Finanzskandal beim MDR hat Folgen
Es kracht im Gebälk des MDR: Die bekannt gewordenen Fehlspekulationen mit der ekuadorianischen Währung, die der öffentlich-rechtlichen Dreiländeranstalt Verluste von 2,6 Mio. DM bescherten, bringen das Fass zum Überlaufen und den Stuhl vn MDR-Intendant Udo Reiter bedrohlich zum Wackeln: Schon durch seine exzessive und bislang wenig erfolgreiche Outsourcing-Politik war der Hardliner ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Jetzt muss er sich vorwerfen lassen, Gebührengelder verschleudert zu haben.
Zwar hatte der Intendant eingeräumt, dass diese Verluste auf Fehlentscheidungen zurückzuführen seien, aber im gleichen Atemzug betont, dass es sich um „eine einmalige Fehlentscheidung“ gehandelt habe. Doch – wie jetzt nach und nach ans Licht kommt – hielt sich Reiter nicht an die Wahrheit: Wie aus einem Prüfbericht der PWC Deutsche Revision vom 31. Dezember 1998 hervorgeht, hat der MDR bereits 1998 Kursverluste von 1,3 Mio. DM verbuchen müssen. Diese Verluste resultierten aus der Veräußerung einer so genannten Equity-Linked-Note der Deutschen Genossenschaftsbank AG und dem Verkauf von Wertpapieren.
Die verspekulierten Gelder stammen aus der „Anschubfinanzierung“ von 517 Mio. DM, die der MDR Anfang der neunziger Jahre für den Neubau der Funkhäuser bekommen hat. Dies seien keine Gebührengelder, ging Reiter auf Dummenfang. Das ist schlichtweg falsch: „Von 1992 bis 1995 haben die Gebührenzahler im Westen eine knappe Milliarde DM als Solidarbeitrag für den Aufbau der Rundfunkanstalten in den neuen Ländern aufgebracht“, so der Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), Rainer Conrad. Diese Mittel hat der MDR noch nicht ausgegeben, weil er für seine neuen Häuser in Leipzig, Dresden, Magdeburg und Erfurt auf eine Leasing-Finanzierung gesetzt hat. Rund 1,3 Milliarden DM dürfte der MDR insgesamt auf der hohen Kante haben – rund eine Milliarde DM, so wird geschätzt, setzt die Anstalt offensichtlich in Anlagen ein. „Das kann nicht wahr sein!“, wettern nun Politiker, Medienfachleute und Gremienmitglieder unisono. Die drei Landesregierungen sowie die Rechnungshöfe übten ebenfalls scharfe Kritik. Der MDR sei „wie ein schwarzes Loch“, hieß es.
Das Zocken mit den Gebühren sei nicht zulässig, betont KEF-Chef Conrad. Zwar machten alle Sender Wertpapiergeschäfte, doch die KEF und die Rechnungshöfe kontrollierten das Anlageverhalten sehr genau. Allerdings, so gab Conrad zu bedenken, sei dies nur eine Nachkontrolle und könne spekulative Geschäfte nicht von vornherein verhindern.
IG Medien: Aufklärung und personelle Konsequenzen
Der Journalistenverband DJV bezeichnete Reiters Anlagepolitik als „Spiel mit dem Feuer“; die IG Medien forderte eine rückhaltlose Aufklärung sowie gegebenenfalls personelle Konsequenzen der De-visenspekulationen. Das Letztere, hat der MDR-Intendant flugs umgesetzt: Reiter hat seinen Verwaltungsdirektor Rolf Markner entlassen und glaubt offensichtlich, damit seinen Kopf retten zu können. Doch ob dieses Bauernopfer ausreichen wird, ist fraglich. Die sächsische FDP forderte bereits Reiters Rücktritt sowie die Einsetzung von Parlamentsausschüssen in den drei MDR-Staatsvertragsländern. Die gelbe Partei ist aber selbst nicht im sächsischen Landtag vertreten.
Heiko Hilker, MDR-Rundfunkratsmitglied und medienpolitischer Sprecher der PDS-Landtagsfraktion in Sachsen, plädiert dafür, zuerst einmal „alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und die Fakten offen zu legen“. Darüber sei man sich im Rundfunkrat einig. Hilker meint, dass die jetzt bekannt gewordenen Fehlspekulationen nur „die Spitze des Eisberges“ sind. „Dafür sind viele verantwortlich“, so der PDS-Sprecher. Der vom Rundfunkrat gewählte Verwaltungsrat habe als Kontrollorgan schlichtweg versagt, nicht mit offenen Karten gespielt und vielleicht sogar Vorgänge vertuscht. „Da sind Vorlagen offensichtlich nicht einmal gelesen worden“, vermutet Hilker. Deshalb sei auch nachzuprüfen, welche personellen Konsequenzen in diesem Gremium zu ziehen seien. Intendant Reiter sei nur Teil des Problems, Strippenzieher säßen ebenso in der Sächsischen Staatsregierung. In einem Schreiben an die Landesregierung fordert seine Fraktion deshalb, „den MDR vor weiterem Schaden zu bewahren und auf den öffentlich-rechtlichen Pfad zurück zu führen“. Sollte jedoch keine Bereitschaft bestehen, die Geldflüsse des MDR offen zu legen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, fordern PDS-Politiker aus Sachsen und Thüringen „die Auflösung des MDR, wenn er mit seinem dubiosen Finanzgebaren“ nicht aufhöre.
Der Rundfunkrat hat es nun in der Hand, den kompletten Verwaltungsrat per Beschluss zu kippen. Eine eventuelle Abberufung des Intendanten müsste durch Rundfunk- sowie Verwaltungsrat gemeinsam beschlossen werden. Die nächste Sitzung des MDR-Rundfunkrates ist für den 13. November anberaumt. Dort könnte die Bombe platzen.
Zudem, so hört man aus dem MDR, formiert sich auch innerhalb der Anstalt eine kräftige Fraktion gegen Reiter. „Seine Eigenmächtigkeiten und sein Unvermögen, mit Menschen umzugehen, könnten ihm jetzt zusätzlich auf die Füße fallen“, hieß es beim Meinungsaustausch in der Caféteria des neuen Sendezentrums. Reiter versucht gegenzusteuern: Er lässt die Finanzanlagen der Dreiländeranstalt durch die Wirtschaftsprüferfirma Ernst & Young durchleuchten. Im November, noch vor der nächsten Rundfunkratssitzung, soll das Prüfergebnis vorliegen, lautete es in einer offiziellen Mitteilung. Sämtliche noch in Risikobereichen angelegten Gelder sollen zum nächstmöglichen Termin in sichere Fonds überführt werden, das sind zurzeit ca. 33 Millionen. Außerdem wurde die Juristische Direktion beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat ein Regelwerk zu erstellen, das die Grundsätze der MDR-Anlagenpolitik für die Zukunft verbindlich festlegt und dem öffentlich-rechtlichen Charakter des MDR gerecht wird.
Problem für gesamte ARD
Abgesehen davon wird befürchtet, dass der MDR-Finanzskandal zur bitteren Pille für die gesamte ARD wird, denn der Sächsische Landtag hat bereits gedroht, die Gebührenerhöhung um 3,33 DM ab dem 1. Januar 2001 abzulehnen. Große Teile der CDU-Fraktion sowie die PDS erkennen keinen zusätzlichen Finanzbedarf des MDR und sehen sich durch die aktuellen Enthüllungen in ihrer Meinung bestätigt. Bereits Mitte des Jahres war bekannt geworden, dass die Unternehmensberatung Roland Berger, die die Folgen des Outsourcing überprüfte, wesentliche Mängel in der Führungsqualität beim MDR feststellte. Der MDR stehe kurz vor dem „point of no return“, sofortige Veränderungen seien notwendig. Bis heute jedoch sind keine maßgeblichen Schritte eingeleitet worden.
Nun werden die Karten neu gemischt. Die Vorsitzende des MDR-Gesamtpersonalrats Adelheid Scholz ist sicher, dass durch den Finanzskandal auch die Outsourcing-Projekte noch einmal auf den Prüfstand kommen werden. Bereits im August hatte der Personalrat in einem offenen Brief die Rücknahme des Outsourcings der Media Mobil GmbH (MMG) gefordert, zu der die Übertragungswagen gehören. Kam bislang darauf keine Antwort, versicherte Reiter nun den Personalräten, dass das Problem der Geschäftsleitung bewusst sei. Es gäbe Überlegungen beispielsweise über Teillösungen, aber eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Diese und weitere werden jetzt fallen müssen, wenn Reiter nicht fallen will.