„Konzentrationsregelung ist Kotau vor Konzernen“

Kommentar zu den Kompromissen der Ministerprasidenten zur Medienpolitik

Wer nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten von Bad Neuenahr an ein Wunder glaubte, wurde nicht lange danach von Zweifeln geplagt. Spätestens nach dem blauen Wunder von Berlin können sich nun auch die letzten Mediengläubigen verdutzt die Augen reiben. Bei genauer Betrachtung erweisen sich beide Kompromisse der Ministerpräsidenten zur Medienpolitik als unzureichend. Einmal für die ARD und zum anderen für die Medienvielfalt in Deutschland.

Ab dem Jahr 2001 wird sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, d.h. insbesondere für die ARD einiges gravierend ändern. Uber die endgültige Festlegung der Rundfunkgebührenerhöhung wurde in Berlin zwar nicht offen gesprochen, aber alle Zeichen deuten darauf hin, dass es trotz berechtigter Kritik der ARD bei der KEF-Empfehlung bleiben wird. Bedenklicher noch, dass der Streit um den ARD-Finanzausgleich für das Jahr 2001 quasi vorprogrammiert ist. Die gesonderte Kündigungsmöglichkeit für den S 10 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages (Finanzausgleich) ist das Einfallstor für weitere Angriffe auf die ARD. Stoiber und Biedenkopf lassen grüssen. Zu Recht hat das Bundesland Bremen zu Protokoll gegeben, ,,dass mit einer solchen Austrittskündigung faktisch das Gesamtgefüge rundfunkrechtlicher Staatsverträge betroffen sein wird.“ In schöner Deutlichkeit haben die Unions-dominierten Länder daraufhin erklärt, ,,dass eine Bestands- und Entwicklungsgarantie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als solchem zukommt, nicht aber einzelnen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“.

Die in Berlin in ihren Grundzügen verabschiedete Regelung zur Konzentrationskontrolle im Bereich des privaten Rundfunks kann realistisch nur als Kompromiss zu Lasten der Medienvielfalt bezeichnet werden. Weder das nunmehr sanktionierte Zuschaürmarktanteilsmodell noch die damit verbundene 30-Prozent-Obergrenze sind geeignet, die Medienkonzentration wirkungsvoll zu begrenzen. Kritische Medienexperten sind sich einig, dass die 30-Prozent-Messlatte nicht nur den status quo festschreibt, sondern sogar weitere Marktexpansion der grossen Medienkonzerne erlaubt. Das ist ein Kotau vor den Konzernen, die ihre Fakten geschaffen haben.

Als hätte es noch eines Beweises bedurft, konnte man in der Presse zeitgleich und auf anderem Weg noch einen Tag früher zur Kenntnis nehmen, dass Bertelsmann mit Canal Plus, der Havas-Gruppe und Rupert Murdoch zur nächsten Runde auf höherer, sprich europäischer Ebene rüstet. Ob die Kartellbehörden in Brüssel noch einmal ähnlich wie im Fall der MSG (Media Service GmbH) entscheiden ist offen.

Offen ist auch noch einiges hinsichtlich der Konzentrationskontrolle in der Bundesrepublik Deutschland. Unklar ist, wie die Ermittlung des Zuschaüranteils verlässlich erfolgen solle. Erfahrungen mit den GfK-Messungen in der Vergangenheit müssen skeptisch stimmen. Andere qualifizierte Unternehmen stehen zumindest zur Zeit nicht bereit. Insofern ist auch die vorgesehene Ausschreibung zur Ermittlung eines Unternehmens für die Messungen des Zuschaüranteil eher Augenwischerei und kein geeigneter Lösungsweg.

Sachlich nicht gerechtfertigt ist vor allem die Einbeziehung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Nach Berechnungen von Experten haben die öffentlich-rechtlichen Programme zur Zeit einen Marktanteil von ca. 30 Prozent. Dieser muss bei der Bemessung der privaten Konzentrationskontrolle ausgeklammert werden.

So positiv die vorgesehene Einrichtung einer Kommission zur Ermittlung der Konzentration (KEK) ist, muss man doch sehen, dass ihre Stellung nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Die für sie vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse und ihre relativ starke Position gegenüber einzelnen Landesmedienanstalten sind zu begrüssen. Insbesondere im Hinblick auf die personelle Besetzung der Kommission sind aber noch einige Fragen offen. Auch ist ihre Unabhängigkeit nicht so stark wie sie hatte sein können. Ob die als ,,lex Kirch“ bezeichnete Angehörigenklausel wirklich greifen wird muss sich erst zeigen. Ungeklärt ist auch, wie Beteiligungen an unterschiedlichen Medien (cross-owner-ship) gewichtet und bewertet werden sollen. Unter dem Vorzeichen von multimedialer Verwertung der Medienprodukte gibt es hier dringenden Handlungsbedarf.Unbefriedigend ist in diesem Zusammenhang, dass die Ministerpräsidenten sich nicht klarer und eindeutig positiv zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geäussert haben. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie von ARD und ZDF muss auch über das Jahr 2000 hinaus gelten. Eine demokratische lnformationsgesellschaft ist ohne einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eine umfassende Grundversorgung auch im Bereich der Multimedia-Anwendungen sicherstellen muss, nicht vorstellbar.

Blauäugig also, wer an das Wunder von Bad Neuenahr glaubte. Er und sie sind inzwischen eines besseren belehrt. Die Standortpolitik hat über die Medienpolitik gesiegt. Wer nach Prüfung des Berliner Kompromisses der Ministerpräsidenten immer noch glaubt, die Medienvielfalt wäre gesichert, befindet sich auf dem Holzweg. Verwundert werden sich diejenigen die Augen reiben, die meinen, die Kommission zur Ermittlung der Konzentration (KEK) könne mit ihren möglicherweise durchaus wirkungsvollen Mitteln der Medienkonzentration Einhalt gebieten. Der Sündenfall ist das Zuschaüranteilsmodell. Ein Fischernetz oder ein Hammer sind gute Werkzeuge. Aber was nützt es, wenn die Maschen selbst für dicke Fische einfach zu gross sind. Oder – nagelt doch einmal einen Pudding an die Wand.


 

 

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