Diskussion mit SPD-Abgeordneten über Medienvielfalt
Schnell war sich die Runde einig, dass es keinen „Königsweg“ geben werde, sondern allenfalls einander ergänzende Maßnahmen, die zu einer Sicherung der Medienvielfalt führen können. Das war aber auch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Teilnehmer beim ersten „Medienpolitischen Dialog der SPD-Bundestagsfraktion“ einigen konnten, der „neue Finanzierungsmodelle für Journalismus“ ausloten sollte.
Keinen akuten medienpolitischen Handlungsbedarf konnte der Präsident des Bundesverbandes der Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen, erkennen: „Deutschland ist ein Zeitungsland. Wir erreichen 47 Millionen Zeitungsleser und haben im europäischen Vergleich die höchsten Reichweiten“, gab er zu Protokoll. Das Zeitungsgeschäft sei ein jahrhundertealtes Modell, das auch in Zukunft funktionieren werde. Auflagenrückgänge und sinkende Erlöse aus Anzeigen hätten bereits begonnen, bevor das Internet sich als Informationsmedium durchgesetzt hätte und seien eher soziologisch bedingt. Die Politik müsse durch eine „begleitende Gesetzgebung“ die wirtschaftlichen Bedingungen der Verlage verbessern.
Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut kritisierte, dass die Zahlen des BDZV nicht von einer staatlichen Pressestatistik bestätigt oder widerlegt werden könnten, die 1996 abgeschafft wurde (Siehe auch Titelthema).
Die nordrhein-westfälische Landesregierung will im kommenden Jahr 1,5 bis zwei Millionen Euro über die Stiftung Partizipation und Vielfalt ausschütten, die in Qualifizierungsmaßnahmen, die Erhöhung der Akzeptanz von Lokaljournalismus und eine bessere Vernetzung der Akteure fließen sollen, wie Staatssekretär Marc-Jan Eumann erläuterte. Er sehe eine besondere Betroffenheit von Nordrhein-Westfalen in Bezug auf den Rückgang von Medienvielfalt. Die Landesregierung wolle dagegen ansteuern. Angedacht werde beispielsweise die Einrichtung einer Stiftungsprofessur Lokaljournalismus, eine bis dato bundesweit einmalige Sache. An die Vergabe von Recherchestipendien werde eher nicht gedacht, da die Frage nach Auswahlkriterien, an die die Finanzierung entsprechender Vorhaben gekoppelt sei, „eine sehr komplizierte Materie“ darstelle.
Die Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, Cornelia Haß, hält Stiftungsmodelle für sinnvoll, die die Medienvielfalt sichern. „Es gibt hier Handlungsbedarf, und zwar über die klassischen Verlagsstrukturen hinaus, die bereits vom abgesenkten Mehrwertsteuersatz profitieren.“ Publizistische Angebote, von der Tageszeitung bis hin zu journalistischen Blogs könnten dadurch unterstützt werden. Bei der konkreten Ausgestaltung lohne ein Blick beispielsweise in die Schweiz. Dort werde derzeit ein Stiftungsmodell diskutiert, bei dem nur profitiert, wer einen so genannten Leistungsvertrag eingeht und sich beispielsweise zu einem hohen redaktionellen Eigenanteil und der Einhaltung sozialer Mindeststandards verpflichte. Haß sieht darin den Grundgedanken, der sich auch in der ver.di-Forderung nach der Bindung weiterer Steuersubventionen für die Verlage an die Einhaltung sozialer Mindestbedingungen wieder findet: „Gute Arbeitsbedingungen, die nicht nur die ökonomische Unabhängigkeit sichern, sondern auch Raum und Zeit lassen für gute Recherche und ständige Reflektion, zum Beispiel durch Anspruch auf Weiterbildung, sind unabdingbar für guten Journalismus“, machte Haß deutlich. Das gelte für fest angestellte wie für freie Journalistinnen und Journalisten, die im Tageszeitungsbereich von ihrer Arbeit nicht mehr ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten, weil die überwiegende Zahl der Verlage nicht entsprechend den Vergütungsregeln zahle. Hier sei die Politik in der Pflicht. Dafür sei nicht nur ein Verbandsklagerecht erforderlich, sondern „im Sinne des Entsendegesetzes eine Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Vergütungsregeln mit entsprechenden öffentlichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten“, forderte Haß.
Auch Stefan Weichert von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation sieht politischen Handlungsbedarf: Journalismus müsse als Kulturgut anerkannt und entsprechend gefördert werden, beispielsweise durch eine Journalismussteuer. Aber auch andere Finanzierungsmodelle könnten Medienvielfalt sichern. Dazu zähle der Markt ebenso wie „die Masse“, die mithilfe von Crowdfunding und Stiftungen „punktuelle Anreizsysteme für besonders kostbare Aspekte journalistischer Arbeit“ schaffen könne, wozu beispielsweise die Recherche, Innovation, Medienkritik oder die Qualität gehörten. Der Wille, in diese Bereiche zu investieren, sei bei den Verlagen nicht sonderlich ausgeprägt, daher müssten alternative Wege der Finanzierung gefunden werden.
„Journalismus ist Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge“, machte hingegen der Wissenschaftsjournalist Ekkehard Sieker in einem leidenschaftlichen Plädoyer gegenüber den Abgeordneten deutlich. Entsprechend müsse die journalistische Arbeit gefördert werden, beispielsweise durch eine öffentliche Recherchestiftung.