstes schon mal den Trailer des „Tatort“ modernisieren. Wetten, dass auch das erst ein Anfang ist?