Klimakiller in der TV-Werbung

Die jüngste Studie der Otto Brenner Stiftung beschäftigt sich mit klimaschädlicher Werbung

Knapp ein Drittel aller Spots in TV und auf YouTube wirbt für klimaschädliche Produkte. Das verstößt gegen den Medienstaatsvertrag, wie die am 6. Mai veröffentlichte Studie „Reklame für Klimakiller“ der Otto Brenner Stiftung offenlegt. Denn der Medienstaatsvertrag untersagt explizit Werbung für „in hohem Maße“ umweltschädliches Verhalten. Die Autoren fordern von der Medienpolitik eine strengere Regulierung klimaschädlicher Werbung.

Von den rund 10.000 analysierten Werbespots appelliert rund jeder Dritte, klimaschädliche Waren und Dienstleistungen zu erwerben oder zu konsumieren. So wurden 86 Prozent der Spots für Süßwaren klimaschädlichen Produkten zugeordnet, vor allem Schokolade mit einem recht großen CO2-Fußabdruck. Aber auch Produkte rund um Autos (78%) und Drogerieartikel (72%) seien in großer Mehrzahl als klimaschädlich einzustufen. 

Mit dem Kauf eines einzigen der angepriesenen Artikels sei das nach den jetzigen Klimazielen jedem Erdenbürger jährlich zustehende CO2-Budget bereits aufgebraucht. Dabei gehen die Autoren von der derzeit angestrebten Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad aus. 

„Wir sind an Werbung für Autos, Flugreisen, Rindfleisch-Burger, Kaffee und viele andere emissionsstarke Produkte gewöhnt“, so Studienleiter Uwe Krüger. „Aber wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung eine Form des Appells ist, wird die Absurdität deutlich: Wir appellieren an die Bevölkerung, weiter Klima-Killer zu kaufen und zu konsumieren, während die Klimakrise uns bereits Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Hitzetote und massives Artensterben beschert.“ 

Appell an die Politik

Der fortschreitende Klimawandel und die drohende Klimakatastrophe erfordern eine Politik, die diese Regelverstöße erkennt, sanktioniert und unterbindet. Der Medienpolitik steht eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen zur Verfügung – bis hin zu Werbeverboten für bestimmte Produkte oder ganze Produktgruppen, so die Autoren. 

Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Die Autoren verweisen auf verpflichtende Warnhinweise bei Spots für klimaschädliche Güter, Werbeverbote für bestimmte Produktgruppen sowie die Vorgabe eines CO2-Werbe-Gesamtbudgets pro Sender oder Plattform. Außerdem könnte ein dynamisches Preis- oder Umlagesystem entwickelt werden, durch das sich Werbung für klimaschädliche Güter verteuert.

52 Stunden Werbespots

Das Team um den Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger von der Universität Leipzig hat Werbespots der größten deutschen Fernsehsender und auf YouTube analysiert und den CO2-Fußabdruck der beworbenen Güter berechnet. „Unsere Studie basiert auf 9.779 Werbespots, jeder einzelne davon wurde manuell codiert. Das sind knapp 52 Stunden ausgewertetes Videomaterial. Mit dieser enormen Datenbasis können wir die realistische Aussage treffen, dass der deutsche Werbemarkt im Fernsehen und auf YouTube dem Klima schadet“, sagt Autorin Katharina Forstmair. 

30,3 Prozent, rund 3.000 Spots, warben für klimaschädliche Waren und Dienstleistungen. TV-Werbebeiträge machten im Schnitt deutlich häufiger für Klimasünder Werbung als ihre Pendants auf YouTube. In den ausgewerteten Werbeclips der aufrufstärksten Videos der größten deutschen YouTube-Kanäle wurde in rund jedem siebten Beitrag ein „Klimakiller“ angepriesen. 


Uwe Krüger, Katharina Forstmair, Alexandra Hilpert, Laurie Stührenberg: Reklame für Klimakiller. wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt. OBS-Arbeitspapier 66,  Frankfurt am Main, Mai 2024

Weitere aktuelle Beiträge

Journalistische Rolle: Mächtige kontrollieren

Der Journalismus steht in der digitalisierten Gesellschaft besonders unter Druck, wenn er seine demokratische Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen, weiterhin erfüllen will. Das beeinflusst auch Rollenverständnis und Werteorientierung der Medienschaffenden. Nach einer aktuellen Studie zur Profession in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist den meisten Journalist*innen heute ihre Kontrollfunktion als „Watchdog“ der Mächtigen am wichtigsten.
mehr »

Koalitionsvertrag: Details zu Presse und Medien

Am 9. April haben CDU/CSU und SPD als Grundlage für ihre mögliche Zusammenarbeit als neue Regierung den in den vergangenen Wochen verhandelten Koalitionsvertrag vorgestellt. Wir dokumentieren einige Details zum Bereich Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Medien- und Netzpolitik, sowie zu Digitalisierung und Medienkompetenz.
mehr »

Medienrat: Chance für den ÖRR

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hält es grundsätzlich für positiv, einen Medienrat zu schaffen, der evaluiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag insgesamt erfüllen. Es sei „eine gute Idee“ eine Institution zu haben, die gesamthaft die Entwicklung der Rundfunkanstalten in den Blick nehme, erklärt Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).
mehr »

Die unendliche Krise des RBB

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.
mehr »