Hohe Regionalkompetenz

Stärken der Deutschen Welle nutzen – klares Konzept notwendig

Mit Wolfgang Uellenberg, Leiter der ver.di-Abteilung Politische Planung und Vertreter der Gewerkschaften im Rundfunkrat der Deutschen Welle, sprach Günter Herkel über den Strategiewechsel des Senders.

Foto: Jürgen Seidel
Foto: Jürgen Seidel

Laut Aufgabenplanung 2014–2017 will die Deutsche Welle (DW) ihre Stellung als globaler Informationsanbieter aus Deutschland mit hoher Regionalkompetenz ausbauen. Ist angesichts der vorhandenen materiellen Ressourcen eine solche Zielsetzung realistisch?

Wolfgang Uellenberg | Ein englischsprachiger Nachrichtenkanal, der die Breite und Größe der BBC oder von CNN hat, ist unrealistisch. Realistisch ist, auf die Stärken der DW zu setzen. Die Stärke der DW ist die regionale Verankerung, ihre regionale journalistische Kompetenz und Sprachkompetenz. Sie arbeitet mit Journalistinnen und Journalisten, die über das Geschehen in den jeweiligen Ländern und Regionen gut informiert sind, die Landessprache sprechen, zum Teil von dort kommen. Die DW hat dann eine Doppelfunktion: Sie richtet sich an die Region, dient etwa in autoritär regierten Ländern als Stimme der Freiheit, als Transporteur unterdrückter Informationen. Damit baut sie die Brücke, auf die dann ein Fernsehsender gehen kann, nach dem Konzept der crossmedialen Verbindung, per TV und Internet und interaktiv. Das funktioniert aber nur, wenn beides zusammen kommt. Wenn das eine zu Lasten des anderen hochgepuscht wird, werden die regionalen Kompetenzen verloren gehen und der Nachrichtenkanal wird seine Zielgruppe nicht erreichen.

Hinter dem geplanten Strategiewechsel steht der Wunsch nach einer massiven Steigerung der Reichweite, speziell bei Entscheidern und Multiplikatoren. Kann das funktionieren?

Das geht nur mit einem crossmedialen Sender, der in bestimmten Regionen schwerpunktmäßig agiert und dann auch mit den entsprechenden regionalen Kapazitäten das Publikum in der Breite anspricht – und zwar die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen, nicht nur Regierungen, auch Menschenrechtsgruppen, Intellektuelle. Aber bei der starken Konkurrenz global 150 Millionen Entscheider und Multiplikatoren bedienen zu wollen, das wird nicht ohne weiteres gehen.

Dennoch will die Intendanz die DW neben BBC und CNN unter die TOP 3 der Auslandssender hieven. Sind derlei Ambitionen überhaupt sinnvoll?

Die Wettbewerber rüsten auch auf, haben außerdem ganz andere Mittel zur Verfügung. Dabei fällt auf, dass andere Sender jetzt stärker regionalisieren. Die haben gemerkt, dass Regionalisierung und Globalisierung zusammen gehören. Die Frage ist ganz einfach: Was mache ich? Es soll mehr Hintergrund und Analyse geben. Aber gerade jetzt werden Magazine dicht gemacht oder sind bereits eingestellt, zum Beispiel „Berlin direkt”. An Stelle politischer Analysen oder wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Hintergrundberichte überträgt man etwa Konferenzen des Auswärtigen Amts, oder legt mehr Wert auf Lifestyle oder Reisen. Bei den vorhandenen Ressourcen ist es, wie wenn drei Leute unter einer zu kurzen Decke schlafen müssen. Egal wie die sich drehen: Einer friert immer. Deswegen müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Alles zu machen – Reisen, Religion, Lifestyle, Wissenschaft, Musik und dann auch noch Politik mit Nachrichten – wo soll das enden? Ich vermisse immer noch ein durchgerechnetes, durch Analysen gestütztes somit ein nachvollziehbares, den Kompetenzen der Welle angemessenes und auch finanziell machbares Konzept.

Multilingualität war und ist eine der Stärken der Welle, warum also jetzt der Schwerpunkt Englisch?

Wenn ich Englisch als globale Sprache im Programm stärken will, dann böte sich an, die journalistischen Kompetenzen aus der deutschen Nachrichtenredaktion, aus den regionalen Nachrichten da hinein zu geben. Der englischsprachige Kanal könnte dann als eine Art Flaggschiff agieren, mit vielen Schiffen drum herum und klaren Schwerpunkten in der Programmstruktur. Aber hier wird nach der Devise verfahren: Ich bau jetzt einen englischen Nachrichtensender auf, und dann hab ich noch ein paar große Regionalsprachen wie Chinesisch, Russisch, Arabisch und noch ein paar andere, der Rest wird abgeschnitten. Die strategisch wichtige Frage ist doch, wie das Ganze inhaltlich gefüllt und mit den Regionalkompetenzen verknüpft wird.

Die Aufgabenplanung geht von einer Finanzlücke von fast 24 Millionen Euro in 2017 aus. Gleichzeitig werden neue Aufgaben beschlossen. Gibt es Signale aus der Politik, dem Sender wesentlich mehr Geld zu geben?

Solche Signale sind mir nicht bekannt. Angesichts dieser Finanzlücke verwundert schon, wieso da plötzlich solche umfassenden Neustrukturierungspläne auf den Weg gebracht werden. Konzepte, für die keine ausreichende Gegenfinanzierung vorliegt, kein Businessplan, keine klare Linie. Ich halte dieses Vorgehen für hochriskant.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Arbeitsprogramm liegt im Bundestag, und das Parlament muss jetzt sehr genau darauf schauen, ob und wo es da grünes Licht gibt. Der Intendant muss darlegen, wie er angesichts seiner ambitionierten Pläne und der knappen Finanzdecke ein Konzept hinbekommt, das nicht mit einem Kahlschlag endet und nicht die Kompetenzen zerstört, die man für das Programm braucht. Denn Programm und Personen hängen schließlich ganz eng zusammen bei einem Medienunternehmen.

Sehr umstritten ist auch der anvisierte Kooperationsvertrag mit dem chinesischen Staatssender CCTV. Wie passt das zusammen mit dem erklärten Anspruch der DW, „Stimme der Freiheit” zu sein?

Man kann ja unterschiedlicher Auffassung darüber sein, wie man das chinesische Regime beurteilt. Aber ein Sender wie die DW kann sich nicht zum Transporteur staatsnaher und in meinem Verständnis zynischer Kommentare des Peking-Kolumnisten Herrn Sieren in die von eben diesem Staat verfolgte Internetgemeinde machen. Dann verlieren die Menschen den Mut und die DW ihre Glaubwürdigkeit. Hier ist ein Eindruck entstanden, der für das Ansehen der DW schlicht verheerend ist. Ich hoffe, die Politik drängt den Intendanten, dieses Projekt noch mal auf seine Seriosität abzuklopfen, und ob es kompatibel ist mit dem Anspruch der Welle, Stimme der Freiheit zu sein.

  Gespräch: Günter Herkel

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