„wo/man. Kino und Identität – Geschlechterrollen im Umbruch?“ auf dem 7. Internationalen Bremer Filmsymposium im Kino 46
Die Biografien von Männern und Frauen verlaufen heute nicht mehr nur nach traditionellen Mustern – das scheint auch im Mainstream-Kino feststellbar.
In den zahlreichen Vorträgen des 7. Internationalen Bremer Symposiums zum Film Ende Januar gingen internationale Referentinnen und Referenten der Frage nach, ob und inwieweit sich im Kino der 90er Jahre die Rollenmuster für Männer und Frauen verschoben haben.
Das Symposium ist ein Gemeinschaftsprodukt des Medienzentrum Bremen/Kino 46, der Bremer Universität und seit 2001, der Universität Oldenburg. Seit 1999 ist der Veranstaltung die Verleihung des Bremer Filmpreises angekoppelt. In diesem Jahr ging er an den Dokumentarfilmer Marcel Ophuls.
„Die Spannung des Symposiums besteht unter anderem darin, dass die unterschiedlichen Meinungen von Wissenschaftlern und nichtwissenschaftlichen, populären Sprechern gleichwertig nebeneinander stehen“, erklärt Christine Rüffert vom Kino 46. Außerdem ist das Bremer Symposium ein öffentliches Ereignis. So fanden auch in diesem Jahr Fachleute, Studenten und ganz normale Kinointeressierte beim Hören und Diskutieren von Vorträgen und dem sinnlichen Genuss von Filmen, zueinander.
Der „Star“ des diesjährigen Symposiums war eindeutig Elisabeth Bronfen von der Universität Zürich. Die Spezialistin im Bereich der sogenannten Gender Studies, bannte ihr Publikum mit in einem überaus anschaulichen und lebendigen Vortrag über „Männliche Halluzination und weibliche Vernunft“.
Anhand der von ihr entwickelten Methode des „Crossmappings“ (dem Übereinanderlegen verschiedener Texte aus Sozialgeschichte, Literatur und Psychoanalyse), bewies sie am Beispiel von Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ und David Finchers „Fight Club“ die Krise der Männlichkeit im amerikanischen Kino der 90er Jahre. Die weiblichen Hauptrollen entpuppen sich passend als Heldinnen, welche die in Not geratene Männlichkeit fest im Griff halten.
Frau im Boxring
Thematisch spannend waren auch der Beitrag von Eva Warth über Geschlecht und Blickstruktur im Film sowie die Referate von Robin Curtis und dem Aldom-var-Experten Josep-Lluis Fecé Gomez.
Rhetorisch und inhaltlich stach jedoch der Vortrag des britischen Filmwissenschaftlers Richard Dyer hervor. Er untersuchte den Typ des Serienkillers, der im Film immer männlich, weiß, klug, bürgerlich sei, und damit traditionelle Rollenvorstellungen bestätige. Das Streben dieser Männer nach ihrem unerreichbaren Ideal, sei laut Dyer in der Identitätskrise der Männer begründet und treibe sie ins Extrem.
Enttäuschend fiel dagegen der Vortrag von Dietrich Kuhlbrodt aus. Der Filmkritiker, ehemalige Staatsanwalt und Schlingensief-Darsteller, der bekannt für seinen Wortwitz ist, hatte sich auf seinen Vortrag „Geschlechterrollen in deutschen Beziehungskomödien“ offensichtlich nicht vorbereitet.
Selbstverliebt erwies sich der Vortrag von Thomas Koebner. Der Filmwissenschaftler aus Mainz erging sich in zur Schau gestelltem Wissenschaftsjargon über „Crossdressing im Gegenwartskino“. Seine Ausführungen über Hosenrollenfilme waren überholt. Seine Analysen aktuellerer Filme wie „The Crying Game“ oder „Tootsie“ gingen zwar penibel ins Detail, ignorierten jedoch die aktuellen Gender Studies.
„I will dance – I will fight / Geschlechtsidentität und Körper im aktuellen Mainstream-Kino“ lautete der Vortrag von Jens Thiele. Mit seiner Analyse der Filme „Billy Elliot“ und „Girlfight“ erhielt das Symposium abschließend ein schönes Beispiel zur gegenwärtigen Situation der Geschlechter im Film.
Thiele zeigte mit der Auswahl der Filme, wie sich ein tanzender junger Mann und eine boxende junge Frau den Rollenerwartungen ihrer Lebenswelt verweigern und mutig ihre eigene Identität suchen. Damit unterstrich er, wie eng Körper und Geschlechtsidentität zusammenhängen.
Seiner Ansicht nach treffen diese Filme eine politische Aussage. Sie stellen Fragen nach der Macht. Und das sei das Wichtigste bei diesem Thema. „Sind Geschlechterbeziehungen möglich, wenn eine Frau einen Mann im Boxring besiegt?“ Mit dieser Frage entließ Thiele die Zuhörer zum Ende eines anregenden Wochenendes.
„In diesem Jahr war die Resonanz überdurchschnittlich gut“, fasst Christine Rüffert das Symposium zusammen. Den Erfolg begründet sie damit, dass es eine öffentliche Veranstaltung ist, in der über Film geredet wird, Film aber auch erlebt wird. „Wir wollen den Spaß lebendig halten“, erklärt sie. „Ein großes Manko war leider, dass Georg Seeeßlen aus Krankheitsgründen seinen Vortrag ‚Geschlecht, Gewalt und Geschäft‘ absagen musste. Er hätte thematisch und qualitativ einen Bogen spannen können.“ Das Thema für 2003 steht noch nicht fest. „Was ergibt sich aus Identität?“ fragen sich nun die Veranstalter.