Im Visier von Neonazis

Angriffe auf Lausitzer Rundschau wegen kritischer Berichterstattung

Gleich zwei Nächte hintereinander war die Lokalredaktion der Lausitzer Rundschau in Spremberg Ziel neonazistischer Angriffe. In der Nacht zum 30. April wurde das Gebäude der Redaktion mit Parolen wie „Lügenpresse halt die Fresse“ beschmiert.


Außerdem klebten die unbekannten Täter Bilder von Neonaziaufmärschen an die Scheiben und hinterließen so einen politischen Fingerabdruck. In der folgenden Nacht hängten Unbekannte Innereien eines frisch geschlachteten Tieres an das Redaktionsschild der Zeitung.

Der Chefredakteur der Lausitzer Rundschau (LR), Johannes M. Fischer, hat keinen Zweifel, dass auch in diesem Fall die Täter aus dem rechten Milieu kommen. Schließlich ist das Aufhängen von Tierinnereien vor den Häusern missliebiger Personengruppen schon länger als Mittel rechter Einschüchterungsstrategien bekannt.

Foto:  Lausitzer Rundschau
Foto:
Lausitzer Rundschau

Davon waren in der Vergangenheit Synagogen und Wohnungen von bekannten Nazigegnern betroffen. Auch Medienarbeiter, die sich mit der rechten Szene befassten, gerieten immer wieder ins Visier rechter Gruppen und der auf die Gegnersuche spezialisierten Anti-Antifa. So wurden immer wieder persönliche Daten und Adressen von Journalisten und Fotografen auf rechten Homepages bekannt gemacht. Journalisten wie die auf die rechte Szene spezialisierte Andrea Röpke wurden bedroht und bei ihrer Arbeit auch körperlich angegriffen. Dass aber gleich eine ganze Redaktion ins Visier von Neonazis gerät, sorgte dann doch für Schlagzeilen. „Wir haben in der vergangenen Woche mehrfach kritisch über die rechte Szene in Spremberg berichtet. Das hat ihnen wohl nicht gefallen“, erklärte Fischer gegenüber dem Berliner Tagesspiegel zu den Motiven, warum gerade die Lausitzer Rundschau Ziel rechter Angriffe geworden ist.

Klar Stellung beziehen

Tatsächlich hat die Zeitung nicht nur in der letzten Zeit ausführlich über rechte Aktivitäten in der Region berichtet und Nazigegner zu Wort kommen lassen. Die LR veröffentlichte in ihrer Printausgabe und auf ihrem Blog Glossen, Berichte, sowie Kurzfilme. Anlässlich eines Neonaziaufmarsches in Cottbus am 15. Februar 2012 diskutierten Journalisten und Volontäre der LR über den richtigen journalistischen Umgang mit den Aktivitäten von rechts außen. So schreiben LR-Volontäre: „Manche Kollegen warnen: Macht euch nicht zum Sprachrohr, bleibt objektiv. Wir fragen: Darf eine Tageszeitung in solchen Fragen nicht klar Stellung beziehen? Einige Kollegen sagen, es sei sowieso klar, dass wir gegen rechts sind. Wir fragen: Wie kann das klar sein, wenn wir es nicht deutlich aussprechen? Darf ich mich als Journalistin nicht nur privat, sondern auch beruflich gegen rechts aussprechen und das in meine Arbeit einbringen?“
Von vielen Lesern werden die engagierten Journalisten bestärkt, ihre Recherche über rechte Strukturen nicht im Mantel einer scheinbaren Objektivität, sondern mit einem klaren Bekenntnis gegen rechts zu verbinden. „Bitte, machen Sie weiter so – wir brauchen Sie“, hieß es in Leserbriefen. „Wir haben eine sehr gute und starke Redaktion. Die Journalisten wissen, dass sie ein schwieriges und möglicherweise gefährliches Thema bearbeiten. Sie gehen sehr souverän damit um und lassen sich nicht einschüchtern“, betonte Fischer gegenüber M. Der Chefredakteur blendet auch die ganz persönlichen Folgen für die angegriffenen Journalisten nicht aus: „Wir selbst fühlen uns von dieser feigen und niederträchtigen Tat durchaus bedroht. Allerdings empfinden wir diese Bedrohung als Herausforderung, noch intensiver zu recherchieren und zu schreiben, um dem Rechtsextremismus keine Chance zu geben.“

 

Stellungnahme der dju

„Die 4.300 Journalistinnen und Journalisten, die in der dju in ver.di Berlin-Brandenburg organisiert sind, stehen solidarisch an der Seite ihrer Lausitzer Kollegen“ so Andreas Köhn, dju-Geschäftsführer, und weiter: „Die Drohungen und Angriffe sind gegen uns alle gerichtet, nicht nur gegen jene Kollegen, die in den Medien zu dieser Thematik berichten“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »