Kindheit in der Jackentasche

Seit einem halben Jahrhundert gibt‘s den Bummi

Was verbindet Dich mit Bummi? Jeder der im Osten aufgewachsenen Freunde, den die Autorin fragte, sang sofort los: „Bummi Bummi brumm brumm brumm …“ Bummi, Deutschlands traditionsreiche Kinder- und Vorschulzeitschrift, hatte am 15. Februar 50. Geburtstag. Gefeiert wird aber das ganze Jahr mit vielen besonderen Ereignissen.

Bummi, der gelbe Wuschelbär, ist Namensgeber für die Zeitschrift und längst Kult. Seit dem ersten Heft begleitet er Generationen von Kindern. „Wir haben einen Teddy vorgeschlagen, weil den Mädchen und Jungen gleichermaßen lieben. Er sollte sich ihrer Probleme annehmen“, erinnert sich Ursula Böhnke-Kuckhoff, die 32 Jahre lang die Redaktion leitete. Das von ihr im ersten Jahr geschriebene Bummilied mit der Melodie von Gerd Naumilkat, das alle DDR-Kindergartenkinder und Schulanfänger lernten, sieht sie als „Glaubensbekenntnis“. Denn damals wie heute gelte, „dass Bummi anderen gut Freund sein will und sich um sie sorgt.“
Anstoß zur Gründung einer Zeitschrift für Vorschulkinder war der in der DDR seltene Moment, dass der Verlag „Junge Welt“ Papierkontingente übrig hatte. Die Idee, Eltern und Erzieherinnen bei der Vorschulerziehung zu helfen, zwischen dem Spielzeugland und der realen Welt zu vermitteln, wurde für gut – und auch politisch nützlich – befunden. Bummi erschien zunächst monatlich, später 14tägig in einer Auflage von 750.000 – konkurrenzlos. Die altersgerechten Folgeblätter waren ABC-Zeitung und Frösi „Fröhlich sein und singen.“ Natürlich wurden gesellschaftliche Höhepunkte wie 1. Mai oder Frauentag im Heft kindgerecht begangen, richtete sich der Blick mit Kumpel Mischka-Bär auf den Freund Sow­jetunion – aber so stark sei die pädagogische Beeinflussung von oben nun doch nicht ge­wesen. „Man hat uns machen lassen“, sagt Böhnke-Kuckhoff. „Und wenn ich‘s nicht gewollt hätte, hätte ich die Sache hingeworfen.“
Sie ist stolz auf Soli-Aktionen wie Sammlungen für namibische Flüchtlingskinder – „fünfmal täglich brachte das Postauto Geschenkpäckchen in den Verlag“ – oder „Dein zweitbestes Sonntagskleid für Vietnam“, bei denen die Kinder „etwas fühlen sollten.“ Der von ihr kreierte Oma- und Opa-Tag mit Geschenken, Spielen und Besuchen wird bis heute am 11. November in den Kindergärten begangen. Bummi leistete sich den Luxus einer Testredakteurin, die Reaktionen auf Geschichten und Aktionen vorab testete. Diese Gründlichkeit wirkte sich nachdrücklich auf die Qualität des Heftes aus. Immer noch schreibt die 79jährige Journalistin alle Bummi-Geschichten. Ihre fünf Kinder und neun Enkel habe sie im Bummi „verarbeitet“. Man müsse die „Kindheit in der Jackentasche“ bewahren, wenn man eine Märchenerzählerin sein wolle. Für kleine Kinder zu schreiben, sei schwer.
Nach der Wende wurde Bummi mit dem Zuckerguß-Zusatz „Das kleine Paradies für Kinder“ versehen und vom Pabel-Moewig Verlag in Rastatt übernommen, der zur Heinrich-Bauer-Verlagsgruppe gehört. In der gesamtdeutschen Medienlandschaft von mehr als 100 Kinderzeitschriften – deren Geschichte bereits 1770 mit der ersten „Monatsschrift für Kinder“ begann – buhlt heute ein immer vielfältigeres Angebot um die Gunst immer jün­gerer Zielgruppen. „Bussi-Bär“, „Hoppla“ oder „Fix und Foxi“ sind dabei als tradierte Marken für Vorschulkinder in den Köpfen von West-Eltern verankert. Dass Bummi mit 130.000 Auflage als eines der wenigen DDR-Medien ohne Pause Fuß fassen konnte, ist nicht nur nostalgischen Ost-Eltern geschuldet. Ein Drittel der heutigen Bummi-Fans wohnt in den alten Bundesländern.
„Wir haben überlebt, weil wir ein bisschen anders sind“, behauptet nicht zu Unrecht Chefre­dakteurin Sabine Drachsel, studierte Lehrerin, die den Job 1990 praktisch von ihrer Mutter Böhnke-Kuckhoff „erbte“. Einiges wurde verworfen, neue Ideen kamen hinzu, doch grundsätzlich blieb Bummi Bummi. Das Heft erscheint bis heute nicht comicglatt computergestylt, sondern wird nahezu komplett von Hand in Öl, Aquarell, Pastell illus­triert, die einzelnen Figuren sehen deshalb immer ein wenig anders aus. Genau das aber irritierte vor Jahren bei einer Befragung in Bochum die Eltern. „Wir ernteten viel Verständnislosigkeit“, erinnert sich Drachsel. „Trotzdem verfolgten wir unser aufwändiges Konzept weiter, weil ich davon überzeugt war und bin!“
Auch inhaltlich wartet das kleine Team von Chefredakteurin Sabine Drachsel, Layouterin Astrid Güldemann und rund 15 AutorInnen mit einigem auf, was andere nicht bieten. Gezeigt wird nicht nur heile Welt. So beschäftigt sich der Kindersonnenkreis mit Kindern, die es nicht einfach haben, die traurig, krank oder hungrig sind oder mit einer Behinderung leben müssen. Geblieben ist das „Kleine Märchenbuch“ zum Ausschneiden und Falten – die ideale Taschen-Vorlese-Lektüre für unterwegs. Viele schön illustrierte Geschichten von Bummi-Hausautoren wie Ingeborg Feustel, Willy Moese oder Richard Hambach werden nachveröffentlicht. Seit sechs Jahren hat Bummi Bildbeiträge, eine Tierpsychologin erzählt über das Leben von Nutztieren, ein Fotolexikon illustriert Buchstaben im Alltag.
„Wir müssen mit geringem Honorar auskommen“, erzählt Drachsel. Dennoch sind die journalistischen Ansprüche hoch gesetzt. Gern hätte die Chefredakteurin mehr Abos – doch darauf könnten sich Eltern in wirtschaftlicher Unsicherheit nicht festlegen. Auch die Entscheidung, am Kiosk 2,50 Euro für die Kinderzeitschrift auszugeben, falle vielen zunehmend schwer.

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